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    Tatort: Fünf Minuten Himmel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Fünf Minuten Himmel
    Von Lars-Christian Daniels

    Vor gut zwei Jahren strahlte die ARD zum ersten und bisher einzigen Mal einen sogenannten „Event-Tatort“ aus: Am 2. Weihnachtstag 2013 – einem im TV-Programm hart umkämpften Sendeplatz also – feierten die Weimarer Kommissare Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) im „Tatort: Die fette Hoppe“ ihren Einstand. Publikum und Kritiker waren gleichermaßen von der originellen Krimikomödie überzeugt – und so setzte der MDR alles daran, den beiden Hauptdarstellern ein dauerhaftes Engagement für die Krimireihe schmackhaft zu machen. Mit Erfolg: Inzwischen werden jährlich zwei neue Fälle mit den auch privat befreundeten Hauptdarstellern produziert. Ob Kinostar Heike Makatsch („Männerpension“) eine ähnliche Erfolgsgeschichte schreiben wird, steht momentan noch in den Sternen: In Katrin Gebbes „Tatort: Fünf Minuten Himmel“, den die ARD ebenfalls als einmaligen „Event-Tatort“ anpries und dessen Fortsetzung man auch vom Zuschauerecho abhängig machen will, darf sich Makatsch zunächst einmalig als „Tatort“-Kommissarin in Freiburg versuchen. Ihr Debüt fällt allerdings deutlich schwächer aus als das ihrer Kollegen – was weniger an den schauspielerischen Qualitäten des Stars liegt, als vielmehr an der schwachen Geschichte.

    15 Jahre ist es her, dass Ellen Berlinger (Heike Makatsch) nach London auswanderte. Ihre Tochter Niina (Emilia Bernsdorf) und ihre Mutter Edelgard (Angela Winkler) ließ sie in Freiburg sitzen. Nun ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt und tritt trotz einer erneuten Schwangerschaft eine Stelle als Hauptkommissarin an, für ihr Privatleben bleibt daher wenig Zeit: Im Freiburger Jobcenter wird der Sachbearbeiter Holger Kunath tot aufgefunden – stranguliert mit einem Kabelbinder. Mord oder Selbstmord? Ein Abschiedsbrief auf seinem PC liest sich nicht überzeugend. Kunath betreute unter anderem die arbeitslose Cornelia Mai (Julika Jenkins), die in einer von der Arbeitsagentur finanzierten Sozialwohnung lebt. Weil ihr Vermieter Rüdiger Fest (Pierre Siegenthaler) das Haus sanieren möchte, musste ihr ebenfalls von staatlichen Leistungen abhängiger Nachbar Kurani (André Benndorff) seine Wohnung bereits räumen. Mai und ihrer 16-jährigen Tochter Melinda (Rosmarie Röse) drohte das gleiche Schicksal: Kunath ließ die monatlichen Mietzahlungen kurz vor seinem Tod einstellen. Das Mordmotiv? Weitere Spuren führen zu Melindas Freunden, die bei gefährlichen Würgespielen den ultimativen Kick suchen...

    „Bio-Kiffen“, „Five Minutes in Heaven“, „Passout Game“: Für das, was Melindas gleichaltrige Freunde Titus Kunath (Oskar Bökelmann), Harriett Wiesler (Anna-Lena Klenke) und Ruth Winterer (Jochanah Mahnke) beim gemeinsamen Abhängen nach Schulschluss veranstalten, gibt es unter Teenagern viele Namen. Aber muss man die gefährlichen Würgespiele, die epileptische Anfälle auslösen und sogar zum Tod führen können, so ausführlich illustrieren wie in diesem „Tatort“? So manchem besorgten Erzieher und Krimi-Zuschauer dürften die drastischen Sequenzen mit den Jugendlichen sauer aufstoßen. Der Jugendschutz hat bei diesem „Tatort“ wohl nur nicht interveniert, weil auch die unmittelbaren Gefahren der Würgespiele, denen der Krimi seinen Namen verdankt, schonungslos gezeigt werden. Der entlarvende Filmtitel birgt aber einen anderen Nachteil: Er legt die Auflösung der Täterfrage ziemlich nah. Weil der Tote bekanntlich qualvoll erstickt ist, dürften genreerfahrene Zuschauer bei der klassischen Whodunit-Konstruktion nach bester „Tatort“-Manier schnell auf die richtige Lösung kommen.

    Auch sonst verläuft in diesem enttäuschenden und über weite Strecken vorhersehbaren Krimi, der das Prädikat „Event-Tatort“ zu jedem Zeitpunkt schuldig bleibt, alles in geordneten Bahnen. Die Spannungskurve schlägt nur selten nach oben aus, und Berlingers regelmäßige Stippvisiten bei Mutter und Tochter rauben dem Geschehen immer wieder den Schwung. Erst im Schlussdrittel schalten Drehbuchautor Thomas Wendrich („Ich und Kaminski“) und Regisseurin Katrin Gebbe, deren beklemmendes Drama „Tore tanzt“ 2013 als einziger deutscher Beitrag bei den Filmfestspielen in Cannes lief, einen Gang hoch. Bis dahin zeigen sich immer wieder Schwächen: Der Sohn des Mordopfers ist zufälligerweise gut mit der Tochter der Hauptverdächtigen befreundet, zu deren Clique ausgerechnet die Tochter der ermittelnden Kommissarin zählt – nicht nur in einer Großstadt wie Freiburg ein ziemlich unwahrscheinliches Szenario. Außerdem hätte man bei einem „Außer-der-Reihe-Krimi“ wie diesem das rein schmückende Beiwerk wie Berlingers Schwangerschaft oder das übliche Beschnuppern der neuen Kollegen – hier: Spurensicherungsleiter Frank Hensel (Christian Kuchenbuch), Chef Volker Gaus (Holger Kunkel) und Rollstuhlfahrer Hendrik Koch (Max Thommes) – problemlos streichen oder reduzieren können.

    Als Milieustudie hat der „Tatort: Fünf Minuten Himmel“ aber immerhin seine Qualitäten: In tristen Bildern vom Leben in einem heruntergekommenen Wohnhaus skizziert Gebbe das Dasein der Unterschicht, deren Perspektivlosigkeit sich in der abgehalfterten Cornelia Mai (stark: Julika Jenkins, „Der Nachtmahr“) personifiziert. Eher unfreiwillig komisch wirken allerdings die Auftritte des kauzigen Nachbarn Kurani, der mit irritierendem Gestammel aus dem Rahmen fällt, ohne die Geschichte voranzubringen. Und die eingebildete Harriett – eine leicht ausrechenbare Vorzeige-Zicke wie wir sie aus klischeebeladenen amerikanischen High-School-Komödien kennen – wird von den Filmemachern zu realitätsfernem Sprücheklopfen genötigt („Ich mach die sowas von Matsche!“).  So bleibt beim  981. „Tatort“ unter dem Strich ein enttäuschender Gesamteindruck und trotz guter Ansätze ist eine Fortsetzung der Freiburger Ausgabe damit nicht gerade wahrscheinlich – auch weil mit dem Schwarzwald-Team um Entertainer Harald Schmidt bereits andere Kommissare für den SWR in den Startlöchern stehen.

    Fazit: Katrin Gebbes „Tatort: Fünf Minuten Himmel“ ist eine enttäuschende Mischung aus Milieustudie und klassischem Krimi, der dem Prädikat „Event-Tatort“ nicht gerecht wird.

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