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    Tatort: Blackout
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Blackout
    Von Lars-Christian Daniels

    Herzlichen Glückwunsch, Lena Odenthal! Die seit 1989 von Schauspielerin Ulrike Folkerts verkörperte Hauptkommissarin feiert im „Tatort: Blackout“ ihr 25-jähriges Dienstjubiläum. Odenthal ist damit die dienstälteste „Tatort“-Ermittlerin aller Zeiten und bringt es mittlerweile auf stolze 60 Einsätze – auf mehr kommen nur ihre Münchner Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die bereits 68 Mal auf Mördersuche gingen. Seit Odenthals Debüt in den späten 80er Jahren hat sich viel getan: Weibliche Chef-Ermittlerinnen – man denke an Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler), Klara Blum (Eva Mattes) oder Inga Lürsen (Sabine Postel) – sind längst keine Seltenheit mehr, und die Ermittlerteams im „Tatort“ werden immer jünger. Der SWR unterzieht nun auch den Krimi aus Ludwigshafen einer Frischzellenkur: Odenthal und ihr langjähriger Partner Mario Kopper bekommen Fallanalytikerin Johanna Stern zur Seite gestellt, die das eingespielte Duo ab sofort dauerhaft unterstützen soll. Patrick Winczewskis „Tatort: Blackout“ fällt allerdings kaum überzeugender aus als die letzten Folgen aus der Rheinstadt, was vor allem an der fehlenden Spannung und dem einfallsarmen Drehbuch liegt.

    Der Architekt Justus Wagner wird in einer leerstehenden Musterwohnung tot aufgefunden: In seinem Körper finden sich Spuren von K.o.-Tropfen, in seinem Hintern steckt eine Champagnerflasche. Ein Sexualdelikt? Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) hat da so ihre Zweifel. Die Hauptkommissarin muss bei den Ermittlungen auf ihren Kollegen und Mitbewohner Mario Kopper (Andreas Hoppe) verzichten – der ist nämlich zur Hochzeit seiner italienischen Cousine eingeladen und verabschiedet sich für ein paar Tage aus der Stadt. Stattdessen erhält Odenthal Unterstützung von Fallanalytikerin Johanna Stern (Lisa Bitter), deren theoretische Vorgehensweise sich gänzlich von ihrem intuitiven und praktischen Ermittlungsstil unterscheidet. Odenthal und Stern finden heraus, dass nicht nur Wagner, sondern auch zahlreiche Frauen mit K.o.-Tropfen betäubt und missbraucht wurden. Wollte sich eines der Opfer rächen? Als die Polizei die umherirrende Betty Adam (Sinja Dieks) aufgreift, kommt Bewegung in den Fall. Auch Wagners mehrfach betrogene Ehefrau Ella (Marion Mitterhammer) und sein Bruder und Geschäftspartner Tobias (Stefan Murr) geraten ins Visier der Ermittler...

    Schon wieder ein neues Gesicht im „Tatort“, und schon wieder ist es ein relativ junges: So mancher alteingesessener Fan der Reihe mag langsam genug von der Generalüberholung seiner Lieblingsserie haben. Wer sich über den Jugendtrend im „Tatort“ aus Erfurt, Dortmund oder nun auch Ludwigshafen beklagt, sollte aber eines bedenken: Auch Ulrike Folkerts war bei ihrem Debüt erst 28 Jahre alt und brachte 1989 gehörig frischen Wind in die angestaubte Krimireihe. Bei Fallanalytikerin Johanna Stern liegt der Fall indes etwas anders: Wer den von großen Teilen des Fernsehpublikums hochgelobten Kölner „Tatort: Ohnmacht“ im Mai 2014 gesehen hat, dürfte ein Déjà-vu erleben. War es in der Domstadt noch die für lediglich eine Folge installierte Nerd-Assistentin Miriam Häslich (Lucie Heinze), die den „alten Hasen“ Freddy Schenk (Dietmar Bär) mit papierloser Dokumentenverwaltung beeindruckte, ist es diesmal Stern, die den toten Architekten schon bei ihrem ersten Auftritt mit ihrem Tablet filmt und dabei – so offenbar die Intention der Filmemacher – unheimlich fortschrittlich aussehen soll. Man mag sich kaum vorstellen, wie ungelenk diese Szene erst in zehn Jahren wirken muss, wenn der „Tatort“ in einem Dritten Programm wiederholt wird und die Technik längst drei Schritte weiter ist.

    Dass die neunmalkluge Stern beim LKA als Fallanalytikerin auf der Gehaltsliste steht, ist ohnehin nur bedingt spürbar: Außer vielsagendem Stirnrunzeln beim Ansehen selbstgedrehter Tablet-Videos oder bei der Beobachtung der Verhöre im verspiegelten Nebenzimmer hat „die Neue“ vor allem peinliche Digitalplädoyers im Köcher („Boah, echtes Papier! Ist ja voll Old School!“). Ihre analytischen Fähigkeiten bleiben weitgehend im Dunkeln, denn Stern übernimmt vor allem Aufgaben, die auch Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) oder Peter Becker (Peter Espeloer) – der Leiter der Spurensicherung gibt wie gewohnt seinen kurpfälzischen Dialekt zum Besten („Natürlich habbich auch noch sein‘ Däbblet-PC gecheckt!“) - hätten  erledigen können. Die neue Figur scheint in erster Linie dazu zu dienen, die schlaf- und rastlose Bauchgefühl-Ermittlerin Odenthal mit ihren Methoden aus der Reserve zu locken. Das ist angesichts der zuletzt immer altbackener wirkenden „Tatort“-Folgen aus Ludwigshafen ein sinnvoller Ansatz, doch Regisseur Patrick Winczewski („Tatort: Winternebel“) und das eingespielte Drehbuchduo Eva und Volker A. Zahn („SOKO Leipzig“) tragen in vielen entsprechenden Szenen viel zu dick auf.

    Wirklich spannend ist ihr Krimi zudem selten, die Ermittlungen bis zur wenig überraschenden Auflösung der Täterfrage gestalten sich zäh: Dass man auch mit knappem TV-Budget auf Leinwandniveau unterhalten kann, haben zuletzt Florian Schwarz und Michael Proehl mit ihrem herausragenden „Tatort: Im Schmerz geboren“ bewiesen – im „Tatort: Blackout“ hingegen reiht sich eine lahme Präsidiumsszene an die andere. Die Ermittler beten abgegriffene Standarddialoge herunter, staunen über Sterns „fortschrittliche“ Methoden und trinken literweise Kaffee aus leeren Tassen, weil sich die Requisite mal wieder das Befüllen gespart hat. „Ich kann das nicht, hin- und herswitchen zwischen Arbeitstier und Privatmensch“, schüttet Lena Odenthal der 23 Jahre jüngeren Fallanalytikerin ihr Herz aus, damit diese messerscharf analysiert: „Verstehe schon, Sie sind ein Gesamtkunstwerk.“ Das Gesamtkunstwerk Odenthal bröckelt schon seit Jahren bedenklich – und die Rechnung des SWR, den Krimi mit einer zusätzlichen Ermittlerin aufzupeppen, geht zumindest im ersten Anlauf noch nicht auf. So macht einzig das ebenso mutige wie ungewöhnliche Ende des Films Hoffnung, dass es mit dem „Tatort“ aus Ludwigshafen bei besseren Drehbüchern doch noch einmal aufwärts gehen könnte.

    Fazit: Patrick Winczewskis „Tatort: Blackout“ ist ein selten spannender und wenig origineller Krimi, dessen einziger wesentlicher Reiz in der Weiterentwicklung der Figur Lena Odenthal besteht.

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