Mein Konto
    Viel Gutes erwartet uns
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Viel Gutes erwartet uns
    Von Thomas Vorwerk

    Als Verbraucher erwartet man natürlich, dass sich der Gesetzgeber - ob in Deutschland oder gleich europaweit - darum kümmert, dass ausgewiesene „Bio-Produkte“ auch bestimmte Richtlinien erfüllen. Dass diese Gesetzesvorgaben (und ihre oft rigide Kontrolle) aber manchmal auch genau das Gegenteil des Gewünschten bewirken und der artgerechten Tierhaltung mitunter sogar im Wege stehen, gehört zu den zentralen Themen von „Viel Gutes erwartet uns“ der mehrfach ausgezeichneten Regisseurin Phie Ambo, die hier den aktuellen Trend von aufrüttelnden Landwirtschafts-Dokus wie „Die schöne Krista“ oder „Still“ weiterführt.

    Der fast 80-jährige Däne Niels Stokholm ist nicht nur ein biodynamischer Landwirt, er beschäftigt sich auch schon sein ganzes Leben damit, seine seltenen roten Milchrinder im Einklang mit ihren Urinstinkten und dem „Universum an sich“ zu halten. Die gute Qualität seiner Produkte führte sogar zu einer langen Zusammenarbeit mit dem Kopenhagener NOMA, das auch wegen seiner hohen ökologischen Ansprüche als „weltbestes Restaurant“ ausgezeichnet wurde. Doch die europäischen Prüfungsgremien haben Statuten, die Niels Probleme bereiten: So sollen die Tiere aus Sicherheitsgründen enthornt werden, außerdem muss ein Tränkungsapparat her, der jede Stunde exakt 33 cl Wasser abgibt, was mit Natürlichkeit wenig zu tun hat. Ferner sollen Komposthaufen mit einer „Schutzmembran“ (= Plastikplane) überzogen werden, was zu einem massenhaften Regenwurmsterben führt - und laut Niels in direkter Folge die Qualität des Erdreichs verringert…

    In ihrem wunderschön fotografierten Dokumentarfilm gibt Regisseurin Phie Ambo, die auch schon mal die Kamera stehen lässt, um bei einer Kalbsgeburt selbst mit anzupacken, dem Publikum zwar die Chance, beide Seiten anzuhören, aber sie zeigt schon mit ihrer Inszenierung, wo sie persönlich steht: Niels‘ Methoden überschreiten mitunter die Grenzen zum Esoterischen, etwa wenn er jedes Jahr im September Hörner mit frischem Kuhmist füllt oder das Blut verstorbener Tiere wieder dem Erdreich zuführt. Und Ambo steigt dann auch selbst mit darauf ein, wenn sie Bilder vom romantischen nächtlichen Sternenhimmel zeigt oder die Aufnahmen mit den sphärischen lateinischen A-capella-Gesängen von Theatre of Voices und den aufdringlich-emotionalen Klängen von Komponist Jóhann Jóhannsson (oscarnominiert für „Die Entdeckung der Unendlichkeit“) unterlegt.

    Fazit: Ein faszinierender Dokumentarfilm über einen idealistischen Mann und seinen Kampf für eine bessere Zukunft für Mensch und Tier, dem eine weniger esoterische Inszenierung noch mehr Glaubwürdigkeit verliehen hätte.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top