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    Ich will mich nicht künstlich aufregen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Ich will mich nicht künstlich aufregen
    Von Gregor Torinus

    „Papas Kino ist tot“. So lautet der Originaltitel einer 1962 von 26 deutschen Filmemachern abgegebenen Erklärung, die heute als das „Oberhausener Manifest“ bekannt ist. Die Schrift gilt als der Gründungstext des Neuen Deutschen Films, dem heimischen Pendant zur französischen Nouvelle Vague. Heute ist der Neue Deutsche Film jedoch längst ebenso tot wie „Papas Kino“ und das wiederum regt kaum jemanden so sehr auf wie den jungen deutschen Filmemacher Maximilian Linz. 2012 hatte Linz zum 50-jährigen Jubiläum des berühmten Manifests eine Webserie mit dem Titel „Das Oberhausener Gefühl“ gestartet, in der er sich unter anderem mit den politischen und ökonomischen Bedingungen des künstlerischen Schaffens in Deutschland auseinandergesetzt hat. Jetzt greift er seine Ideen und Erfahrungen in seiner Abschlussarbeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) auf und legt einen ebenso engagierten wie anregungsreichen essayistischen Spielfilm vor.

    Die Kuratorin Asta Andersen (Sarah Ralfs) plant eine Ausstellung über den Zusammenhang von Kino, Kunst und Politik mit dem Titel „Das Kino. Das Kunst.“ Als sie sich jedoch in einem Radio-Interview kritisch zu den Bedingungen äußert, unter denen Künstler und Kuratoren heute arbeiten müssen, werden ihr die bereits zugesagten Fördergelder wieder entzogen. Asta lässt sich indes nicht aus der Ruhe bringen und hält beharrlich nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau. Bei ihrer Suche nach Investoren erlebt sie allerhand Erstaunliches…

    Mit „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ versucht Maximilian Linz so etwas wie die Wiederbelebung des politischen Kinos wie es beispielsweise Jean-Luc Godard („Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß“) oder hierzulande Alexander Kluge („Abschied von gestern“), der im Übrigen zu den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests gehörte, in den 60er und 70er Jahren etabliert haben. Die Verwandtschaft mit den gesellschaftskritischen und politisch ambitionierten Essayfilmen Godards zeigt sich bereits in der formalen Gestaltung von Linz' Debüt: Das berühmte Schweizer Vorbild reduzierte seinerzeit die Farbpalette gerne auf Blau, Rot und Weiß, um auf die Farben der französischen (und auch der amerikanischen) Flagge zu verweisen. Linz wiederum bedient sich oft eines neutralen, aber genauso aussagekräftigen Graus als Grundton, in das einzelne große Farbflächen eingefügt werden.

    „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ ist dabei auch eine Reflexion über den Kulturbetrieb und die Förderpraxis, die genau diese Art von kritischen Filmen nahezu zum Aussterben gebracht haben. Linz‘ Mischung aus bissiger Satire und selbstreflexivem Metafilm gerät über weite Strecken interessant und vergnüglich, doch es bleibt unklar, wie ernst der Regisseur das Gesagte letztlich selbst nimmt. So ist der gesamte Film von einer Kultiviertheit durchdrungen, die Linz gezielt aufs Korn nimmt und die sich bis in die Sprache aller Akteure hinein zeigt. Egal ob türkischstämmiger Streetartkünstler oder  vom Jobcenter zur Arbeit als Türsteher verdonnerter Neuköllner: Alle schwadronieren höchst beflissen im schönsten Kulturbetriebs-Jargon. Um sich da noch intellektuell absetzen zu können, entwinden sich dem Mund der Kuratorin Asta Andersen besonders viele leere Worthülsen. Der Effekt ist, dass die potentielle positive Identifikationsfigur kaum weniger zur Witzfigur verkommt als die Antagonisten.

    Auch bei Godard rattern die Protagonisten gerne geschwollene Monologe über den globalen Kapitalismus, den Aufstand des Proletariats oder die Entfremdung des modernen Menschen herunter. Aber entweder der Inhalt dieser Reden besitzt tatsächlich einiges an intellektuellem Gewicht und bekommt durch den feierlichen Tonfall sogar etwas besonders Dringliches oder er wird von vornherein bewusst augenzwinkernd präsentiert. Maximilian Linz lässt seine Akteure dagegen völlig unironisch gänzlich inhaltslose Phrasen dreschen – und so geht der satirische Rundumschlag letztlich oft auf Kosten der klaren politischen Positionierung. Künstler, Kuratoren und Kulturausschüsse: Hier bekommt jeder sein Fett weg.

    Fazit: Max Linz gelingt mit „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ trotz diffuser Aussage eine unterhaltsame Reanimation des politisch engagierten Essayfilms.

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