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    Tatort: Frühstück für immer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tatort: Frühstück für immer
    Von Lars-Christian Daniels

    Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Simone Thomalla und Martin Wuttke, die seit 2008 im „Tatort“ gemeinsam auf Mörderjagd gehen, wurden im Januar 2014 vom MDR kurz und schmerzlos darüber informiert, dass man ab 2015 nicht mehr mit ihnen plant. 2014 werden die letzten beiden Folgen mit den Leipziger Hauptkommissaren Eva Saalfeld und Andreas Keppler gedreht – der Sender will frischen Wind in die öffentlich-rechtliche Erfolgsreihe bringen und schrieb das Konzept für einen neuen Krimi aus Sachsen öffentlich aus. Bei den „Tatort“-Fans, die nach dem klischeebeladenen Jahresauftakt „Türkischer Honig“ sogar die Facebook-Seite „Leipzig hat einen besseren Tatort verdient“ gründeten, hielt sich die Enttäuschung in Grenzen: Einen wirklich starken Beitrag zur Krimi-Reihe aus Leipzig gab es seit dem Dienstantritt der beiden noch nicht, was aber auch an den oft miserablen Drehbüchern lag. Wuttkes und Thomallas drittletzter „Tatort: Frühstück für immer“, bei dem Claudia Garde Regie führt, steht exemplarisch für das, was dem Krimi aus Sachsen in den vergangenen Jahren häufig vorgeworfen wurde: fehlende Spannung, ein schwaches Drehbuch und eine durchwachsene Besetzung, die gegenüber den klischeebeladenen Figuren aber ohnehin auf verlorenem Posten steht.

    Die 43-jährige Julia Marschner (Oana Solomonescu) hat ihre besten Jahre hinter sich – zumindest, wenn es nach ihrer Tochter Caro (Helen Woigk) geht. Die 20-jährige kann nur den Kopf darüber schütteln, dass sich ihre attraktive Mutter mit ihren besten Freundinnen, der Physiotherapeutin Karmen Slowinski (Inga Busch) und der Juristin Silvie Stein (Ursina Lardi), mal wieder auf einer Ü40-Party in wilde Flirts stürzt, um die Nacht nicht allein verbringen zu müssen. Am nächsten Morgen ist diesmal aber alles anders: Marschner wird erdrosselt in einem Leipziger Park aufgefunden. Die Hauptkommissare Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) erinnert die Leiche an einen zurückliegenden Fall: Hat der „Würger von Mockau-Ost“, der eigentlich seit Jahren hinter Gittern sitzt, wieder zugeschlagen? Oder ist die Ermordete womöglich beim Liebesspiel ums Leben gekommen? Marschners Freundinnen berichten von einem Mann, der das Opfer auf der Party bedrängt haben soll. Ins Visier der Ermittler geraten auch Flirtlehrer Tom Römer (Marc Hosemann), Schönheitschirurg Peter Hauptmann (Filip Peeters) und Caros Freund Mike (Franz Dinda), dessen Verhältnis zur Ermordeten intensiver war, als es sich Caro hätte träumen lassen...

    Nein, da darf ich nämlich noch nicht rein“, erwidert Eva Saalfeld mit todernster Miene, als sie ihr Kollege Andreas Keppler zu Beginn der Ermittlungen fragt, ob sie denn eigentlich schon einmal auf einer Ü40-Party gewesen sei. Das mag man als Kompliment an Schauspielerin Simone Thomalla (die 2015 immerhin ihren 50. Geburtstag feiert) oder als missglückten Scherz werten, doch passt dieser seltsame Dialog irgendwie zu einem Leipziger „Tatort“, in dem genau das eintritt, was angesichts der Rahmenhandlung um liebeshungrige Powerfrauen im fortgeschrittenen Alter und flüchtige Sex-Bekanntschaften zu befürchten war: Die Dauer-Singles Keppler und Saalfeld, die aus der Generation der Ermordeten stammen und bekanntlich mal das Ehebett teilten, reflektieren sich permanent selbst, diskutieren den eigenen Marktwert und philosophieren fleißig übers Älterwerden, die Vergänglichkeit der Schönheit und die angeblich ausbleibenden Blicke der Männer, wenn Frauen die 40 überschritten haben. Wirklich voran gebracht hat die geschiedene Ehe der Kommissare den Leipziger „Tatort“ nie, und auch die mehrfach krimierprobte Drehbuchautorin Katrin Bühlig gewinnt der gemeinsamen Vergangenheit der Kommissare vor allem schmalzige Komplimente und kitschige Binsenweisheiten ab. Für die Spannung ist das pures Gift.

    Geht es nach Bühlings Drehbuch, sind Single-Frauen jenseits der 40 grundsätzlich unglücklich und für das männliche Geschlecht uninteressant, wenn sie nicht entweder operiert sind, nach alkoholschwangeren Partys bereitwillig die Beine spreizen oder mit Nachnamen Saalfeld heißen. Ob die Frau Kinder und ehrgeizige Karriereziele und daher wenig Zeit für Männer hat, frustriert geschieden oder aber fieberhaft auf der Suche nach dem Richtigen ist, spielt dabei keine Rolle. In Zeiten boomender Online-Partnerbörsen und immer mehr glücklichen Single-Haushalten wirkt dieses Szenario – gerade in einer modernen Großstadt wie Leipzig – doch ziemlich weltfremd. In Bezug auf die Freundinnen der Toten tragen die Filmemacher hingegen viel zu dick auf: Während Physiotherapeutin Karmen, die selbst keine Kinder kriegen kann, jeden Tag glücklichen Eltern beim Babyschwimmen zuschauen muss, verteidigt Rechtsanwältin Silvie Stein ausgerechnet den Mann, dem sie hörig ist und dem die ermordete Freundin auf der letzten Party schöne Augen gemacht hat. Und die naive Caro, die ihrer alleinerziehenden Mutter keine Träne nachweint, lässt sich von ihrem Freund einen Verlobungsring anstecken, obwohl dieser neben der eigenen Mutter auch Eva Saalfeld und allen anderen Frauen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen, schöne Augen macht. Soviel Naivität kauft man der Zwanzigjährigen einfach nicht ab.

    Auch Stereotypen gibt es im 904. „Tatort“ reichlich: der schmierige Schönheitschirurg Hauptmann (charismatisch: Filip Peeters, der bereits zweimal im Stuttgarter „Tatort“ als Bösewicht glänzte), dem die Frauen trotz Sado-Maso-Eskapaden zu Füßen liegen, seine früh in die Wechseljahre gekommene Ehefrau Annika (Victoria Trauttmansdorff), die seine Gelüste nicht mehr befriedigen will, und der arrogante Flirtlehrer Tom, der mit seinem nervtötenden Denglisch („Mich interessiert immer nur das Game, der Approach, ob ich danach noch ‘nen Close-Fuck kriege, ist mir egal!“) zum Fremdschämen einlädt. „Frühstück für immer“ wird mit zunehmender Spielzeit immer mehr zur Geduldsprobe, weil das Drehbuch hölzerne Dialoge und die üblichen Versatzstücke des Sonntagabendkrimis lieblos aneinander reiht und spätestens auf der Zielgeraden hoffnungslos überfrachtet wirkt. Warum zum Beispiel über den „Würger von Mockau-Ost“ halbherzig der Bogen in die Vergangenheit geschlagen wird, bleibt rätselhaft: Viel mehr als seinen unfreiwillig komischen Spitznamen der Medien, der eher nach Provinz als nach berühmt-berüchtigter Bestie klingt, erfährt der Zuschauer über den inhaftierten Frauenmörder nicht. Immerhin: Die Auflösung der Täterfrage fällt vergleichsweise knifflig aus, weil zwei falsche Fährten bis in die Schlussminuten gelegt bleiben. Von einer angemessenen Ausarbeitung dieser Ablenkungsmanöver sind die Filmemacher dennoch weit entfernt.

    Fazit: Für die Leipziger Hauptkommissare Keppler und Saalfeld ist der „Tatort: Frühstück für immer“ der Anfang vom Ende – ein Ende, dem man angesichts des erneut schwachen Drehbuchs und der flachen Spannungskurve durchaus optimistisch entgegenblicken kann.

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