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    Colossal
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Colossal
    Von Asokan Nirmalarajah

    1999 war ein besonders aufregendes Jahr fürs amerikanische Kino. Neben von Kritikern und Publikum gefeierten Hits wie „American Beauty“ und „The Sixth Sense“ lieferten auch Filmemacher wie David Fincher („Fight Club“), David O.Russell („Three Kings“), Alexander Payne („Election“) und Paul Thomas Anderson („Magnolia“) komplexe und mutige Filme, die alle bald zu Kultfavoriten avancierten. Einer der originellsten Beiträge zu diesem Spitzenjahrgang stammte indes vom Langfilmdebütanten Spike Jonze und von Drehbuchautor Charlie Kaufman: „Being John Malkovich“, eine surreale Beziehungsfarce, die sich von einer schwarzen Komödie über Körpertausch zum psychologisch düsteren Eifersuchtsdrama wandelte. Der Film war eine elegante Gratwanderung zwischen Genres und Stimmungen, wie sie Kaufman später in wundersamen Meisterwerken wie „Vergiss mein nicht“ und „Synecdoche, New York“ ähnlich hinbekam. Der spanische „Timecrimes“-Regisseur Nacho Vigalondo versucht sich nun in der englischsprachigen Produktion „Colossal“ an einem ähnlich gewagten Genre-Mix aus schwarzer und romantischer Komödie mit einigen Sci-Fi- und Horror-Elementen. Die Mischung geht bei ihm aber trotz guter Besetzung nur bedingt auf. Vigalondo, der auch das Drehbuch verfasst hat, bemüht sich um ein glaubwürdiges Psychogramm einer Alkoholikerin und der besitzergreifenden Männer in ihrem Leben, aber es gelingt ihm letztlich nicht, die sehr gegensätzlichen Aspekte seines Films zufriedenstellend auszubalancieren.

    Gloria (Anne Hathaway) ist eine arbeitslose Autorin, die ihre Tage mit Schlafen und Trinken verbringt. Ihr frustrierter Freund Tim (Dan Stevens) will das nicht mehr hinnehmen und schmeißt sie aus der gemeinsamen New Yorker Wohnung. Die mittellose Gloria kehrt daraufhin in ihr verschlafenes Heimatstädtchen zurück. Beim Einzug in das verlassene Elternhaus läuft sie ihrem Schulfreund Oscar (Jason Sudeikis) über dem Weg, der ihr selbstlos zur Hand geht. Oscar leitet die Kneipe seines verstorbenen Vaters und bietet ihr einen Job als Kellnerin an. Gloria willigt ein und verbringt die Morgenstunden nach durchzechten Nächten immer wieder auf ihrem früheren Kinderspielplatz. Doch dann wird ihr langsam bewusst, dass alle ihre Bewegungen auf dem Spielplatz von einem Monster „gespiegelt“ werden, das im entfernten Seoul Hochhäuser dem Erdboden gleichmacht…

    Wie in „Being John Malkovich“ geht es auch in „Colossal“ um eine gescheiterte Persönlichkeit in einer unglücklichen Beziehung, die durch eine Verkettung bizarrer Zufälle herausfindet, dass sie einen anderen Körper steuern kann – dort den Mimen John Malkovich, hier ein Kaiju-Monster wie Godzilla. Bei John Cusacks Protagonisten aus dem Spike-Jonze-Film handelt es sich um einen depressiven Puppenspieler, der durch die Manipulation eines anderen Menschen seine Machtphantasien ausleben und seine Herzdame (Catherine Keener) zu einer Beziehung nötigen kann. In „Colossal“ schreibt und inszeniert Nacho Vigalondo das Monster als Metapher für die verheerenden Schäden, die Glorias Alkoholsucht in ihrem eigenen Leben und in dem ihrer Freunde anrichtet. Diese phantastische Externalisierung des Suchtproblems ist im Grunde äußerst reizvoll. Doch Vigalondo braucht sehr lange, um überhaupt bis zu diesem Punkt in der Geschichte zu kommen und danach weiß er nicht allzu viel mit der tollen Idee anzufangen.

    Satte 40 Minuten dauert es, bis der Regisseur die wichtigsten Figuren eingeführt, die Hauptschauplätze vorgestellt und die Verbindung zwischen dem Monster im fernen Korea und der Protagonistin im ländlichen Amerika hergestellt hat. Bis dahin ist der Film als melancholische Verliererballade über eine attraktive, neurotische Alkoholikerin angelegt. Das ist durchaus stimmungsvoll, aber wenig inspiriert und etwas langatmig. Die überzeugende Oscar-Preisträgerin Anne Hathaway (für „Les Miserables“) trägt den Film mühelos, wird hier aber bei weitem nicht so sehr gefordert wie etwa in „Rachels Hochzeit“. Und nachdem dann die ersten amüsanten Gehversuche Glorias als Kaiju erfolgt sind (ein betrunken tanzendes Monster hat man noch nicht oft gesehen), kippt der Film in ein mutiges, aber unausgegorenes Drama über verantwortungslose Frauen und manipulative Männer. Die Figuren sind von vornherein zu oberflächlich angelegt, damit diese Wendung funktionieren kann, so kommt etwa die Wandlung eines Sympathieträgers zum Scheusal sehr abrupt und ist nur schwer nachvollziehbar. Entsprechend verpufft dann auch das große Finale weitgehend ohne die klar angestrebte emotionale Wirkung. Das empfand offenbar auch dem Publikum in den USA und Kanada ähnlich, denn „Colossal“ spielte bei 15 Millionen Dollar Produktionskosten nur etwas mehr als vier Millionen Dollar an den nordamerikanischen Kinokassen ein. Ein ausgefallenes Konzept alleine macht eben noch keinen gelungenen Film.

    Fazit: Trotz guter Darstellerleistungen fehlt es „Colossal“ an psychologischer Tiefe, Witz und Tempo, um den Zuschauer über die schräge Grundidee hinaus nachhaltig für seine absurde Geschichte und schwierigen Figuren zu begeistern.

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