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    The Light Between Oceans
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Light Between Oceans
    Von Carsten Baumgardt

    Mit seinen beiden Durchbruchsfilmen („Blue Valentine“ und „The Place Beyond The Pines“) hat sich Independent-Regisseur Derek Cianfrance einen Ruf als Spezialist für die ganz großen, aber dabei immer ehrlichen und beinharten Emotionen jenseits jeglichen Kitsches erarbeitet. Deshalb ist es besonders spannend, ja fast schon ein kühnes Experiment, den US-Amerikaner als Regisseur und Drehbuchautor mit der Verfilmung von M.L. Stedmans melodramatischem Bestseller „Das Licht zwischen den Meeren“ zu betrauen. Denn aus der konventionellen Vorlage hätte man locker auch einen plakativen Tränenzieher der Marke Nicholas Sparks („Das Leuchten der Stille“) oder Rosamunde Pilcher schustern können. Und genau daran hat Cianfrance auch schwer zu knabbern: Nach einer behäbigen ersten Hälfte kommt „The Light Between The Oceans“ tatsächlich erst spät in die Gänge, liefert dann aber das, was man sich von Cianfrance verspricht: ein rau-herbes Melodram mit tonnenschweren Gefühlen, die dem Publikum einen Kloß ganz tief in den Hals drücken – flankiert von Adam Arkapaws atemberaubend-schöner Kameraarbeit.

    Westaustralien, 1918: Der von den Schrecken des Krieges gebeutelte Veteran Tom Sherbourne (Michael Fassbender) sehnt sich nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Deshalb heuert er auf der weit abgelegenen Insel Janus als Leuchtturmwärter an – als einziger Bewohner des Eilands. Bei seinen Besuchen auf dem Festland verliebt sich Tom in die junge, lebensfrohe Isabel (Alicia Vikander) – wenig später heiraten die beiden. Um das Glück perfekt zu machen, will das frisch getraute Ehepaar ein Kind zeugen, doch Isabel erleidet auf der Insel eine Fehlgeburt. Als sie zwei Jahre später erneut einen Fötus verliert, ist die Verzweiflung so groß, dass sie ihren Mann dazu nötigt, die Gunst der Stunde zu nutzen: Direkt an ihrem Inselstrand wird ein herrenloses Boot mit einem wenige Wochen alten Säugling angespült, der vermeintliche Vater (Leon Ford) liegt leblos daneben. Tom und Isabel behalten das Kind und geben es als ihres aus. Erst einige Jahre später müssen sie feststellen, dass die leibliche Mutter Hannah Roennfeld (Rachel Weisz) noch am Leben ist…

    Der Plot von „The Light Between Oceans“ erinnert an eine Versuchsanordnung: Was wäre wenn?! Aber bis Derek Cianfrance bei dieser Frage landet, vergeht erst einmal fast die Hälfte der satten 130 Minuten Spielzeit. Bis dahin ist das Tempo mehr als gemäßigt, die schleppende Handlung wirkt bisweilen schematisch und verkürzt auf die alles entscheidende Gretchenfrage nach der moralischen Rechtmäßigkeit der Elternschaft. Cianfrance baut so Stück für Stück kleinteilig den Unterbau für seine Zwickmühle auf, in die er seine Figuren ohne Gnade hineinmanövriert. Auch wenn die bloße Handlung problemlos zu einem Rosamund-Pilcher-Film gepasst hätte, unterscheidet sich Cianfrances Ansatz trotz gelegentlicher Parallelen doch elementar von den beliebten TV-Kitschgranaten.

    Etwa ist die Figurenzeichnung, besonders bei Michael Fassbenders Tom Sherbourne, sehr fein und bewegt sich nur in Nuancen voran. So ergibt sich schließlich ein felsenfest-ausgearbeitetes Bild seines Charakters, das dem konstruierten Grundkonflikt des Films etwas entgegenzusetzen hat: Tom ist ein bescheidener, kerzengerader, aufrechter Mann, gezeichnet und geprügelt von den Grauen des Krieges. Erst die Unbekümmertheit und pure Lebensfreude seiner um einiges jüngeren Frau Isabel macht ihn überhaupt wieder fähig, etwas zu empfinden. Allerdings zerrt die aufopferungsvolle Selbstgefälligkeit des leidensfähigen Toms bisweilen an den Nerven. Aber die Beharrlichkeit des Regisseurs zahlt sich aus, denn ohne diese Vorbereitung könnte „The Light Between Oceans“ nie eine solche emotionale Wucht entwickeln, wie sie dem Zuschauer schließlich das Herz zu zerreißen droht, weil keine der drei Hauptfiguren ungeschoren aus dem Dilemma herauskommen kann - jeder ist ein emotionales Opfer, egal wie man die Situation dreht oder wendet.

    Cianfrance macht es sich nicht so leicht, einfach Alicia Vikander („Ex Machina“) als Isabel den schwarzen Peter zuzuschieben, weil sie die treibende Kraft hinter dem Betrug ist. Zwar ist sie grober gezeichnet als Gatte Tom, aber die tiefe, urmenschliche Sehnsucht nach einem Kind transportiert die schwedische Oscarpreisträgerin (für „The Danish Girl“) absolut überzeugend. Die Chemie mit ihrem deutsch-irischen Leinwandpartner Michael Fassbender („Shame“) ist jederzeit spürbar. Kein Wunder, immerhin zwang Regisseur Cianfrance die beiden, zur Vorbereitung auf den Film sechs Wochen zusammenzuleben – und zwei Monate nach dem Drehbeginn im September 2014 gaben Fassbender und Vikander offiziell bekannt, ein Paar zu sein! Diese Vertrautheit kommt dem Film zugute und hält ihn zusammen. Neben den starken Schauspielern begeistert auch Kameramann Adam Arkapaw („Macbeth“) mit seiner herausstechenden Arbeit: Visuell bewegt sich „The Light Between Oceans“ mit seinem grandiosen Setting und den spektakulären Naturkulissen als wunderschönes, raues Bewegungsgemälde nahe der Perfektion.

    Fazit: Indie-Liebling Derek Cianfrance liefert mit dem herb-emotionalen Melodram „The Light Between Oceans“ einen nicht mangelfreien, aber letztendlich unglaublich bildgewaltigen, tief berührenden Film über den Schmerz des Verlustes.

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