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    The Salvation
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Salvation
    Von Björn Becher

    Der Western ist bekanntlich das uramerikanische Genre schlechthin, doch die filmischen Erzählungen von der Eroberung des Wilden Westens, von Cowboys und Indianern waren nur in der Anfangszeit des Kinos weitgehend den Hollywood-Pionieren wie John Ford oder Raoul Walsh vorbehalten. Seit den 1960er Jahren ist das Genre endgültig international geworden. Man denke nicht nur an den Italo-Western, an die Karl-May-Verfilmungen aus Westdeutschland oder an die DEFA-Indianerfilme, längst gibt es auch Western-Produktionen aus Asien, Australien und aus praktisch jedem anderen Winkel der Welt. Und so kommt mit „The Salvation“ nun ein dänischer, in Südafrika gedrehter Western in die deutschen Kinos, in dem sich Schauspieler aus Schweden, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und den USA duellieren, wobei den wenigen Amerikanern ausschließlich Bösewicht-Rollen vorbehalten sind. Das grimmige Auge-um-Auge-Drama des Dänen Kristian Levring („Fear Me Not“) ist eine kritische Auseinandersetzung mit amerikanischen (Gründungs-)Mythen und dabei auch als Parabel auf heutige Konflikte (insbesondere um Öl) lesbar. „The Salvation“ gefällt über weite Strecken vor allem durch den Stilwillen des Regisseurs: Hier sagen die Bilder deutlich mehr als die meisten Figuren.

    Im Jahr 1864 haben die Brüder Jon (Mads Mikkelsen) und Peter (Mikael Persbrandt) den deutsch-dänischen Krieg hinter sich gelassen und sind nach Amerika ausgewandert. Im Wilden Westen haben sie sich eine neue Existenz aufgebaut, so dass Jon nun sieben Jahre später endlich seine Frau Marie (Nanna Øland Fabricius) und seinen kleinen Sohn Kresten (Toke Lars Bjarke) aus Dänemark nachholen kann. Doch schon in der Kutsche vom Bahnhof kommt es zur Tragödie: Gangster vergewaltigen und töten Marie, auch den Jungen bringen sie um, ehe Jon sie erschießen kann. Das wiederum erregt den Zorn des mächtigen Bandenchefs Delarue (Jeffrey Dean Morgan), denn einer der Toten war sein kleiner Bruder Paul (Michael Raymond-James). Delarue terrorisiert die ganze Gegend und verlangt in seinem Rachedurst von den Bewohnern des Örtchens Black Creek, dass sie zwei Bürger aus ihrer Mitte auswählen, die nach dem Auge-um-Auge-Prinzip ebenfalls ihr Leben lassen sollen. Als die so eingeschüchterten Einheimischen erfahren, dass Jon für den Tod von Delarues Männern verantwortlich ist, liefern sie ihn dem Banditen ans Messer. Der ehemalige Soldat muss erneut zur Waffe greifen, wenn er überleben will…

    „The Salvation“ ist ein Film, der vor allem von seinen Bildern lebt. Hier werden Blicke ausgetauscht und nicht Dialoge. Von der Eröffnungsszene am Bahnhof mit dem schweigenden Einverständnis zwischen Jon und Peter bis zum finalen Showdown fallen nur wenige Worte, mit Delarues früh verwitweter Schwägerin Princess (Eva Green) gibt es sogar eine stumme Figur. Nur der Bandenboss selbst erweist sich als sehr redselig und durchbricht die Stille immer wieder. Die wenigen Dialoge werden dabei gekonnt genutzt, um Spannung zu erzeugen, wie etwa bei der Kutschfahrt zu Beginn: Auf der einen Seite sitzt Jon mit seiner Familie, ihnen gegenüber die beiden Banditen. Ein Wort gibt das andere, schnell wird die Stimmung feindselig, jede Äußerung kann die Situation eskalieren lassen, die Beleidigungen der Banditen gegenüber Marie, aber auch Jons dänische Anweisungen für seine Frau und seinen Sohn, mit denen er das Schlimmste verhindern will. Die intensive Szene ist ein vielversprechender Anfang für einen ungewöhnlichen Film, der sich in der Folge allerdings nicht immer auf gleicher Höhe bewegt.

    Die Auseinandersetzung in der Kutsche gehört zu den wenigen Szenen, die in Innenräumen spielen. Die bevorzugten Schauplätze sind die staubige Prärie (gedreht wurde in Südafrika) und die verfallenen Ruinen der Geisterstadt, in der Delarue residiert und aus deren Boden das Öl hervorquillt. Dieses Setting liefert eindrucksvolle Aufnahmen und der Film ist dann am besten, wenn Regisseur Levring einfach die Bilder sprechen lässt: Da reicht ein einziger Kameraschwenk, um dem postkoitalen Beieinanderliegen von Delarue und Princess eine ganz neue Bedeutung zu geben. Da blendet die Sonne nicht nur die Protagonisten, sondern von der Kinoleinwand herab auch die Zuschauer. Und selten fasste eine einzige Einstellung einen Film so gut zusammen, wie hier die Ansicht einer ganzen Batterie von Ölbohrtürmen. Doch so stark über weite Strecken die Bilder sind und so gut die stetige Akustik-Gitarren-Untermalung sowie das hörbare Flimmern der Hitze diese verstärken, so deutlich ist „The Salvation“ bisweilen auch anzusehen, dass 10,5 Millionen Euro Budget doch nicht genug für Levrings Vorstellungen waren. Besonders deutlich tritt dies bei den Feuersbrünsten des Showdowns zutage, denn diese setzen dem Zuschauer fast so stark zu wie Jons Widersachern: Das CGI-Feuer sieht überaus künstlich aus, was bei einem Film, der so stark von seiner Atmosphäre lebt wie dieser, besonders störend ist.

    In Western geht es sehr häufig um Pioniere, um neue Eroberungen und neue Errungenschaften, das ist in „The Salvation“ nicht anders. Levring und sein Co-Autor Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel“) erzählen im Hintergrund vom beginnenden Siegeszug eines neuen Rohstoffs: Öl sickert aus dem Boden. Viele wissen damit noch nichts anzufangen, andere glauben, dass sich damit viel Geld verdienen lässt und sind schon jetzt bereit, dafür über Leichen zu gehen. Auch wenn die Form in diesem Film oft wichtiger als der Inhalt zu sein scheint, steckt auch thematisch eine ganze Menge in „The Salvation“. Ob es die Andeutungen über Delarue sind, der als ehemaliger gefeierter Indianerschlächter in einer Welt, die immer zivilisierter wird, fürchten muss, keine Rolle mehr zu spielen oder die verschreckten Bewohner des Dorfes, die sich selbst in die Tasche lügen, es wird ein faszinierendes Geflecht von verborgenen Motivationen, verlorenen Träumen und bitteren Erkenntnissen angedeutet. Da sind etwa der Sheriff (Douglas Henshall), der zugleich auch der Priester ist, und der Bürgermeister (Jonathan Pryce), der zugleich als Totengräber fungiert. Immer wieder behaupten sie voller Überzeugung, dass sie zum Wohl des Ortes und seiner Einwohner handeln, doch am Ende versuchen alle nur die eigene Haut zu retten. Nicht ganz zufällig sind die einzigen Bürger, die sich wirklich einmal uneigennützig verhalten und bereit sind, ein Opfer zu bringen, eine greise alte Dame und ein junger Teenager.

    Fazit: Ein Western made in Dänemark: stimmungsvoll, wortkarg und stilbewusst inszeniert.

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