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    Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
    Von Antje Wessels

    Leander Haußmanns Verfilmung von Sven Regeners Erfolgsroman „Herr Lehmann“ machte im Jahr 2003 nicht nur den damals vor allem als MTV-Moderator bekannten Christian Ulmen zum Kinostar, sie begeisterte auch mit einer vom Mauerfall geprägten, zutiefst melancholischen und dabei immer authentischen Atmosphäre. Mittlerweile sind satte 14 Jahre vergangen und die Tragikomödie ist wie das Buch längst zum Kult geworden. Trotzdem wurden die Pläne für eine Verfilmung des ebenfalls im „Herr Lehmann“-Universum angesiedelten Spin-offs „Magical Mystery – Die Rückkehr des Karl Schmidt“ lange Zeit nicht wirklich konkret. Und dass sich „Stromberg“-Kreativkopf Arne Feldhusen nun tatsächlich des Projekts angenommen hat, ist auch eher ein glücklicher Zufall, denn Regeners am „Stromberg“-Kinofilm beteiligte Ehefrau Charlotte Goltermann hat dem Regisseur damals aus dem Bauch heraus den Roman in die Hand gedrückt. Für Feldhusen war es eine „Schockliebe“ und so entstand der Plan für die Leinwandadaption. Dabei trifft Feldhusen den Ton der Vorlage ähnlich sicher wie damals Haußmann (zu beiden Filmen hat Regener selbst das Drehbuch verfasst), aber die lakonisch-verschwurbelten Dialogsalven von Herrn Lehmann vermisst man trotzdem ein wenig.

    Fünf Jahre sind vergangen seit Herr Lehmanns bester Kumpel (und Seven-Regener-Alter-Ego) Karl Schmidt (Charly Hübner) nach einem depressiven Nervenzusammenbruch am Tage des Mauerfalls plötzlich von der Bildfläche verschwand. Mittlerweile wohnt er in einer betreuten Drogen-WG in Hamburg-Altona und verdient sein Geld als Hausmeister eines therapeutischen Zoos. Karl ist eigentlich ganz zufrieden, aber sein Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als er eines Tages einen alten Bekannten aus Berlin wiedertrifft: Raimund (Marc Hosemann) hat gemeinsam mit Ferdi (Detlev Buck) in der Hauptstadt ein Techno-Plattenlabel namens Bumm Bumm Records gegründet und verdient damit inzwischen Geld wie Heu. Um ihre Bekanntheit weiter auszubauen, planen die beiden eine Tour mit mehreren ihrer DJs quer durch Deutschland – die „Magical Mystery“-Tour. Es fehlt nur noch ein Fahrer, der auch nach feuchtfröhlichen, drogengetränkten Partynächten noch nüchtern genug ist, um das Team heile von A nach B zu chauffieren. Statt in der Lüneburger Heide, wie von seinem Sozialarbeiter Werner (Bjarne Mädel) geplant, verbringt Karl seinen Urlaub deshalb auf einer wilden Techno-Tour einmal quer durch die Republik…

    Beim Studieren der Besetzungsliste kommt man erst einmal ins Stolpern: Denn während Karl Schmidt in „Herr Lehmann“ noch von Detlev Buck („Das Pubertier – Der Film“) verkörpert wurde, übernimmt diesmal Charly Hübner („Banklady“) die Rolle des manisch-depressiven früheren Künstlers. Trotzdem spielt auch Detlev Buck in „Magical Mystery“ wieder eine der Hauptrollen, nämlich die des durchgeknallt-visionären Label-Bosses Ferdi. Regisseur Feldhusen selbst begründet diese Casting-Entscheidung damit, dass er nicht wollte, dass „Magical Mystery“ und „Herr Lehmann“ zu eng miteinander verknüpft sind. Stattdessen sollten beide Filme für sich stehen, was man auch daran erkennt, dass Herr Lehmann – anders als im Roman – hier nicht einmal mehr in Gesprächen vorkommt. Es ist fast so, als hätte es ihn nie gegeben. Und da „Magical Mystery“ die melancholische Nachdenklichkeit von „Herr Lehmann“ völlig abgeht, ist diese Distanzierung vielleicht auch ganz angebracht. Feldhusens Films ist so etwas wie eine ausgelassene Generation-40-plus-Partykomödie: Die lebenserfahrenen Protagonisten vergessen auf ihrer Techno-Club-Tour konsequent ihr Alter und feiern jede Nacht, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Dieser Clash aus Reife und Sorglosigkeit gibt der Geschichte ihren Reiz: Wenn Raimund, Ferdi & Co. während einer durchzechten Nacht Dinge tun, die man sonst nur von pubertierenden Schülern auf einer Klassenfahrt erwarten würde (Stichwort: Elch), dann schüttelt man zwar auf der einen Seite den Kopf, würde auf der anderen aber auch gerne mal so unschuldig einen draufmachen wie die unbedarften Techno-Könige, die praktisch über Nacht zu Ruhm und Geld gekommen sind, obwohl sie doch eigentlich nur Spaß haben wollten.

    Durch die autobiografisch geprägte Figur des Karl Schmidt, der aufgrund seiner früheren Drogenprobleme stets nüchtern bleiben muss, beobachtet der Zuschauer das rauschhafte Party-Geschehen zwar durch eine unverfälscht-klare Brille. Trotzdem macht sich Regener nie über die Techno-Jünger lustig, sondern wirft einen regelrecht liebevollen Blick auf den ausgelassenen 90er-Jahre–Hype (auf dem Soundtrack findet sich Musik von Westbam bis Deichkind). Dabei wird Karl zwar permanent auf die Probe gestellt, etwa wenn er plötzlich wieder an Psychosen leidet, aber insgesamt läuft diese Thematik nur so nebenbei mit, während sich Feldhusen dann doch lieber wieder vornehmlich auf die Feiermeute konzentriert und damit einiges an dramatischer Fallhöhe verschenkt. Stattdessen ergeben sich die besten Momente immer dann, wenn Karl sich darum bemüht, seine entweder noch betrunkene oder schon verkaterte DJ-Crew nach wilden Nächten wieder in seinen VW-Bus zu bekommen (in der stärksten Szene des Films muss Karl eine sentimentale Trauerrede halten – für wen, verraten wir aber an dieser Stelle absichtlich nicht). Ähnlich wie von Karl bekommen wir auch von den anderen Figuren keinen runden Eindruck, Konflikte werden allenfalls angedeutet, aber dafür agieren die Darsteller wie Detlev Buck, Marc Hosemann („Liebe deine Nächste!“), Annika Meier („Der Tatortreiniger“) oder Bjarne Mädel („24 Wochen“) mit einer solch losgelösten Spielfreude, dass sie einfach ansteckt – auch ganz ohne Koksbier.

    Fazit: Auch ohne das Auftauchen von Herrn Lehmann ist die Quasi-Fortsetzung des Kultfilms ein markig-authentisches Vergnügen voller kerniger Figuren, 90er-Jahre-Techno-Nostalgie und jeder Menge skurriler Dialoge.

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