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    Reich werden im Irak - Ein Investitions-Roadmovie im Irak
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Reich werden im Irak - Ein Investitions-Roadmovie im Irak
    Von Andreas Günther

    Wie funktioniert kapitalistische Wirtschaft in einer Gesellschaft wie der des Irak? Wie fühlt sie sich an? Im kurdischen Teil des Landes wagt eine Handvoll Frauen den Selbstversuch, und zwar höchst aktiv und eigennützig, als Investorinnen und Unternehmerinnen, mit Laptop, Rucksack und Trolley. Unter dem Titel „Reich werden im Irak“ hat die Regisseurin Ulrike Zimmermann zwei von ihnen begleitet bei dem Unterfangen, in dem seit Jahren von  Krieg und Zerstörung heimgesuchten Land einen Profit zu machen, ohne ethische Prinzipien aufzugeben. Woran man bei ihrem Dokumentarfilm eigentlich ist, das bleibt angesichts der verwirrend vielfältigen Stilmittel, die hier zum Einsatz kommen, allerdings etwas unklar: Interview, kommentiertes Porträt, stille Beobachtung, Sprechen in die Kamera, unübersetzte Werbespots –  alles das fügt sich nicht zu einem organischen Ganzen, aber immerhin bleibt stets die Neugier und die Offenheit der Filmemacherin spürbar. So bleibt der Blick auf Kurdistan und die Kurden  einigermaßen ungetrübt. Und auch die porträtierten Frauen beweisen Mut, Neugier und so etwas wie Freude an der Sache.

    Heike Faller, Redakteurin beim „Zeit Magazin“, ärgert sich, dass sie nicht früher investiert hat. Um jetzt möglichst viel aus ihrem Ersparten herauszubekommen, riskiert sie eine Menge: Sie hat ihr Geld in einen hoch spekulativen Irak-Fonds gesteckt und hofft auf 40 Prozent Rendite. Ihre Erfahrungen mit Menschen und Managern vor Ort sind positiv. Im Irak unterwegs ist auch die Reiseunternehmerin Susanne Braak. Sie möchte für Touristen Reisen zu den historischen Stätten im kurdischen Teil organisieren, sorgt sich aber um die Sicherheit. Doch die Leute, denen sie begegnet, wirken sehr kooperativ. Zu Wort kommen auch Vertreter internationaler Menschenrechtsorganisationen, die beispielsweise mit groß angelegten Kampagnen gegen Riten der Genitalverstümmelung und andere Formen der Gewalt gegen Frauen vorgehen und dabei auch juristische Erfolge errungen haben.

    Die positiven Aspekte wahrnehmen, ohne Schattenseiten auszublenden, die Fremdheit wirken lassen, ohne in Klischees zu verfallen – so lässt sich die Herangehensweise der Regisseurin Ulrike Zimmermann vielleicht am besten beschreiben. Gut rasiert, im Hemd, mit freundlichem, zugewandtem Blick unterhalten sich arabische Geschäftspartner mit der blonden, leger gekleideten Reiseunternehmerin Braak. Auch Heike Faller mag nicht klagen. Ihre Vorurteile gegenüber Hedgefondsmanagern habe sie verloren, gesteht sie. Deren ökonomische Abenteuerlust imponiert ihr und sie hat auch festgestellt, dass viele der oft pauschal kritisierten Finanzspezialisten sich ganz genau überlegen, was sie tun, wozu auch die Frage gehört, ob ihre Geschäfte moralisch sind. Faller begreift ihr Investment auch als Beitrag zum Aufbau, kann aber zugleich eine gewisse persönliche Gier und Risikolust nicht verhehlen.

    Regisseurin Zimmermann entdeckt viel abendländischen Lebensstil, blickt aber auch hinter die Fassaden. Sie nimmt sich Zeit, lässt die Kamera etwa lange auf einer Reklametafel mit einer westlich gekleideten und geschminkten Frau ruhen, bis der Kontrast zum männlich dominierten Straßenbild mit nur wenigen Frauen (allesamt mit Kopftüchern) offensichtlich wird. Berichte von Menschenrechtlern aus dem Off und Gespräche mit einheimischen Frauen bestätigen, dass es um die Gleichberechtigung vorsichtig ausgedrückt nicht zum Besten steht. Der Irak erscheint als Land voller Widersprüche, denn zugleich haben der ökonomische Boom des Wiederaufbaus und der inzwischen florierenden Ölförderung unzweifelhaft viel bewirkt. Zurückkehrende Flüchtlinge auch aus Deutschland haben zudem Know-how und ein anderes Denken mitgebracht, das trotz aller Ungleichheit zu neuen Möglichkeiten führt. Es bleibt zu hoffen, dass der Wandel weitergeht,  dass Marktkräfte und Bildung stärker sind als Extremismus und Verbohrtheit – und dass die Investitionen möglichst viele Gewinner haben.         

    Fazit: Ein intensiver, unvoreingenommener und sehr genauer Blick auf einen Teil der arabischen Welt, der sich im Takt der globalen Wirtschaftsentwicklung zum Teil atemberaubend wandelt.

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