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    Charlie Mariano - Last Visits
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Charlie Mariano - Last Visits
    Von Thilo Podann

    „Musik ist sein Leben“ lautet eine hohle Phrase, die in der medialen Berichterstattung zu Musikstars inflationär Verwendung findet. Doch selten wurde dieser Satz mit so viel Wahrhaftigkeit und emotionaler Tragweite gefüllt wie im Falle von Charlie Mariano. Der Vollblutmusiker war eine Ikone der deutschen und internationalen Jazzszene und bekannt für seine famosen Fähigkeiten am Saxophon. Im Jahr 2009 verstarb der damals 85-jährige nach einem langen Krebsleiden und hinterließ ein großes Loch im Kölner Musiker-Milieu.  Mit „Charlie Mariano - Last Visits“ von Axel Engstfeld wird der Musiklegende nun posthum ein würdiges Denkmal gesetzt, welches mit besonders sensiblem Fokus auf den Menschen Charlie Mariano beeindruckt.

    Axel Engstfeld begleitete für seinen Dokumentarfilm Charlie Mariano auf Konzerten und in privaten Momenten im Laufe der Jahre 2008/2009. Der Amerikaner mit italienischen Wurzeln lebte zu diesem Zeitpunkt seit gut 20 Jahren in Köln. Dort verdiente er trotz seines hohen Alters weiterhin sein Geld mit Auftritten und Arrangements. Höhepunkt des Films ist der 85. Geburtstag des Protagonisten, an dem er gemeinsam mit vielen musikalischen Wegbegleitern der vergangenen 40 Jahre ein letztes großes Konzert gibt.

    Wenn mit einem Dokumentarfilm einer verstorbenen Legende ein Denkmal gesetzt wird, ist die Kitschgefahr groß. Ganz anders bei „Last Visits“. Regisseur Alex Engstfeld kombiniert die musikalisch hochklassigen Auftritte mit Interviews von Charlie Mariano und vielen seiner Freunde so geschickt, dass bei aller subtilen Melancholie das Ergebnis stets von ehrlicher Bewunderung zeugt. Besonders die Gespräche mit dem charmanten Weltmusiker bleiben einem noch lange im Gedächtnis haften. Den Mann, der mit weit über 80 Jahren noch für seinen Unterhalte spielen musste und seit vielen Jahren an Krebs erkrankt war, umgibt ein unheimlich positive Aura. Besonders in den Momenten in denen er von seinen ersten Berührungen mit der Jazzmusik berichtet, beginnen seine müden Augen plötzlich hell zu leuchten. Dabei wird überdeutlich: Charlie Mariano, der wirkt als habe sich jede je gespielte Note tief in sein Gesicht gepfercht, liebt und lebt Musik mit jedem Atemzug.

    „Entweder macht Charlie Musik, oder nicht. Dazwischen gibt es nicht“, sagt ein Freund des Saxophonisten an einer Stelle mit nostradamischer Vorahnung. Denn nachdem Charlie Mariano sich zu seinem Geburtstagskonzert so verausgabt, dass er anschließend aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auftreten kann, stirbt er nur wenige Monate später im Juni 2009 in Köln. Ohne Musik fehlt dem Weltstar die Kraft zum Leben und nicht andersherum. So wird die ultimative Definition von „Musik ist sein Leben“ ganz unprätentiös und zugleich traurig veranschaulicht.  Besonders die letzten Szenen, nur gut einen Monat vor seinem Tod gedreht, berühren, ohne dass auch  nur im Ansatz mit emotionaler Effekthascherei auf die Tränendrüse gedrückt wird. Es ist einfach dieser charismatische und sympathische Mann der einem in den gut 100 Minuten so ans Herz gewachsen ist, dass die letzten Bilder und die unweigerlich bevorstehende letzte Strophe im Leben des Musikers so nachhaltig wirken. Ungepflegt und mit Dreitagebart denkt Mariano laut darüber nach, sein Saxophon zu verkaufen, damit seine Frau genug Geld hat. Dabei schmunzelt er, doch seine Augen weinen trockene Tränen, mit der Gewissheit des ihm bevorstehenden Endes.

    Fazit: „Charlie Mariano – Last Visits“ ist eine sehenswerte Dokumentation über einen herausragenden Musiker.

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