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    Die Schüler der Madame Anne
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Schüler der Madame Anne
    Von Christian Horn

    Die auf einer wahren Begebenheit beruhende Handlung von „Die Schüler der Madame Anne“ ist so etwas wie eine Steilvorlage für eine dick aufgetragene Kinolektion: Die sozial benachteiligten Schüler einer 10. Klasse (Seconde) im Pariser Vorort Créteil finden den Glauben an sich selbst, als sie auf Geheiß der neuen Klassenlehrerin Frau Gueguen (charismatisch: Ariane Ascaride) an einem landesweiten Schulwettbewerb zum Thema Holocaust teilnehmen. Nach anfänglichen Turbulenzen schweißt das Projekt die Problemklasse zusammen und bereichert die Leben von Malik (Ahmed Dramé) und seinen Mitschülern nachhaltig. Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar („Willkommen in der Bretagne“) verzichtet in ihrem Sozialdrama nicht nur weitgehend auf den bei einem solchen Stoff durchaus naheliegenden pädagogischen Zeigefinger, sondern auch auf übermäßige Gefühlsduselei. Sie setzt auf eine eher nüchterne, fast schon dokumentarisch wirkende Erzählweise und arbeitet mit glaubwürdigen Laiendarstellern in den Rollen der Schüler. Das Ergebnis lässt sich als eine Mischung aus dem idealistischen Pathos von „Der Club der toten Dichter“ und der Sachlichkeit des Cannes-Gewinners „Die Klasse“ beschreiben.

    Gleich in der ersten Szene entbrennt ein Streit über das Kopftuchverbot am Léon-Blum-Gymnasium. Das Thema Religion spielt auch in der Folge eine Hauptrolle, wenn die muslimischen, christlichen und jüdischen Prägungen der Schüler aufeinander prallen. So gibt das Wettbewerbsthema „Kinder und Jugendliche in den Konzentrationslagern der Nazis“ Anlass zu Querelen, als der frisch zum Islam konvertierte Olivier (Mohamed Seddiki) seine antisemitische Ader entdeckt. Die Sichtung von „Schindlers Liste“ und ein ergreifender Zeitzeugenbesuch helfen den Teenagern, eine klare Haltung zum Holocaust zu entwickeln und zugleich lernen sie, als Gruppe an einem Strang zu ziehen. Selbst der schweigsame Théo (Adrien Hurdubae) meldet sich nun zu Wort, während die aufsässige Mélanie (Noémie Merlant) ihre Abwehrhaltung überdenkt: In den kleinen Fortschritten und Einsichten liegt hier die Hoffnung und nicht in großen Gesten. Der schwierige Alltag der Jugendlichen, die immer wieder Diskriminierungen ausgesetzt sind, bleibt dabei allerdings sehr stark im Hintergrund und wird nur in kurzen Szenen auf den Punkt gebracht, was der optimistischen Botschaft ein wenig die Überzeugungskraft nimmt.

    Fazit: Angenehm zurückhaltend erzähltes und dennoch hoffnungsvolles Schuldrama.

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