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    Patient Zero
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Patient Zero
    Von Antje Wessels

    Das Drehbuch zu „Patient Zero“ landete 2013 auf der berühmt-berüchtigten Black List – also auf jener Liste, auf der jährlich die laut Hollywood-Insidern besten noch nicht verfilmten Drehbücher stehen. Hier tummelten sich bereits die Vorlagen zu solchen Perlen wie „Manchester By The Sea“, „Arrival“ und „Sieben Minuten nach Mitternacht“, bevor sie schließlich doch noch ein mutiges Studio fanden. Zugleich haben Flops wie „Transcendence“ oder „Project: Almanac“ aber auch gezeigt, dass ein Platz auf dieser Liste allein nicht ausreicht, damit am Ende auch ein guter Film dabei herausspringt.

    Der Österreicher Stefan Ruzowitzky („Anatomie“) hat sich das „Patient Zero“-Drehbuch von Mike Le („Dark Summer“) nun als seine nach „Die Männer Ihrer Majestät“ und „Cold Blood“ dritte englischsprachige Regiearbeit ausgewählt und sich zudem noch eine echte Star-Besetzung um Stanley Tucci („Die Tribute von Panem“), Natalie Dormer („Game Of Thrones“) und Ex-„Dr. Who“ Matt Smith zusammengestellt. Dabei herausgekommen ist ein Film, der zumindest in der ersten Hälfte zeigt, warum allein schon die Prämisse einen Platz auf der Black List durchaus rechtfertigt. Aber mit Ausnahme eines erzählerisch raffinierten Kniffs im letzten Drittel wandelt sich „Patient Zero“ anschließend in der zweiten Hälfte zu einem arg austauschbaren Infizierten-Schocker im Stile gängiger moderner Zombiefilme.

    In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft hat ein Virus einen Großteil der Weltbevölkerung infiziert. Die Betroffenen werden zu rasenden Bestien, die Nicht-Infizierte angreifen, um ihren Blutdurst zu stillen. Um ein Heilmittel gegen die Raserei zu finden, haben sich ein paar Überlebende unterhalb der Erde zusammengefunden und versuchen, hinter die Existenz des „Patient Zero“ zu gelangen. Ihre Idee: Können sie herausfinden, bei wem die Epidemie ihren Anfang genommen hat, wäre es vielleicht möglich, ein Gegenmittel zu entwickeln. Einer der Überlebenden ist Morgan (Matt Smith), der die Gabe besitzt, mit den Infizierten zu sprechen. Gemeinsam mit der Forscherin Dr. Gina Rose (Natalie Dormer) können sie nach und nach die Entstehung der Epidemie zurückverfolgen, bis ihnen plötzlich ein infizierter Professor (Stanley Tucci) gegenübersitzt, der so ganz anders ist als all die anderen Kranken…

    Ohne Umschweife katapultiert Stefan Ruzowitzky, dessen Zweiter-Weltkriegs-Drama „Die Fälscher“ mit dem Oscar für den Besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, den Zuschauer noch während des atmosphärischen Vorspanns direkt in das Geschehen: Zunächst waren es Tiere und schließlich Menschen, aus denen ein Virus blutrünstige Bestien machte. Im nächsten Moment befinden wir uns bereits unter der Erde in einer Mischung aus Gefängnis und Forschungsstation. In diesem unterirdischen Bunker setzt sich eine Story in Gang, die mit ihrer neuen Herangehensweise an ein eigentlich ausgelutschtes Thema spannend und interessant zugleich anmutet: Viele der Infizierten konnten eingesperrt werden und müssen sich nun einer nach dem anderen den Fragen von Morgan stellen, der aus irgendeinem Grund in der Lage ist, mit den Infizierten zu kommunizieren. Der Austausch läuft dabei immer gleich ab: Zunächst spielt Morgan den an einen Stuhl fixierten Rasenden laute Musik vor (das macht sie gefügig), anschließend stellt er ihnen die alles entscheidende Frage: Wann und wo hast du dich infiziert? Je weiter das genannte Datum zurückliegt, desto näher rücken Morgan und seine Wissenschaftlerkollegen an den Tag des Ausbruchs heran. So kann ebendieser nach und nach zeitlich und örtlich begrenzt werden, um sukzessive an den Ursprung der Katastrophe zu gelangen.

    Mit dieser betont wissenschaftlichen Herangehensweise hebt sich „Patient Zero“ zu Beginn stark vom sonst vorwiegend im Survival-Genre angesiedelten Zombie- und Infizierten-Horrorsubgenre ab. Und auch wenn die Rasenden hier nicht annähernd so furchteinflößend sind wie etwa die zähnefletschenden Zombies in „World War Z“ (die Infizierten hier machen zwar ähnliche Geräusche und Bewegungen, sehen dabei aber immer noch aus wie Menschen), entsteht der Reiz des Films vor allem aus der kammerspielartigen Aufmachung sowie der Kommunikation zwischen Morgan und den ihm gegenübersitzenden Wesen, der man gebannt zuschaut und erst nach und nach hinter das große Ganze steigt. Die Überlebenden in „Patient Zero“ haben einen ganz genauen, wissenschaftlich fundierten Plan, der sich angenehm vom generischen Menschen-rennen-vor-Infizierten-davon-Szenario abhebt. Und selbst wenn es durch eine Unachtsamkeit doch einmal zu einem Angriff kommt, ist man hier hervorragend auf so einen Super-GAU vorbereitet und schneidet dem Opfer in einer minutiös durchgeplant OP-Choreographie sofort den Arm ab, um eine Ansteckung zu vermeiden.

    Obwohl der Versuch, dem von Natalie Dormer und Matt Smith solide verkörperten Forscher-Pärchen durch einige Flashbacks samt tragischer Hintergrundgeschichten ein wenig Profil zu verleihen, spielen eingestreute Details wie eine Schwangerschaft oder die von den Umständen bedingte Trennung zwischen Morgan und seiner geliebten Frau für den weiteren Verlauf kaum eine Rolle. Die einzige Figur, aus der das Drehbuch einen etwas facettenreicheren Charakter macht, ist der Professor – zudem hat Schauspiellegende Stanley Tucci sichtlich Freude an seinem widersprüchlichen Charakter. Er mimt den blutrünstigen Infizierten (eine Szene, die zeigt, wie er kurz nach der Infektion seine Frau umbringt, gehört zu den stärksten des gesamten Films) genauso leidenschaftlich wie den undurchdringbaren Gefangenen, an dem sich Morgan trotz seiner ausgefeilten Verhörmethoden die Zähne ausbeißt. Die Auflösung ist zwar clever und durchaus überraschend, leider kommt sie aber auch sehr schnell und so rutscht „Patient Zero“ im finalen Drittel doch noch in altbekannte Mensch-gegen-Monster-Gefilde ab.

    Wenngleich die Infizierten in „Patient Zero“ nicht von den Toten wieder auferstehen und entsprechend mit (Waffen-)Gewalt erledigt werden können, erinnern die Ereignisse im Schlussakt an all das, was man aus gängigen Zombie-Filmen kennt. Trotz atmosphärischer Bilder, bei denen Kameramann Benedict Neuenfels („Die Hölle – Inferno“) auch von dem beengten Setting des Gefängnisbunkers zehrt, geht es schließlich nur noch darum, vor den Horden an blutrünstigen Infizierten zu fliehen. Und das ist dann leider auch teilweise noch nicht mal gut getrickst (Stichwort: Ratte). Der gute Eindruck von den Ereignissen davor macht dieses lieblose Finale zwar nicht völlig zunichte, aber es schmälert das Gesamtergebnis doch erheblich.

    Fazit: „Patient Zero“ beginnt als spannendes Kammerspiel, in dem die Überlebenden auf eine erstaunlich wissenschaftliche Weise versuchen, eine Epidemie zu beenden, die aus Menschen blutrünstige Rasende macht. Doch je länger der Film dauert, desto mehr wandelt er zu einem austauschbaren Zombiefilm von der Stange.

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