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    Norman
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Norman
    Von Markus Fiedler

    Kaum ein Filmemacher wird so eng mit einer Stadt in Verbindung gebracht wie Woody Allen mit New York. Das Bild, das der vierfache Oscarpreisträger in seinen Filmen vom Big Apple zeichnet, prägt seit Jahrzehnten die Vorstellung der Auswärtigen von der Ostküstenmetropole und dem jüdisch-intellektuellen Mikrokosmos, in dem Allen und seine Figuren zu Hause sind. Wenn nun ein anderer Filmemacher sich in ebendiese Welt begibt, seine Erzählung noch dazu mit dezenter Jazzmusik unterlegt und einen Protagonisten aufbietet, der in mehr als einer Hinsicht an die redseligen Loser von Allen erinnert, so wie es Joseph Cedar („Beaufort“) in „Norman“ tut, dann liegt der Vergleich mit dem weltberühmten Kollegen allzu nahe. Denn er führt bei allen Ähnlichkeiten letztlich in die Irre: Mit Allens tempo-, wort- und witzreichen New-York-Komödien wie „Manhattan“ oder „Hannah und ihre Schwestern“ hat Cedars Drama letztlich jedenfalls kaum etwas zu tun. Der israelische Regisseur und Drehbuchautor setzt nämlich auf einen zurückhaltenden Erzählton, eine sehr kühle Atmosphäre und bei der Storyentwicklung auf eine zuweilen den Stillstand streifende Langsamkeit. Dass der Film trotzdem nicht in Eintönigkeit versinkt, ist vor allem Hauptdarsteller Richard Gere („Pretty Woman“) zu verdanken, der vom einstigen Schönling längst zum Charakterdarsteller gereift ist und hier als abgehalfterter Geschäftsmann eine nuancierte und charismatische Darbietung zeigt.

    Norman Oppenheimer (Richard Gere) ist der Chef seiner eigenen Firma – und zugleich sein einziger Angestellter. Der Geschäftsmann von altem Schrot und Korn versucht wie ein Stehaufmännchen, Kontakte zu knüpfen und so in der jüdischen New Yorker Business-Szene endlich einen großen Treffer zu landen. Mit seiner warmen, aber immer etwas zu aufdringlichen Art blitzt er bei den jungen Entscheidern allerdings immer wieder ab. Bis sich eines Tages doch noch das Blatt wendet: Norman lernt den israelischen Staatssekretär Micha Eshel (Lior Ashkenazi) kennen und schenkt dem Politiker ein sündhaft teures Paar Schuhe, das Eshel bereits wieder zurückgestellt hatte. Drei Jahre später kehrt Eshel als Premierminister von Israel nach New York zurück – und umarmt bei einem Empfang seinen „alten Kumpel“ Norman herzlich. Mit einem Schlag ist der kleine Geschäftsmann ein Jemand und wähnt sich endlich am Ziel. Doch die Mühlen der Politik mahlen längst anders als Norman bewusst ist…

    In „Norman“ erleben wir einen Mann, der furchtbar viel lächelt und redet und es nicht schafft, seine Gesprächspartner länger als zehn Sekunden nicht zu berühren. Aber so kommt er einfach nicht ans Ziel, egal wie sehr er sich auch bemüht. Dieser Norman ist Nervensäge und Sympathieträger zugleich, darin ist er Woody Allens Stadtneurotikern tatsächlich nicht unähnlich. Nur dass der Quälgeist in Cedars mit zwei Stunden Laufzeit deutlich zu langem Film gelegentlich verblüffend deutlich die Oberhand gewinnt. Die Gespräche etwa um irgendwelche geschäftlichen Projekte drehen sich immer wieder im Kreise und es gibt einigen erzählerischen Leerlauf. Richard Gere, der sich in den vergangenen Jahren rar gemacht hat, gibt dem Protagonisten bei aller darstellerischen Zurückhaltung aber eben auch die Ausstrahlung und den Charme eines echten Filmstars. Er hält das Publikum bei der Stange und so bleibt es nicht ohne Wirkung, wenn Norman schließlich spät, aber nicht zu spät echte Konturen bekommt, die wahre Tragik seines Schicksals zum Vorschein kommt und er darum kämpft, sich einen letzten Rest Integrität zu bewahren.

    Das verschneite New York des Films ist ein in mehrfacher Hinsicht kalter und dunkler Ort. Es ist auch für den Betrachter fast ein wenig zermürbend, wenn Norman immer wieder die kalte Schulter gezeigt bekommt. Immerhin bringt Steve Buscemi („Fargo“) als Rabbi ein paar wenige helle Momente in den Film, während Michael Sheen („Frost/Nixon“) als Normans Neffe uns zeigt, dass selbst die Familie manchmal von dem Dampfplauderer genervt ist. Auch Charlotte Gainsbourg („Melancholia“) ist als kühle Justizbeamtin Alex eine gute Wahl. Im Zusammenspiel mit diesen Figuren gelingen Gere seine intensivsten Momente. Und Regisseur Cedar zeigt mit schönen Einfällen wie einem originell montierten Telefonat zwischen zwei Warteräumen am Bahnhof, dass er sich gut auf die ganz leisen Töne versteht. Aber er verliert sich oft auch ein wenig in den feinen Nuancen.

    Fazit: „Norman“ überzeugt als Charakterstudie vor allem dank des exzellenten Hauptdarstellers Richard Gere durchaus, allerdings bleibt die Story insgesamt etwas dünn.

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