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    Burden Of Dreams - Die Last der Träume
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Burden Of Dreams - Die Last der Träume
    Von Carsten Baumgardt

    „Without dreams we would be cows in a field, and I don't want to live like that. I live my life or I end my life with this project.”

    Wer sich intensiver mit den Werken Werner Herzogs beschäftigt hat, weiß nur zu gut, dass die Autorenfilmerlegende jede einzelne Silbe dieser Aussage todernst meint. Weder seine Crew und schon gar nicht sich selbst hat der Exil-Münchner je geschont. So begab er sich beispielsweise für seine Dokumentation La Soufriere in ein evakuiertes Vulkangebiet, um die letzten Tage und Stunden der Karibikinsel Guadeloupe auf Film zu bannen. Er drehte in unwirtlichen Wüsten (Fata Morgana) und immer wieder im Dschungel (Aguirre - Der Zorn Gottes, Rescue Dawn), stets nah am Abgrund, aber mit einer unbändigen, berserkerhaften Energie. Diese Essenz destilliert Regisseur Les Blank in seiner legendären Dokumentation „Burden Of Dreams“ (dt.: „Die Last der Träume“) heraus. Eigentlich als kleine Doku über die Dreharbeiten zu Herzogs Urwald-Epos Fitzcarraldo gedacht, ist der Film vielmehr ein extrem scharf gezeichnetes Porträt des Regisseurs.

    „Kinski always says it's full of erotic elements. I don't see it so much erotic. I see it more full of obscenity. It's just - nature here is vile and base. I wouldn't see anything erotical here. I would see fornication and asphyxiation and choking and fighting for survival and... growing and... just rotting away.” (Werner Herzogs Monolog über den Dschungel 1)

    Es spielte Les Blank („God Respects Us When We Work, But Loves Us When We Dance“, „The Blues Accordin’ To Lightnin’ Hopkins”, „In Heaven There’s No Bear”), der bereits 1980 mit dem 20-Minüter Werner Herzog Eats His Shoe seine erste Doku über den befreundeten Filmemacher drehte, nachdem er an der Einlösung der skurrilen, titelgebenden Wettschuld festgehalten hatte, unzweifelhaft in die Karten, dass die Produktionsgeschichte von „Fitzcarraldo” zu einer der größten Katastrophen der Filmgeschichte ausartete (ähnlich der von Coppolas Apocalypse Now). Insgesamt verbrachte Herzog fast fünf Jahre mit dem Projekt, ehe der Film über den besessenen Träumer Brian Sweeney Fitzgerald (in Wirklichkeit Herzog selbst), der im peruanischen Regenwald ein Opernhaus errichten will, 1982 die Lichtspielhäuser erreichte. Nachdem bereits 40 Prozent des Materials abgedreht waren, erkrankte Hauptdarsteller Jason Robards so schwer, dass ihm seine Ärzte verboten, an den Dreh im Dschungel Perus und Brasiliens zurückzukehren. Sein Co-Star Mick Jagger musste aus Termingründen passen, dessen Part wurde komplett gestrichen und Robards durch Klaus Kinski (Aguirre - Der Zorn Gottes, Nosferatu - Das Phantom der Nacht, Woyzeck) ersetzt. Bei „Fitzcarraldo“ arbeitete das berühmt-berüchtigte Duo infernale zum vierten (von insgesamt fünf) Mal(en) zusammen. Doch Stammesfehden, die einem Bürgerkrieg glichen, Krankheiten und Unfälle machten der Produktion weiter schwer zu schaffen.

    „Of course, there's a lot of misery. But it is the same misery that is all around us. The trees here are in misery, and the birds are in misery. I don't think they sing. They just screech in pain. It's an unfinished country. It's still prehistorical. The only thing that is lacking is the dinosaurs here. It's like a curse weighing on an entire landscape. And whoever... goes too deep into this has his share of this curse. So we are cursed with what we are doing here.”

    (Werner Herzogs Monolog über den Dschungel 2)

    Les Blank und seine Partnerin Maureen Gosling, die für den Schnitt und den Ton zuständig ist, sind jedoch nicht an der Vordergründigkeit interessiert. Kinskis gefürchtete Wutausbrüche und Hasstiraden gibt es in „Burden Of Dreams“ nicht zu sehen (lediglich im Bonusmaterial der US-DVD sowie in Herzogs eigener Doku Mein liebster Feind). Vielmehr begleitet Blank Herzogs Wirken aus sicherer Distanz, aber doch immer hautnah dran. Der Film offenbart Herzogs Seele, legt diese schonungslos bloß. Obwohl beide Filmemacher befreundet sind, spart Blank nicht mit unangenehmen, kritischen Fragen nach Moral, Risikobereitschaft und Tod. In den beiden Drehphasen 1979 und 1981, die Blank filmte, hagelte es in Deutschland wütende Kritik, dass Herzog die Einheimischen ausbeuten würde. Fakt ist, dass es große Risiken gab und er seine Crew weit trieb, aber im Nachhinein nicht zu weit. Dabei erwies Blank seinem Freund unbewusst einen Bärendienst, indem er Herzog im Film beklagen lässt, dass er schwere Gewissensbisse habe, weil Menschen ihr Leben lassen mussten. Erst Jahrzehnte später wird die Sache endgültig gerade gerückt. Bei einem Flugzeugabsturz gab es Verletzte, ein Arbeiter erlitt Lähmungen und als ein eingeborener Statist ein Kanu stehlen wollte, ertrank er bei dem Versuch. Solche bedauerlichen Unglücke sind allgemein bei Großproduktionen keine Seltenheit.

    „It's a land that God, if he exists, has created in anger. It's the only land where creation is unfinished yet. Taking a close look at what's around us there is some sort of a harmony. It is the harmony of... overwhelming and collective murder. And we in comparison to the articulate vileness and baseness and obscenity of all this jungle - uh, we in comparison to that enormous articulation - we only sound and look like badly pronounced and half-finished sentences out of a stupid suburban... novel... a cheap novel.”

    (Werner Herzogs Monolog über den Dschungel 3)

    „Burden Of Dreams“ ist kein „Making of”, das hätte Herzog auch nicht zugelassen, da er diese Ausdrucksform von Film als „lächerlich“ (O-Ton) erachtet. Nur das, was auf der Leinwand zu sehen sei, zähle. Dabei gelingen Blank bahnbrechende Momentaufnahmen. Als Herzogs Versuch, einen großen Flussdampfer über einen Berg zu ziehen, misslingt, steht das Projekt vor dem Aus. Doch bevor er in einem Studio dreht, würde er sich eher aufhängen. So ist dann auch die Stimmung. Dem Wahnsinn nahe, nicht mal selbst noch zu Hundertprozent an den Film glaubend, sinniert der Regisseur über den Dschungel und die Welt, die sich offensichtlich gegen ihn verschworen hat.

    „We have to become humble in front of this overwhelming misery and overwhelming fornication... overwhelming growth and overwhelming lack of order. Even the stars up here in the sky look like a mess. There is no harmony in the universe. We have to get acquainted to this idea that there is no real harmony as we have conceived it. But when I say this, I say this all full of admiration for the jungle. It is not that I hate it, I love it. I love it very much. But I love it against my better judgment.” (Werner Herzogs Monolog über den Dschungel 4)

    Fazit: „Burden Of Dreams“ ist eine außergewöhnliche Dokumentation über einen außergewöhnlichen Regisseur, der einen seiner außergewöhnlichsten Filme dreht und dabei verzweifelt versucht, seine Vision gegen übermenschliche Widerstände durchzusetzen. Als brillanter Chronist zeichnet Blank den Weg der chaotischen Dreharbeiten mitreißend nach und arbeitet die Besessenheit, das Selbstbewusstsein und den berühmten Fatalismus Herzogs unaufgeregt, aber nachdrücklich heraus. Am Ende ging alles gut, „Fitzcarraldo“ wurde ein Meisterwerk und Welterfolg, doch das mehrjährige Martyrium hatte Spuren hinterlassen. Bis in die Gegenwart drehte Herzog bisher nur noch vier Kinospielfilme (Cobra Verde, Schrei aus Stein, Invincible, Rescue Dawn) und verlegte sich stattdessen vornehmlich auf Dokumentationen. Wer sich zu den Fans des mittlerweile in die USA emigrierten Filmemachers zählt, einen tiefen Einblick in den Prozess des Drehens bekommen will oder einfach nur eine verdammt packende Dokumentation schauen möchte, dem sei „Burden Of Dreams“ wärmstens ans Herz gelegt.

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