Mein Konto
    Los Ángeles
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Los Ángeles
    Von Thomas Vorwerk

    Einer der auffälligsten Trends der Berlinale 2014 war der Hang zur Globalisierung - insbesondere auch bei jungen deutschen Produktionen. Ein Drittel der 15 Filme der „Perspektive Deutsches Kino“ führte als Hauptsprache nicht etwa Deutsch an, sondern Kirgisisch, Schwedisch, Russisch, Spanisch oder Englisch. Und im Forum ist es ähnlich, dort gibt es deutsche Co-Produktionen mit Rumänien, Griechenland oder Ägypten. So ist es auch bei „Los Ángeles“, dem in Mexiko spielenden, spannenden Debüt-Langfilm des US-amerikanischen Regisseurs Damian John Harper, dessen Inhalt nach einem harten Gangsterfilm klingt.

    Der 17jährige Mateo (Mateo Bautista Matias) will über die Grenze nach Los Angeles, um von dort seine Mutter und den kleinen Bruder in seinem zapotekischen Heimatdorf im Süden Mexikos zu unterstützen. Dies ist eine illegale, aber verbreitete Methode, auch Mateos Vater verließ einst die Familie - nur blieb dessen finanzieller Support irgendwann aus. In einer dörflichen Straßengang nach amerikanischem Vorbild versucht Mateo Fuß zu fassen, um später in den USA auf ein breit gefächertes Netzwerk von Migranten zurückgreifen zu können. Doch bei einem Mord als Aufnahmeritus zögert er. Durch sich überschlagende Ereignisse soll nun sein kleiner Bruder Donasiano (Donaciano Bautista Matias) statt seiner über die Grenze geschleust werden. Zudem sinnt der verärgerte Bandenchef auf Rache…

    Mord, Raub, Grenzvergehen, Rache und hilflos wirkende Kommunalpolitiker - die Inhaltsangabe wirkt wie die eines Gangsterfilms, der Film beginnt mit harten Prügelgeräuschen und einer dunklen Leinwand, doch in „Los Ángeles“ geht es vorrangig um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kommune, auch wenn der Jungkriminelle Mateo dies erst noch erkennen muss. Regisseur Damian John Harper stammt zwar aus den USA, war aber als studierter Anthropologe und Ethnologe 2000 für ein Jahr in der südmexikanischen Region Oahaxa tätig. Sein Drehbuch fiktionalisiert die Geschichten, die seine mexikanischen Freunde erlebten, der Film entstand im Dörfchen Ana del Valle - komplett mit Laiendarstellern.

    Lose verbunden mit der Haupthandlung um Mateo geht es auch um einen konservativen Familienvater, dessen junge Tochter von einem Bandenchef geschwängert wurde, eine ausgeraubte Kirche, einen Stadtrat und ein alleinstehendes älteres Mütterchen, das um das Leben ihres Sohnes bangt und deshalb die Gangmitglieder, die sie alle noch als Dreikäsehoch kannte, konfrontiert. Hierbei fällt auf, dass die Geschichten sich jeweils ähneln, über Generationen hinweg variieren die Schicksale um Mutterschaft und verlorene Väter und Söhne. Doch diese Parallelen sind auch Bestandteil des täglichen Lebens. So ringt etwa Donasiano im vermeintlichen Spiel mit seinem kleinen Hund, verhöhnt ihn „Du willst ein Gangster sein? Ich werd's dir zeigen!“, und Gangsterboss Daniel benutzt fast dieselben Worte, wenn er Mateo herunterputzt. Oder so wie Mateo nach dem Hund pfeift, ist er selbst auch schnell zur Stelle, wenn die hübsche Nachbarin Valentina durch Pfiffe kennzeichnet, dass sie ihn sehen möchte.

    Eine sehr aktive Kameraführung, immer nah am Geschehen, unterstützt die quasidokumentarische Herangehensweise des Films, und die dörfliche Atmosphäre mit schlüssig in die Handlung integrierten Ereignissen wie einem Rodeo oder der jährlichen Fiesta geben einen Einblick in das zapotekische Leben, den eine aus Mexiko stammende Zuschauerin bei der Premiere auf der Berlinale 2014 als „außergewöhnlich und sehr authentisch“ empfand. Auch das Laienschauspiel ist in manchen Szenen wie einem schüchternen Flirt oder den lange Zeit eingeübten Gangsta- / Macho-Allüren eher dienlich als störend, weil es clever eingesetzt wird. Begrüßenswert, dass dieses „kleine Fernsehspiel“ vor der nächtlichen Ausstrahlung im ZDF mit einem Kinostart auch die Chance bekommt, auf der großen Leinwand gesehen zu werden.

    Fazit: Eine durch Elemente des Gangsterfilms unterstützte Milieubeschreibung, die sowohl eine spannende, emotionale Geschichte als auch Einblicke in die gesellschaftlichen Probleme im Süden Mexikos bietet.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top