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    Remember - Vergiss nicht, dich zu erinnern
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Remember - Vergiss nicht, dich zu erinnern
    Von Michael Meyns

    Je nach Sichtweise ist das neue Werk des kanadischen Regisseurs Atom Egoyan („Das süße Jenseits“) ein Rückgriff auf oder ein Rückfall in die Gegebenheiten des bewusst plakativen, latent geschmacklosen, aber gerade deshalb oft faszinierenden Exploitation-Kinos der 1970er Jahre. „Remember“ heißt der Film, also nicht etwa „Erinnerung“, sondern „Erinnere dich!“, eine Aufforderung, die bereits einen Großteil des Œuvres des armenischsstämmigen Filmemachers zusammenfasst: Immer wieder beschäftigt sich Egoyan mit den Verbrechen der Vergangenheit und ihren emotionalen und psychologischen Folgen für die Gegenwart. In „Ararat“ war es der Genozid an den Armeniern, in „Remember“ ist es nun das Verbrechen des 20. Jahrhunderts: der Genozid an den Juden. 70 Jahre nach Kriegsende sind immer weniger Zeitzeugen zu finden, sowohl auf der Opfer- als auch auf Täterseite. Die unmittelbare Erinnerung stirbt langsam aus, doch bei vielen Überlebenden (insbesondere denen, die den Vernichtungslagern der Nazis entkamen) ist die Erinnerung an das Leid noch immer so präsent wie der Wunsch nach Gerechtigkeit - oder nach Rache. Davon erzählt Egoyan in „Remember“ auf teils bizarre, dabei aber immer überraschende Weise.

    Eine Woche nach dem Tod seiner Frau wird der an zunehmender Demenz leidende, um die 90 Jahre alte Zev (Christopher Plummer) an ein Versprechen erinnert, das er einst seiner Gattin und seinem Freund Max (Martin Landau) gegeben hat: Er will den Mörder finden, der seine eigene und die Familie von Max auf dem Gewissen hat. Der Altnazi hat sich nach dem Krieg unter dem Namen Rudy Kurlander eine Existenz in Amerika aufgebaut. Damit er die einzelnen Stationen seiner Mission nicht vergisst, trägt Zev einen Brief bei sich, der ihn quer durch das Land führt - denn es gibt vier Rudys (u. a. Bruno Ganz und Jürgen Prochnow), die der gesuchte Mörder sein könnten…

    Atom Egoyan schneidet ohne Frage eine Menge interessanter Themen an. In seinen Filmen geht es um das zwar menschliche, aber letztlich doch nutzlose Verlangen nach Rache, um die auch nach Jahrzehnten noch immer zu spürenden Folgen eines Verbrechens und um die spannende Frage, wie subjektiv Erinnerungen sein können, wie leicht das Gedächtnis zu täuschen ist. Dabei lässt einen vor allem die berührende Darstellung von Oscar-Preisträger Christopher Plummer („Beginners“) immer wieder die Absurdität der Geschichte vergessen. Diese inszeniert Egoyan mit geradlinig und unterlegt sie mit spannungssteigernder Musik, eben ganz wie bei einem klassischen Rache-Thriller - deutliche Anspielungen an den ähnlich gelagerten Gedächtnisschwund-Reißer „Memento“ von Christopher Nolan inklusive.

    Wenn sich Zev wichtige Informationen auf die Haut schreibt, damit er sich auch nach dem Aufwachen noch an sie erinnert, dann prangt gleich daneben die eintätowierte Häftlingsnummer aus dem Konzentrationslager. Subtil ist es also gewiss nicht, was Egoyan hier erzählt, vor allem die finale Wendung hat ihm schon allerhand harsche Kritik eingebracht. Aber wie so viele Exploitation-Filme, an die Egoyan hier – ganz im Gegensatz zu Quentin Tarantino & Co. - weniger stilistisch als vielmehr thematisch anknüpft, offenbart auch „Remember“ letztendlich mehr über das Wesen Mensch als viele „ernsthafte“ Filme.

    Fazit: Ein modernes Nazi-Rache-Exploitation-Drama, in dem sich eine zunächst einfach anmutende Geschichte in eine zunehmend bizarre Richtung entwickelt. Das wird viele Zuschauer vor den Kopf stoßen und andere völlig begeistern.

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