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    Verbotene Filme
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Verbotene Filme
    Von Sascha Westphal

    Wenn einmal Filme wie „Jud Süß“ oder „Kolberg“, „Der ewige Jude“ oder „Ich klage an“ öffentlich in einem Kino gezeigt werden, bilden sich meist lange Schlangen an den Kassen. Diese Vorführungen haben fast schon so etwas wie Ereignischarakter. Das liegt in der Natur der Sache. Nach dem Krieg haben die Alliierten 300 der 1.200 Filme, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland gedreht wurden, verboten. Mittlerweile ist der größte Teil von ihnen wieder frei zugänglich, wenn auch in nachträglich bearbeiteten, also um bestimmte Bilder und Einstellungen bereinigten Versionen. Aber gut 40 Produktionen jener Zeit stehen weiterhin auf der Liste der sogenannten „Vorbehaltsfilme“ und dürfen nur unter Einhaltung von Auflagen gezeigt werden. So gehören zu diesen Vorführungen in der Regel ein einleitender Vortrag und eine anschließende Diskussion. Dieses Ritual macht diese Veranstaltungen zwangsläufig zu einem Ereignis. Aber selbst ohne ein begleitendes Rahmenprogramm blieben die entsprechenden Vorführungen etwas Besonderes, alleine schon aufgrund der Tatsache, dass die Filme in der Regel nicht zugänglich sind. Was das heute bedeutet und welche Wirkungen die „Vorbehaltsfilme“ noch haben, sind zwei der zentralen Fragen, mit denen sich Felix Moeller in seiner Dokumentation „Verbotene Filme“ befasst.

    In zehn Kapiteln nähert sich Felix Moeller den verbotenen und einmal auch den nicht mehr verbotenen Propaganda-Filmen. Dabei wechseln die Perspektiven: Mal geht es um die Aufbewahrung der Filmrollen; mal um die Art wie Genrefilme nicht nur unterschwellig genutzt wurden, um politische Botschaften zu transportieren; mal um die Darstellung und zugleich Indoktrination; mal um den von Hass erfüllten und zu Hass aufrufenden Antisemitismus von Veit Harlans „Jud Süß“; mal um die Reaktionen, die diese Produktionen im Ausland, in Frankreich und Israel, auslösen. Und mal um die Stars der 30er und 40er Jahre, die durch ihre Auftritte in ihnen ins Zwielicht geraten sind. Meist konzentriert sich Moeller dabei auf einen Film und breitet unterschiedlichste Sichtweisen aus. So kommen Künstler und Wissenschaftler, Aussteiger aus der rechten Szene und französische Jugendliche zu Wort.

    Die Dokumentation „Verbotene Filme“ macht noch einmal klar, was ohnehin offensichtlich ist: Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, was nun beinahe 70 Jahre später mit den verbotenen Filmen geschehen soll, wie unsere Gesellschaft am besten mit ihnen umgehen sollte. Also stellt Moeller immer wieder höchst differente Positionen gegenüber. Wieder und wieder prallt die These, dass die Zeit für Verbote vorbei sei, auf ihre Antithese. Und über weite Strecken des Films sieht es auch so aus, als sei genau dies Moellers Botschaft. Für jedes Argument, das für die Freigabe der Filme ins Feld geführt wird, gibt es ein entsprechendes Gegenargument.

    Am eindrücklichsten und zugleich am bedenklichsten sind dabei zwei kurze Szenen, in denen Besucher einer großen Retrospektive im Münchner Filmmuseum ihre Ansichten zu Filmen wie „Heimkehr“ (1941), eine üble Diffamierung Polens, die auch als nachträgliche Rechtfertigung des deutschen Angriffs gedacht ist, und „Ich klage an“, einem tendenziösen Melodrama über Sterbehilfe und Euthanasie ausbreiten. Beide haben sich, so scheint es von den ideologischen Verzerrungen der Filme, infizieren lassen. Allerdings deutet einiges daraufhin, dass die ‚Argumente’ der Filmemacher bei diesen beiden Zuschauern auf äußerst fruchtbaren Boden gefallen sind. Insofern liefern selbst diese überaus unangenehmen Äußerungen kein eindeutiges Argument gegen die Filme. Allerdings ist davon auszugehen, dass es eben die Filme waren, die diese Zuschauer veranlasst hat, ihre rechten Ideen so offen zu äußern. Ihre Bilder werden zur Legitimation für Ansichten, die sonst eher unter der Hand zur Sprache kommen.

    Moellers Blick über die deutschen Grenzen hinweg wirkt in dieser Hinsicht durchaus als Korrektiv. Die Reaktionen der französischen Schüler und die Überzeugungen des israelischen Historikers Moshe Zimmermann, der darauf hinweist, dass in Israel kaum jemand versteht, warum die Deutschen derart defensiv mit den „Vorbehaltsfilmen“ umgehen, eröffnen tatsächlich noch einmal eine andere Perspektive. Auf der einen Seite zeugen sie davon, dass die Unsicherheit und das ständige sich Hinterfragen in dieser Angelegenheit nicht allein auf Deutschland beschränkt sind. Auf der anderen Seite haben gerade Moshe Zimmermanns Äußerungen etwas Befreiendes. Sie sind es auch, die etwa Oskar Roehlers und Götz Alys Position stärken, die sich beide allerdings aus unterschiedlichen Beweggründen für eine Freigabe der Filme aussprechen.

    Fazit: Felix Moellers Dokumentation über die äußerst widersprüchlichen Reaktionen, die Vorführungen verbotener NS-Filme immer noch hervorrufen, fasst die Diskussionen über dieses heikle Kapitel deutscher Filmgeschichte geschickt zusammen. Nur die Ausschnitte aus den Filmen wirken teils beliebig, teils zu eindeutig. Aber das ist letztlich ein Problem aller Dokumentationen, die sich mit der Filmgeschichte beschäftigen. Ein Ausschnitt kann eben nie einen ganzen Film einfangen.

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