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    Tatort: Er wird töten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tatort: Er wird töten
    Von Lars-Christian Daniels

    Die „Tatort“-Fans und -Kritiker haben sich in der jüngeren Vergangenheit vor allem auf den Saarbrücker Blödel-Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) und die oft grausam synchronisierten Schweizer Kollegen aus Luzern eingeschossen, aber dabei geht etwas unter: Auch der Bremer „Tatort“ enttäuscht seit mehreren Jahren. Im Februar 2013 ließ man nach einer langen Durststrecke allerdings mit dem spannenden und clever arrangierten „Puppenspieler“ mal wieder aufhorchen – was nicht zuletzt am neuen Ermittler Leo Uljanoff (Antoine Monot jr., „Absolute Giganten“) lag, der Inga Lürsen (Sabine Postel) für eine Folge zur Seite gestellt wurde und zudem das Bett mit der langjährigen Bremer „Tatort“-Kommissarin teilte. Im erneut von Regisseur Florian Baxmeyer („Die drei ??? – Das verfluchte Schloss“) inszenierten Nachfolger „Er wird töten“ findet das amüsante Gastspiel allerdings ein jähes Ende: Der sympathische Aushilfskommissar wird schon nach wenigen Minuten ermordet. Nach diesem spektakulären Ableben knüpft der Bremer „Tatort“ leider an die Schwächen früherer Tage an und fällt vor allem in der Täterfrage erschreckend vorhersehbar aus.

    Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) freut sich gerade auf einen gemeinsamen Kegelabend mit ihrem Kollegen und Lover Leo Uljanoff (Antoine Monot jr.), als plötzlich Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) in der Tür steht: Ihr langjähriger Ermittlungspartner, der sich eine Auszeit von der Bremer Kripo genommen und sein Glück bei einem Auslandseinsatz in Afghanistan gesucht hatte, ist zurück und möchte fortan wieder an Lürsens Seite ermitteln. Für die Kommissarin kommt die Unterstützung wie gerufen: Im Präsidium schlägt die offenbar von ihrem Ex-Mann Joseph Vegner (Peter Schneider) terrorisierte, völlig aufgelöste Ärztin Marie Schemer (Annika Kuhl) auf und stammelt immerzu „Er wird töten“. Als Stedefreund Uljanoff zur Vernehmung dazu holen möchte, macht er eine grausame Entdeckung: Lürsens Liebhaber wurde auf der Herrentoilette des Präsidiums brutal ermordet. Obwohl die Kommissarin persönlich von Uljanoffs Tod betroffen ist, nimmt sie gemeinsam mit Stedefreund die Ermittlungen auf – und muss bald feststellen, dass sich ihr Kollege verändert hat…

    Nicht zum ersten Mal greift ein „Tatort“ die psychischen Belastungen auf, mit denen Bundeswehr-Soldaten nach der Rückkehr aus einem Kriegsgebiet zu kämpfen haben. Doch während sich die später geschassten Saarbrücker Kommissare Franz Kappl (Maximilian Brückner) und Stefan Deininger (Gregor Weber, der im Mai 2013 selbst als Soldat nach Afghanistan reiste) 2011 im „Tatort: Heimatfront“ in langen Einzelgesprächen intensiv mit traumatisierten Soldaten auseinandersetzten, werden Stedefreunds Erlebnisse in „Er wird töten“ fast im Vorbeigehen abgehandelt: Ein paar verstohlen eingeschmissene Pillen und eine kurze Rückblende auf einen blutigen Vorfall am Hindukusch sind schon alles, was das Publikum über den Auslandseinsatz des reaktivierten Bremer Kommissars erfährt. Das ist doppelt ärgerlich: Zum einen wird diese oberflächliche Abhandlung der Problematik nicht gerecht, zum anderen überfrachtet der halbherzig ausgearbeitete Nebenstrang das schwache Drehbuch aus der Feder von Christian Jeltsch („Kreutzer kommt…“) zusätzlich. „Tatort“-erprobte Zuschauer werden zudem schon nach einer Viertelstunde auf den Täter kommen - da können sich die Macher noch so viel Mühe geben Schemers Ex-Mann Vegner als potentiellen Mörder anzupreisen.

    Auch schauspielerisch ist der 876. „Tatort“ nicht frei von Schwächen: Peter Schneider („Die Summe meiner einzelnen Teile“), der in „Er wird töten“ eine Doppelrolle stemmen muss, bleibt vor allem als emotional aufgeladener Vegner-Bruder Robert hinter seinen Möglichkeiten zurück. Annika Kuhl („Hai-Alarm am Müggelsee“) kann mit ihrer emotionalen Performance als labiles Terroropfer zwar überzeugen, strengt aber mit paralysiertem Gestammel und wildem Gefuchtel auch ziemlich an. Einziger inszenatorischer Lichtblick ist der spannende Auftaktmord im Polizeipräsidium, bei dem der oscarnominierte Regisseur Baxmeyer („Die rote Jacke“) den tödlich getroffenen Uljanoff in einer tollen Zeitlupensequenz vor den Pissoirs der Herrentoilette verzweifelt mit dem Tod ringen lässt. Während die Wirkung dieser Szene durch die Verlangsamung sinnvoll verstärkt wird, verbraucht sich dieses in der Folge allerdings schnell, so häufig wird es eingesetzt: Wenn Kriminalassistent Karlsen (Winfried Hammelmann) dann seiner Chefin auf dem Präsidiumsflur bedeutungsschwanger ein  Indiz in die Hand drückt und wortlos im Büro verschwindet, wirkt der erneute Zeitlupeneinsatz unfreiwillig komisch.

    Fazit: Mit Antoine Monot jr. verschwindet auch wieder die Qualität aus dem Bremer „Tatort“. Der spannend inszenierte Tod des sympathischen Aushilfskommissars Uljanoff ist die einzige Stärke eines ansonsten jederzeit vorhersehbaren und nicht gelungenen Sonntagabendkrimis.

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