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    Hirngespinster
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Hirngespinster
    Von Ulf Lepelmeier

    Für sein Spielfilmdebüt wagt sich Regisseur Christian Bach an ein komplexes Thema: Schizophrenie. Dabei traut er sich aber letztlich nicht von altbekannten Problemfilmmustern abzuweichen. So sind es vor allem die starken Leistungen des Schauspielerensembles, allen voran von Tobias Moretti („Das finstere Tal“) und Nachwuchsstar Jonas Nay („Homevideo“), durch die die etwas biedere Inszenierung aufgewertet wird. Auch wenn es Bach insgesamt so nicht gelingt, dem Krankheitsbild auf eine filmisch originelle Weise zu begegnen, ist sein Drama dank der Darsteller und der überzeugenden Ansätze durchaus sehenswert.

    Der 22-jährige Simon (Jonas Nay) lebt nach eigenem Bekunden in einem Irrenhaus. Doch da er seine Mutter Elli (Stephanie Japp) und die kleine Schwester nicht mit seinem an Schizophrenie erkrankten Vater alleine lassen will und kann, bleibt er bei seinen Eltern wohnen und stellt die eigenen Wünsche hinten an. Sein Vater Hans (Tobias Moretti), einst ein erfolgreicher Architekt mit eigener Baufirma, hat schon länger keine schizophrenen Schübe mehr gehabt, doch da er nun unter Zeitdruck an der Bewerbung für ein großes Bauprojekt arbeitet, verschlechtert sich seine Psyche durch den Stress. Da er sich seine Krankheit selbst nicht eingestehen will, setzt er auch noch seine Medikamente eigenmächtig ab, um kreativer sein zu können. Als Hans - von Verfolgungswahn getrieben - die Satellitenschüssel der Nachbarn demoliert, beginnen die Schwierigkeiten für die von der Krankheit des Vaters belastete Familie von neuem...

    Nicht die Schizophrenie und den von ihr betroffenen Familienvater stellt Christian Bach in seinem Film „Hirngespinster“ ins Zentrum der Handlung, sondern die Folgen der Diagnose für die Familie des Erkrankten. Insbesondere die Situation Simons steht dabei im Mittelpunkt: Der 22-Jährige muss auf Grund der Lage seines Vaters mit dem Gefühl klarkommen, nur noch als Sohn eines gestörten und gefährlichen Mannes wahrgenommen zu werden. Stetige Abweisungen von verängstigten und mit der Situation überforderten Menschen bringen Simon schließlich dazu, selbst seiner neuen Freundin die Krankheit seines Vaters zu verschweigen.

    Doch der eigentlich schon für sich interessante Fokus auf Simons Situation war Bach offenbar nicht genug und so entwickelt sich „Hirngespinster“ doch zu einem etwas formelhaften Problemfilm. Die unterschiedlichen Sichtweisen und Reaktionen, die Ärzte, die Familie, aber auch Außenstehende auf die psychische Erkrankung haben, werden dabei geradezu abgehakt. Dabei wird die immer stärkere Bedrohung, die von dem uneinsichtigen und verwirrten Familienvater ausgeht, zwar gekonnt herausgearbeitet, doch wagt es Bach nicht, einen Schritt weiterzugehen. Weder auf narrativer, noch auf visueller Ebene werden die Folgen, die die plötzlichen Krankheitsschübe für alle Beteiligten mit sich bringen, auf besondere Weise umgesetzt.

    Im TV-Film „Mobbing“ spielte Tobias Moretti einen Familienvater, der Opfer von Ausgrenzung und psychischen Machtspielchen am Arbeitsplatz wurde. Hier spielt er nun einen an Schizophrenie leidenden Mann, der mit Sarkasmus seine Wahnvorstellungen zu kaschieren versucht und sich immer stärker von seiner Familie entfremdet. In beiden Filmen ist es jeweils die Vaterfigur, die dem Druck der Arbeitswelt nicht mehr standhalten kann und auf Grund von psychischen Problemen die Familie in eine schwierige Situation manövriert. Mit seiner meist erstarrten Miene verkörpert der ehemalige „Kommissar Rex“-Star die schizophrenen Schübe und die Zerrissenheit des einst gefeierten Architekten ungemein überzeugend.

    Noch mehr begeistert allerdings die Darstellung des verantwortungsvollen Sohnes durch Jonas Nay. Die Befürchtung selbst von der Krankheit betroffen zu sein, seinem Vater in Bezug auf den angeschlagenen geistigen Zustand nachzufolgen, macht Simon Angst und lässt ihn in der Gegenwart erstarren, statt seine Zukunft in Angriff zu nehmen. Gehemmt von seinen Befürchtungen von der möglichen zukünftigen Diagnose, angetrieben von dem Gedanken, seine Familie nicht im Stich lassen zu wollen, stellt Simon seit Jahren sein eigenes Leben zurück, und wird gerade für dieses eigentlich selbstlose Verhalten kritisiert. Wie Jonas Nay seine Figur zwischen Scham, Betroffenheit und Wut anlegt, ist die größte Qualität des Dramas.

    Fazit: Mit „Hirngespinster“ legt Regisseur Christian Bach ein solides Spielfilmdebüt vor, das vor allem von den starken Darstellungen eines Schizophreniekranken und seines Sohnes lebt.

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