"Before I Wake" von Mike Flanagan ist insgesamt eine gelungene Mischung aus psychologischem Drama und Horrorfilm. Zwischendurch gibt es einige schwache Momente, etwa, wenn Jess (Kate Bosworth) in der Selbsthilfegruppe von ihren Sorgen erzählt und der unerträglich verständnisvolle Leiter ihre Ängste mit Küchentisch-Oneirologie beiseite wischt und ihr subtil, passiv-aggressiv zu verstehen gibt, dass er denkt, sie habe einen Knall und bilde sich alles nur ein. Sicher war das schwer zu glauben, was sie erzählt hat, und für die Handlung und psychologische Deutung der Geschichte war es wahrscheinlich wichtig, dass er da seine laienhafte Traumdeutung vom Stapel lässt, aber als Zuschauer fand ich es wenig glaubwürdig, dass der Leiter einer Selbsthilfegruppe so schmierig von oben herab trauernde Eltern abwatscht.
Auf der anderen Seite war ich selbst nie in einer vergleichbaren Situation, also vielleicht gibt's tatsächlich solche Leute. Dass es jede Menge selbstverliebter Hobby-Freuds dort draußen gibt, weiß ich spätestens seit meiner Zeit auf der Schauspielschule, nur leiten die dann halt aber keine solche Selbsthilfegruppe, sondern finden sich im Wesentlichen selbst toll und beweihräuchern sich gegenseitig mit anderen eitlen Egozentrikern und freuen sich ihres Lebens.
Aber ich komme hier schon wieder vom Hölzchen aufs Stöckchen ... Ich fand Kate Bosworth dieses Mal verhältnismäßig in Ordnung, normalerweise kann ich sie nicht leiden, weil sie schlecht spielt und die Ausstrahlung eines Schlucks Wasser in der Kurve hat. Aber in dieser Rolle war sie ganz gut, also vielleicht macht sie Fortschritte oder die Figur der Jess lag ihr einfach. Jedenfalls hat sie die Balance zwischen trauernder Mutter und der Hoffnung auf einen Neuanfang mit dem kleinen Cody überzeugend gehalten und genau die richtige Mischung aus Contenance halten und Wandeln am Rande des Nervenzusammenbruchs getroffen. Jacob Tremblay als Cody war übrigens toll, der Kleine hatte mich in "Raum" schon überzeugt, aber der hat echt Talent. Hoffentlich hat er liebe Menschen, die sich gut um ihn kümmern und ihn auf den Boden halten - die hatten viele talentierte Kinderstars ja nicht, etwa Haley Joel Osment oder Macauly Culkin.
Ein wenig erinnert die Story an "The Babadook", geht jedoch noch stärker ins Märchenhafte und hat ein tröstlicheres Ende. Mir hat "Babadook" dennoch besser gefallen, weil er stringenter erzählt und vom Tempo stimmiger war. Außerdem spielt Essie Davis einfach überzeugender als Kate Bosworth - auch, wenn sie dieses Mal erträglich war, zwischendurch drohte dann doch hindurchzuschimmern, dass sie auf einer Talentstufe mit Diane Kruger und Til Schweiger steht.
Fazit: Lohnt sich, aber man sollte keinen Gruselschocker mit einem Jump-Scare nach dem anderen erwarten und sich auf das Märchenhafte und die psychologische Symbolik der Bilder und Motive einlassen wollen. Es gab ein paar wirklich gute Schreckmomente, die mich aus dem Kinosessel aufspringen ließen, doch im Mittelpunkt steht die Verarbeitung von Trauer, also das psychologische Drama.