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    Alles inklusive
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Alles inklusive
    Von Andreas Staben

    Für den entspannungsbedürftigen Touristen mit nur wenigen Urlaubswochen im Jahr sind Pauschalreisen ein verlockendes Angebot. Er bucht „alles inklusive“ und braucht sich um nichts mehr zu kümmern: Unterkunft, Mahlzeiten, Unterhaltungsprogramm – für alles ist gesorgt. Wer mag, kann seine Tage ausschließlich am Hotelpool verbringen (auch wenn das Meer nur wenige hundert Meter entfernt ist) und  muss selbst am anderen Ende der Welt nicht auf den Komfort der Muttersprache und andere heimatliche Gewohnheiten verzichten. Diese oft sehr preisgünstige Art des Reisens ist ein Riesengeschäft – aus der spanischen Insel Mallorca ließ sie sprichwörtlich das „17. Bundesland“ werden und die dazugehörigen Klischees von Ballermann-Besäufnissen zu Jürgen-Drews-Soundtrack und der Annektion von Liegestühlen per frühmorgendlichem Handtuch-Handstreich kennt jeder. Das Paralleluniversum des Pauschalreisens nahm einst bereits Gerhard Polt in „Man spricht deutsh“ satirisch aufs Korn und nun zeichnet auch Doris Dörrie ein ironisches Porträt der Welt des konfektionierten Urlaubs. Die Regisseurin nimmt den Titel ihrer Mutter-Tochter-Komödie „Alles inklusive“ allerdings allzu wörtlich und so ist ihr Film mit seinen manchmal milde amüsanten und öfter bemüht-albernen Pointen zu Männern, Frauen, Tieren und der Welt im Allgemeinen so etwas wie die Lustspiel-Variante eines Urlaubs, bei dem die nicht mehr ganz frischen Meeresfrüchte vom Hotel-Büffet über Tage schwer im Magen liegen und das Ferienvergnügen erheblich trüben.      

    Apple (Nadja Uhl) hat bisher stets Pech mit den Männern gehabt und so schenkt die Singlefrau ihre ganze Zuneigung dem Hund Dr. Sigmund Freud. Als der geliebte Vierbeiner krank wird, kann nur eine sündhaft teure Operation ihn retten – das ist die unverblümte Diagnose des Tierarztes Dr. Fellborn (Fabian Hinrichs), mit dem Apple prompt ein weiteres mittelprächtiges Date erlebt. Ihre Mutter Ingrid (Hannelore Elsner) ist unterdessen zur Reha in Spanien, wo sie einst auf dem Höhepunkt der Hippie-Ära der freien Liebe frönte und Apple damit nebenbei ein nachhaltiges Kindheits-Trauma bescherte. Der einst lauschige Küstenort ist vor lauter Bettenburgen kaum wiederzuerkennen, aber Ingrid nimmt die Veränderungen genauso wie die aufdringlichen Avancen des Berliner Pauschaltouristen Helmut (Axel Prahl) und die Schlager-Darbietungen der Animateurin Tina (Hinnerk Schönemann) eher amüsiert zur Kenntnis. Doch dann entpuppt die Sängerin sich als niemand anderes als jener Tim, der als Junge bei den Ereignissen des schicksalhaften Sommers dabei war und Ingrid wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Als dann auch noch die frustrierte Apple samt Hund in Spanien eintrifft, steht die Klärung lange schwelender Konflikte auf dem Programm.

    Schon seit den Tagen ihres 80er-Jahre-Erfolgs „Männer“ hat sich Doris Dörrie auf die liebevolle Beobachtung menschlicher Verhaltensweisen spezialisiert. Neben Erfolgen wie dem unterhaltsamen Reigen „Bin ich schön?“ und dem preisgekrönten Senioren-Drama „Kirschblüten – Hanami“ stehen in ihrer Filmographie allerdings auch esoterische Entgleisungen wie „Glück“ und der verunglückte Hollywood-Ausflug „Ich und Er“. „Alles inklusive“ trägt nun Züge jedes dieser Filme und somit sind hier auch alle Stärken und Schwächen der Regisseurin wiederzufinden. Gleich zu Beginn stellt sie ihre Protagonistinnen in zugespitztem Kontrast einander gegenüber: Eine orangestichige Rückblende, die mit „Somebody to Love“ von Jefferson Airplane unterlegt ist, erzählt von der freizügigen Hippie-Vergangenheit des abenteuerlustigen Freigeistes Ingrid, während die graue Münchner Gegenwart ihrer selbstverständlich durch die Flower-Power-Kindheit vermurksten Tochter Apple (!) von den längst ihrerseits zum musikalischen Kino-Klischee verkommenen „stimmungsvollen“ Klavier-Klängen der „Gymnopédie No. 1“ begleitet wird. Alsbald erfahren wir noch, dass Apple Veränderungen hasst und sich von Männern immer wieder auf das Übelste ausnutzen lässt, was sie ihrer neuen Bekanntschaft in zermürbender Redseligkeit offenbart. Hierbei stehen witzig-wahrhaftige Details (wie die Anflüge von Selbsterkenntnis, die sie nicht vor den immer gleichen Fehlern bewahren) neben aufgesetzten Pointen (ihr Hund heißt Dr. Sigmund Freud).   

    Der Mutter-Tochter-Gegensatz ist komödiantisch grob konstruiert, wobei Nadja Uhl („Sommer vorm Balkon“) der undankbarere Part zufällt. Es ist der Schauspielerin zu verdanken, dass Apple zwischen Tofuschnitzel-Witzen und permanenter Selbsterniedrigung nicht vollständig zur Neurotikerin-Karikatur verkommt. Für die ernstere Seite der Geschichte fehlt der Figur dennoch die Substanz und so blitzt das Körnchen Wahrheit all der Beziehungs-Klischees und Genre-Routinen nur äußerst selten auf.  Etwas erfolgreicher ist Dörrie mit  Ingrid, die sie mit Hannelore Elsner („Die Unberührbare“)  ideal besetzt hat. In derem Zusammenspiel mit Axel Prahl („Tatort“), der mit unbeschreiblicher Badehose lustvoll den herzhaften Proll verkörpert, gelingt die Balance zwischen Humor und Gefühl, auch die ernsten Untertöne wirken hier echt und eine kuriose Sexszene entpuppt sich als kleiner Höhepunkt. Im übrigen Film ist es gerade diese Versöhnung zwischen Komödie und Drama, zwischen Albernheit und Anspruch, die misslingt. So bleibt etwa die Figur Tina/Tim trotz einer engagierten (Gesangs-)Darbietung in ihrer ganzen tragischen Orientierungslosigkeit eine reine Kopfgeburt und wenn Ingrid dann auch noch einem gestrandeten afrikanischen Flüchtling (Elton Prince) hilft, dann will Dörrie definitiv zu viel. Der Versuch beiläufig ein „heißes Eisen“ anzufassen hat etwas Anbiederndes und wird nur noch von Juliane Köhlers („Der Untergang“) unsäglicher Gastrolle als biestig-elitäre Kultur-Journalistin und Unterhaltungs-Verächterin unterboten.      

    Fazit: Doris Dörrie bleibt sich bei der Verfilmung ihres eigenen Romans zwar treu, aber ihre neueste „menschliche Komödie“ ist thematisch überfrachtet und bleibt gerade deshalb oberflächlich.    

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