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    Genug gesagt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Genug gesagt
    Von Lars-Christian Daniels

    Sollte man etwas darauf geben, was die anderen sagen? Oder die Meinungen anderer bei der Bewertung eines Menschen einfach ignorieren? Natürlich soll man sich sein eigenes Bild machen, heißt es immer, doch wenn wir ehrlich sind: So einfach ist das gar nicht. Die Meinungen anderer sind uns nämlich nicht egal – vor allem dann nicht, wenn es um die vielleicht wichtigste Entscheidung im Leben geht. Und was kann es schaden, sich die Einschätzung seiner besten Freundin anzuhören? Die Antwort auf diese Frage gibt Nicole Holofcener („Please Give“) in ihrem treffend betitelten Film „Genug gesagt“, in der sich die Protagonistin ausgerechnet in den Ex-Mann ihrer neuen besten Freundin verliebt. Eine Geschichte, wie sie im Kino schon häufiger erzählt wurde – dass Holofceners romantische Komödie trotzdem äußerst unterhaltsam ausfällt, liegt an vielen originellen Ideen und zwei super-sympathischen Hauptfiguren, die man einfach ins Herz schließen muss. Dabei halten sich die Zugeständnisse an die klassische Rom-Com-Dramaturgie erfreulicherweise in Grenzen.

    Die alleinerziehende Eva (Julia Louis-Dreyfus) ist bald noch häufiger allein: Ihre Tochter Ellen (Tracey Fairaway) verlässt die Stadt, weil sie aufs College gehen möchte. Für die Mutter, die sich als selbständige Masseurin ihre Brötchen verdient, ist dies keine leichte Phase: Von ihrem inzwischen glücklich neu liierten Ex-Mann Peter (Toby Huss) hat sie sich vor Jahren getrennt, und mit einer neuen Beziehung hat es noch nicht so recht klappen wollen. Beim geschiedenen Albert (James Gandolfini), der in einem Fernsehmuseum arbeitet und problemlos Sendetermine aus den 70er Jahren rezitieren kann, ist das ähnlich: Seine versnobbte Tochter Tess (Eve Hewson) steht ebenfalls vor einem Wechsel aufs College und seine geschiedene Ehe war ein einziges Desaster. Eva und Albert lernen sich bei einer Gartenparty kennen – und obwohl Eva den beleibten Charmeur körperlich nicht gerade anziehend findet, werden die beiden schnell ein Liebespaar. Über die Horrorgeschichten ihrer neuen Kundin Marianne (Catherine Keener), die sie auf der gleichen Gartenparty kennengelernt hat und die permanent über ihren Ex-Mann herzieht, kann die frisch verliebte Eva nur schmunzeln. Sie ahnt nicht, dass es sich bei dem vermeintlichen Horror-Gatten um Albert handelt…

    Eine „wunderbar leichte Geschichte“ erzähle „Genug gesagt“ – so der Moderator vor der Deutschlandpremiere des Films bei den diesjährigen Hofer Filmtagen. Er hat recht: Die leicht abgewandelte Dreiecksgeschichte, bei der die Frauen nicht um den gleichen Mann konkurrieren, sondern sich seinetwegen überwerfen, unterwirft sich dramaturgisch den ungeschriebenen Gesetzen der romantischen Komödie: Beschnuppern im ersten, Verlieben im zweiten, Verkrachen im dritten und schließlich Versöhnen im letzten Filmviertel. Dass „Genug gesagt“ trotz dieser abgegriffenen Formel so viel Spaß macht, liegt in erster Linie an den beiden extrem sympathischen Hauptfiguren, die man als Zuschauer am liebsten direkt selbst kennenlernen würde: Beide sind nach ihrer gescheiterten Ehe vorsichtig in Bezug auf das andere Geschlecht geworden, wollen in der Beschnupperphase so wenig wie möglich falsch machen und tun es daher natürlich erst recht: Eva macht Albert, der unverhohlen den schlechten Sex mit seiner Ex-Frau eingesteht, unbeholfen Komplimente für seine Paddel-Hände, während Albert Eva schon beim zweiten Date im Pyjama empfängt und ihr Sekt aus Sprudelgläsern anbietet – das sei schließlich viel gemütlicher so.

    Neben den beiden glänzend aufgelegten Hauptdarstellern Julia Louis-Dreyfus („Veep“, „Seinfeld“) und dem im Juni 2013 unerwartet verstorbenen James Gandolfini („Die Sopranos“, „Killing Them Softly“) überzeugt „Genug gesagt“ aber auch mit köstlicher Situationskomik und treffendem Dialogwitz: Statt kitschigen Kennenlernfloskeln und verkrampfter Witzigkeit unterhalten sich Eva und Albert lieber über aufgeplatzte Blasen am Fuß und zählen die Amalgamfüllungen im Gebiss des anderen – schließlich will man ja wissen, was man da eigentlich die ganze Zeit knutscht. Albert  macht sich zudem einen Spaß daraus, seine neue Flamme ein ums andere Mal mit unverhofften Geständnissen und peinlichen Nachfragen auf den Arm zu nehmen – ein köstlicher Running Gag, auf den auch der Zuschauer jedes Mal aufs Neue reinfällt, weil Regisseurin und Drehbuchautorin Nicole Holofcener ihn nicht überstrapaziert. Evas Erkenntnis, über wen ihre neue beste Freundin da eigentlich ständig lästert, wird zudem durchaus überraschend in die Handlung eingeflochten.

    Ist die Bombe erst einmal geplatzt, schleicht sich allerdings ein wenig Leerlauf in die Geschichte ein – auch, weil nicht jeder Nebenkriegsschauplatz so unterhaltsam ausfällt wie die Dauerfehde von Evas aufbrausender Freundin Sarah (Toni Collette, „Hitchcock“) und ihrem besonnenen Ehemann Will (Ben Falcone, „Voll abgezockt“), deren mexikanische Putzfrau permanent den Haushalt durcheinanderbringt und dabei vor allem die Küchenschubladen ins Visier genommen hat. Vor allem die Szenen mit Ellens bester Freundin Chloe (Leinwand-Debütantin Tavi Gevinson), die sich bei Eva einquartiert, um ihrer eigenen nervtötenden Mutter zu entfliehen, nehmen immer wieder Tempo aus dem Geschehen: So sinniert der Teenager minutenlang über erste Erfahrungen mit Jungs und lackiert Eva dabei die Fußnägel, während der Zuschauer ungeduldig auf die Antwort wartet, wie es denn nun mit Eva und Albert weitergeht. Anders als in vielen Hollywood-Produktionen nach Schema F entscheidet sich Holofcener aber für einen ungewöhnlich konsequenten Schlussakkord, bei dem sie keine falschen Kompromisse macht und das Publikum dennoch mit einem gutem Gefühl aus dem Kinosaal entlässt: Nicht alle Probleme lassen sich schließlich mit ein wenig Zeit zum Nachdenken und ein paar entschuldigenden Worten aus der Welt schaffen.

    Fazit: Eva und Albert muss man einfach mögen! Trotz der konventionellen Dramaturgie liefert Nicole Holofcener mit „Genug gesagt“ eine charmante und originelle Komödie mit hohem Sympathiefaktor.

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