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    Tatort: Mord ist die beste Medizin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Mord ist die beste Medizin
    Von Lars-Christian Daniels

    Monatelang mussten die „Tatort“-Fans um ihre Ermittler aus Münster bangen: In den deutschen Medien hielten sich hartnäckig Trennungsgerüchte des Erfolgsduos Axel Prahl („Alles inklusive“) und Jan Josef Liefers („Honig im Kopf“). Ende Juli 2014 herrschte dann endlich Gewissheit: Die Quotenkönige des Sonntagsabends verlängerten ihre Verträge und gehen auch in Zukunft gemeinsam als Hauptkommissar und Gerichtsmediziner auf Mördersuche. Selbst ein Kinofilm mit dem Erfolgsduo erscheint mittlerweile möglich, wenngleich diese Pläne vom WDR noch nicht konkretisiert wurden. Doch warum zögerten die Schauspieler solange? Angeblich äußerten sich beide nach dem Ende 2012 bei TV-Publikum und Kritikern gleichermaßen durchgefallenen „Tatort: Das Wunder von Wolbeck“ unzufrieden über die Qualität der Drehbücher, die sich danach zumindest wieder etwas stabilisierte. Auf eine Trendwende müssen die Fans allerdings weiterhin warten: Auch der „Tatort: Mord ist die beste Medizin“, bei dem der vielfach krimierprobte Thomas Jauch Regie führt, ist kein großer Wurf. Dem 917. „Tatort“ fehlt es nicht nur an Spannung: Viele Gags gehen ins Leere, so dass Thiel, Boerne & Co. auch diesmal deutlich hinter dem Niveau früherer Tage zurückbleiben und der Filmtitel noch das originellste am Krimi bleibt.

    Als der Pharmazeut Andreas Hölzenbein sich im Botanischen Garten der Uniklinik Münster auf einer Bank niederlässt, jagt ihm plötzlich jemand eine Spritze mit einer lebensgefährlichen Injektion ins Bein. Der Mann wird ins Krankenhaus eingeliefert – allerdings nicht in die nahegelegene Uniklinik, in der er arbeitet, sondern in die deutlich weiter entfernte Sanusklinik. Wenige Stunden nach dem Anschlag verstirbt er. Beobachtet wurde der Vorfall im Park von der aufgeweckten Mia Koppolt (Lena Meyer), die Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) sogleich auf dem Präsidium besucht und in Begleitung ihres Vaters Mark (Ben Braun) berichtet. Doch Thiel ist skeptisch: Ist die Fantasie mit der zehnjährigen Schülerin durchgegangen und Hölzenbein einfach an einem Herzanfall gestorben? Ganz andere Sorgen plagen derweil Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers): Als sich der Forensiker während der Geburtstagsfeier seiner Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) in der Gerichtsmedizin einer Selbstdiagnose unterzieht, stellt er bedenkliche Leberwerte fest und lässt sich umgehend in die Sanusklinik einweisen. Es trifft sich gut, dass er vom Krankenbett aus Nachforschungen anstellen kann – auch wenn das seiner argwöhnischen Medizinerkollegin Dr. Süßmilch (Anna Bederke) gar nicht gefällt...

    Die zweifache Grimme-Preis-Trägerin Dorothee Schön steuert bereits zum siebzehnten Mal ein „Tatort“-Drehbuch bei, Filmemacher Thomas Jauch führt sogar schon zum achtzehnten Mal für die öffentlich-rechtliche Krimireihe Regie: Man sollte doch meinen, dass bei so viel Erfahrung nicht mehr viel schief gehen kann. Dem ist leider nicht so: Thiel und Boernes 27. gemeinsamer Einsatz ist einer ihrer schwächsten. Zwar landen diesmal keine Fäkalien in den Gesichtern der Ermittler, wie einst im „Wunder von Wolbeck“, und es fahren auch keine Ziegen auf Boernes Beifahrersitz mit, doch von den gewohnt zahlreichen Gags will ein Großteil einfach nicht zünden. Der Auftakt der Krimikomödie ist da noch am witzigsten: „Alberich“ kann sich über Thiels wenig persönliches Geburtstagsgeschenk nur bedingt freuen, und Boerne lässt erwartungsgemäß Neckereien über das Alter seiner kleinwüchsigen Assistentin vom Stapel („Ü40? Ü50? Das eine schließt das andere ja nicht aus.“). Nach seiner Selbsteinlieferung ins Krankenhaus stolpert der Forensiker dann aber von einer Verlegenheit in die nächste: Zu gestellt wirkt sein Anecken bei sämtlichen Medizinern, zu aufgesetzt die Sorge um die eigene Gesundheit, und auch seine Bettnachbarn entwickeln sich nicht – wie offenbar von den Filmemachern angestrebt – zu Publikumslieblingen.

    Während Chemo-Patient Ulrich Göbel (Josef Ostendorf), der zuletzt im Wiesbadener „Tatort: Schwindelfrei“ einen Zirkusdirektor spielte, in jeder freien Sekunde die penetrante Volksmusik seines Radios bis zum Anschlag aufdreht und damit nicht nur Boerne, sondern auch dem Zuschauer auf den Zeiger geht, versucht sein dauerkopfhörertragender Nachfolger (Serhat Cokgezen) bei Boerne mit einem besonders originellen Künstlernamen zu punkten: „Bischudo“. Wer über platte Wortspiele wie diese lachen kann, mag am 917. „Tatort“ seine Freude finden – wer aber die älteren Folgen aus Münster aufgrund der gekonnten Mischung aus Humor und Spannung liebt, wird diesmal enttäuscht. Spannung ist von Minute 1 bis 90 schlichtweg nicht vorhanden – selbst beim vielversprechend anmutenden Showdown, in dem die neunmalkluge Mia den Täter in eine Falle lockt, driftet die Szene durch den Einsatz einer Bratpfanne als Nahkampfwaffe Richtung Slapstick ab. Oft hat man das Gefühl, es handele sich hier nicht um einen Sonntagabendkrimi, sondern um öffentlich-rechtliche Vorabendunterhaltung: Von seichten 19-Uhr-Formaten wie „Großstadtrevier“, „Die Rosenheim-Cops“ oder „Heiter bis tödlich“ hebt sich dieser „Tatort“ aus Münster in Sachen Tiefgang kaum ab.

    Da passt es ins Bild, dass Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter, in „Heiter bis tödlich“ seit 2012 als Hauptkommissarin Julia Klug zu sehen) den Single-Vater der jungen Mia in einem halbherzig ausgearbeiteten Nebenstrang zum Essen datet, weil sie das Herz seiner aufgeweckten Tochter erobert hat. Viel interessanter wäre es doch gewesen, wenn sich die an „TKKG“ oder „Die drei ???“ erinnernde Spürnase mit dem ewig mürrischen Thiel angefreundet hätte – vielleicht hätte ein Kind den geschiedenen St. Pauli-Fan mit Hans-Albers-Klingelton mal ein wenig aus der Reserve gelockt. So lassen sich die wirklich gelungenen One-Liner (Boerne: „Nicht nur Proktologen kennen sich mit Arschlöchern aus!“) an einer Hand abzählen, und auch die beliebten Nebenfiguren können am Ende nicht über die Dialogmängel hinwegtäuschen. Während der taxifahrende Alt-Hippie Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) einmal mehr auf seine Vorliebe für Marihuana reduziert wird, muss sich die kettenrauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) von den Ärzten Sprüche wegen ihrer maskulinen Stimme anhören. Originell ist das alles nicht – und gerade Überraschungsmomente haben den „Tatort“ aus Münster, der sich an der Klasse früherer Tage messen lassen muss, einst ausgezeichnet.

    Fazit: Der Charme seiner Figuren allein trägt den „Tatort“ aus Münster schon lange nicht mehr – wenn das Drehbuch schwächelt, dann tut es auch der Krimi. Dafür ist „Mord ist die beste Medizin“ ein gutes Beispiel.

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