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    Robin Hood, König der Vagabunden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Robin Hood, König der Vagabunden
    Von René Malgo

    Robin-Hood-Filme gibt es wie Sand am Meer. Fragt man den Filmfreund, welche von allen Interpretationen die beste sei, fällt die Wahl häufig auf „Die Abenteuer des Robin Hood“ (auch: „Robin Hood, König der Vagabunden“) aus dem Jahr 1938. Tatsächlich lassen sich genug Gründe finden, warum kein Film über den legendären Vogelfreien gelungener als dieser sein kann. Der flotte Mantel-und-Degen-Film von Michael Curtiz und William Keighley mit Errol Flynn in der Hauptrolle darf sich nämlich ohne Vorbehalte zu den besten Genrebeiträgen seiner Epoche zählen.

    Während sich König Richard Löwenherz (Ian Hunter) im Heiligen Land auf Kreuzzug befindet, beutet Prinz John (Claude Rains) die eigene Bevölkerung aus. Ihm widersetzt sich ein wackerer angelsächsischer Adliger: Sir Robin von Locksley (Errol Flynn). Da das normannische Königsgeschlecht ohnehin mit den Angelsachsen auf Kriegsfuß steht, wird Sir Robin umgehend für vogelfrei erklärt. Von da an organisiert er als Robin Hood seinen Widerstand aus dem Sherwood Forest bei Nottingham heraus. Er stiehlt von den Reichen, gibt den Armen und macht Sir Guy of Gisbourne (Basil Rathbone) und seinem Sheriff (Melville Cooper) das Leben gehörig schwer. Neben Gold und Speisen stiehlt der charmante Freibeuter zu Lande auch noch das Herz der hübschen Lady Marian (Olivia de Havilland).

    So weit, so bekannt. Einige Jahre vorher hatte Regisseur Michael Curtiz (Casablanca) Errol Flynn mit dem Piratenspektakel „Unter Piratenflagge“ (1935) zum Star gemacht. Während der Dreharbeiten zu „Die Abenteuer des Robin Hood“ trafen sie wieder aufeinander. Den Studiobossen reichten die Fähigkeiten des ursprünglichen Regisseurs William Keighley, ansprechende Actionszenen zu inszenieren, nämlich nicht aus. Rückblickend möchte man den Herren Recht geben. Das Resultat dieser aufgezwungenen Zusammenarbeit beziehungsweise dieses Austausches der beiden Regisseuren führte zu einem perfekten Abenteuerfilm mit einem für damalige Verhältnisse überdurchschnittlich hohen Budget: Statt der geplanten 1,6 Millionen verschlangen die Dreharbeiten stolze zwei Millionen Dollar.

    In den Anfängen des Tonfilms in den 1930er bis 1950er Jahren erfreuten sich aufwendige Mantel-und-Degen-Produktionen großer Beliebtheit – zusammen mit den artverwandten Sandalenfilmen waren sie die „Blockbuster“ ihrer Zeit. Doch auch schon davor, in der Stummfilmära, sorgte Douglas Fairbanks im Genre für Furore: Bereits 1922 verkörperte er Robin Hood. Und wenn es einen würdigen Nachfolger für diesen Leinwandhelden der hollywoodschen Frühzeit gab, dann war es ganz sicher Errol Flynn. Auch wenn dieser - trotz tadelloser Leistung – nach den Dreharbeiten von einer langweiligen Tätigkeit sprach.

    Mögen die Dreharbeiten Errol Flynn auch angeödet haben, so darf sein Part als Robin Hood doch als seine Paraderolle betrachtet werden. Mit Humor, Charme und einer ihm eigenen Würde füllt er die Rolle aus, die kein anderer besser beherrscht hätte: Flynn war halt Hollywoods Topmann, wenn es darum ging, in Strumpfhosen zu steigen und Olivia de Havilland seine „Toppartnerin“, mit der Flynn sehr häufig zusammenarbeitete. Zwischen den beiden entwickelte sich eine echte Freundschaft. Der Legende nach war sie die Einzige, die Flynn nicht zu verführen wusste, was dafür sorgte, dass er sie mehr als alle anderen Damen Hollywoods respektierte. Und in der Tat ist sie im Film nicht bloß eine „Damsel in distress“, sondern eine starke, sehr hübsche Frau mit Rückgrat und Verstand. Kein Wunder, dass sich der König der Diebe in sie verliebt.

    Eher parodistische Züge tragen die bösen Buben im Film. Die Leistungen von Claude Rains als schmieriger Prinz John, Basil Rathbone als meist frustrierter Sir Guy und Melville Cooper als leicht trotteliger Sheriff von Nottingham sind – mit einem Wort – köstlich. Eine humoristische Note verleiht auch die parallel zu Robins Liebeswerben verlaufende, gehemmte Romanze zwischen Marions Magd Bess und Robins Gesellen Much.

    Der Aufwand während der Dreharbeiten war beachtlich. Es wurden elf Technicolorkameras benutzt – das sind alle, die es damals in Hollywood überhaupt gab. Am Ende des Tages mussten sie jeweils an Technicolor zurückgegeben werden. Nottingham und Sherwood Forest wurden nördlich von Sacramento und westlich des San Fernando Valleys in Kalifornien zum Leben erweckt. Ein dortiges Wäldchen wirkte in der Tat wildromantisch genug, um das moderne Kalifornien als das mittelalterliche England durchgehen zu lassen. Die Ausstatter – sowohl im Studio als auch bei den Außenaufnahmen – leisteten ganze Arbeit. Gleiches kann auch von den Zeichnern der Matte Paintings behauptet werden. Die Produktionswerte überzeugen auf ganzer Linie. Am Ende hatte sich der Aufwand auch finanziell gelohnt: 1939 wurde der Film der größte finanzielle Erfolg des Studios.

    Der Humor des Films wechselt zwischen leichtem Slapstick und bissigem Wortwitz. Dabei wird „Die Abenteuer des Robin Hood“ nie albern. Der humoristische Grundton passt und macht einen großen Reiz des Films aus, der faktisch schon im Bereich der Komödie angesiedelt werden kann. Ein jeder vor und hinter der Kamera beherrscht sein Fach ausnehmend gut. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Regisseur Michael Curtiz, Kameramann Sol Polito, Komponist Erich Wolfgang Korngold und Leading Man Errol Flynn später für den ähnlich gut gelungenen Der Herr der sieben Meere wieder zusammentaten – selbstverständlich auf Geheiß der damals übermächtigen Studiobosse.

    Die knalligen Technicolorfarben, die prachtvollen Kostüme und die opulente Ausstattung machen aus dem Film ein wunderbares Erlebnis, würdig der großen Leinwand. Die rasanten Schwertkämpfe bleiben bis heute – zwar durchaus erreicht – aber nichtsdestotrotz unübertroffen. Die Mantel-und-Degen-Komödie bietet Action, Spannung, Komik, Romantik und Dramatik: also alles, was das Herz eines (dem Mainstream und Hollywood zugeneigten) Kinofans begehrt.

    Die letzte besondere Note verleiht Erich Wolfgang Korngold dem Film mit seinen Kompositionen. Er nutzte dafür viele Themen aus einem klassischen Stück, das er bereits 1919 geschrieben hatte. Das passt und beschert „Die Abenteuer des Robin Hood“ eine der besten orchestralen Umrahmungen überhaupt. Nicht zu aufdringlich, trotzdem episch und vor allem wunderschön und eingängig. Belohnt wurde er dafür verdientermaßen mit einem Oscar. Fast wäre es jedoch nicht zu seinem denkwürdigen Soundtrack gekommen. Warner Brothers lud den jüdischen Komponisten aus seiner Heimat Österreich ein, um ihm den Film zu zeigen, den er musikalisch unterlegen sollte. Korngold wollte ablehnen, weil er fand, dass sein Musical-typischer Stil nicht passte. Als er aber erfuhr, dass die Nazis in Österreich einmarschieren wollten, beschloss er, den Auftrag anzunehmen, um in den USA bleiben zu können. Seine Familie konnte dank seiner Hollywoodkontakte bald nachkommen und entfloh so dem Holocaust.

    Ursprünglich hätte der berühmte Gangsterdarsteller James Cagney (Sprung in den Tod) die Hauptrolle übernehmen sollen. Zum Glück wurde daraus nichts, so dass Flynn Gelegenheit bekam, die Rolle seines Lebens zu spielen. Alles in allem ist „Die Abenteuer des Robin Hood“ eine perfekte Hollywoodproduktion, die sich um historische Korrektheit natürlich einen Dreck schert. Aber das macht nichts, denn das Werk ist ein bewusst naiver Spaß für all diejenigen, die Freude am Spektakel haben.

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