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    Scary Stories To Tell In The Dark
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Scary Stories To Tell In The Dark

    Eine wirklich vergnügliche Geisterbahnfahrt

    Von Karin Jirsak

    Season Of The Witch“ – der mystisch knisternde Donovan-Song von 1966 (am Ende des Films noch mal in einer Version von Lana Del Rey zu hören) geleitet den Zuschauer gleich zu Beginn stimmungsvoll ins Jahr 1968 und damit mitten hinein in eine verhängnisvolle Halloween-Nacht, in der vier amerikanische Kleinstadt-Teenager beschließen, in ein Spukhaus einzubrechen. Was dann folgt, ist eine nicht wirklich originelle, aber doch sehr vergnügliche Geisterbahnfahrt, basierend auf der gleichnamigen, vor allem in den USA bei Jung und Alt beliebten Kindergruselbuchreihe von Alvin Schwartz. Die in „Scary Stories To Tell In The Dark“ von André Øvredal („The Autopsy Of Jane Doe“) überwiegend ganz stark in Szene gesetzten Schockmomente sind trotzdem kein Kinderkram, wofür sicherlich auch Oscar-Preisträger Guillermo del Toro („The Shape Of Water“) als maßgeblicher Produzent mitverantwortlich zeichnet.

    In der Halloween-Nacht des Jahres 1968 machen Stella (Zoe Margaret Colletti) und ihre Freunde in einem verlassenen Haus am Stadtrand eine folgenschwere Entdeckung: In einem Verschlag im Keller finden die Teenager das Notizbuch von Sarah Bellows, die sich in jenem Haus vor langer Zeit erhängt haben soll. In dem Buch sind unheimliche Geschichten aufgezeichnet, die alle damit enden, dass jemand auf grauenvolle Weise vom Erdboden verschwindet. Horror-Fan Stella kann nicht widerstehen und lässt das Buch mitgehen. Ein schwerer Fehler, wie sich schnell herausstellt: Denn auf dem Buch scheint ein tödlicher Fluch zu liegen. Und es gibt noch viele leere Seiten, die sich schon bald wie von Geisterhand mit neuen Gruselgeschichten zu füllen beginnen ...

    Echte Nerds tragen unmodische Brillen: Zoe Margaret Colletti als Heldin Stella.

    Rachsüchtige Geister, verdorrte Maisfelder, unheimliche Vogelscheuchen, böse Bücher - „Scary Stories To Tell In The Dark“ ist, ganz nüchtern betrachtet, im Wesentlichen ein Konglomerat vieler klassischer Horrormotive. Die sind allerdings wunderschön altmodisch gestaltet und betten sich stimmig in die aus warmem Sixties-Kolorit und kühlen Novembernebelschwaden gewobene Atmosphäre ein. Das Schauerfeeling springt sofort über und macht von der ersten Filmminute an Lust, in diesem amerikanischen Städtchen namens Mill Valley eine schaurig-schöne Zeit lang zu verweilen und aus sicherer Entfernung zu beobachten, was sich aus dieser Stimmung alles Finsteres herausschälen wird.

    Dass die zu grausigem Leben erweckten „Scary Stories“ genau den Effekt erzielen, den man sich von solchen Urban Legends erhofft, liegt vor allem an den vom norwegischen Hollywood-Export André Øvredal gekonnt hochgezogenen Spannungskurven: Wohlige Gänsehaut, wenn sich die Erwartung eines kommenden Grauens andeutet, nervenzehrende Spannung, wenn sich die Bedrohung verdichtet und intensives Erschrecken, wenn der Schleier zerreißt und sich die aus den unheimlichen Geschichten geborenen Monstrositäten in der Wirklichkeit der Lebenden manifestieren. Diese Wesen entstammen den Büchern von Alvin Schwartz, die in den USA erstmals 1981 und trotzdem bis heute noch nicht in deutscher Übersetzung erschienen sind. Die dazugehörigen Original-Illustrationen von Stephen Gammell wurden im Film ohne CGI-Effekte zum Leben erweckt, was ihnen einen wirklich tollen Retro-Charme verleiht. Unverkennbar ist auch die Handschrift von Monstervisionär Guillermo del Toro („Pans Labyrinth“, „Hellboy“), der hier als Produzent und großer Fan der Buchreihe einmal mehr mit viel Liebe zum verstörenden Detail ans Werk ging und auch am Drehbuch mitwirkte.

    Starke Figuren wie in “Stranger Things“

    Zum wohlig-popcorntauglichen Grusel-Feeling tragen auch die netten Hauptfiguren bei, denen man schon sehr wünscht, dass sie alle bis zum Ende durchhalten. Von Anfang an ist dieses in seiner Dynamik ein bisschen an „Stranger Things“ erinnernde Freak-Kleeblatt sympathisch, denn es hat etwas, das in dieser Art Plot gerne mal vernachlässigt wird: Jede der Figuren verfügt über einen mit wenigen, aber aussagekräftigen Strichen gezeichneten Charakter und vor allem Witz, was sicherlich auch dem spielfreudigen Nachwuchs-Cast zu verdanken ist. Im Zentrum steht die Brille tragende, allein mit ihrem depressiven Vater (Dean Norris, „Breaking Bad“) lebende Stella, in deren Jugendzimmer nicht etwa Elvis-Poster, sondern (todschicke) Vampir- und Monsterfilmplakate hängen. Auf den Spuren von Mary Shelley betätigt sich das Nerdgirl auch selbst an der Schreibmaschine. Kein Wunder also, dass die angehende Junghorrorautorin der Versuchung erliegt, das verfluchte Notizbuch aus dem Spukhaus zu entwenden. Und Stellas schriftstellerische Ambitionen sind auch im weiteren Verlauf der Geschichte nicht nur Charakterstaffage, sondern erlangen auch eine erzählerische Bedeutung.

    Sie und ihre nicht minder ungewöhnlichen Kumpels, das freche Muttersöhnchen Chuck (Austin Zajur) und den altklugen Auggie (Gabriel Rush), lernen wir bei den Vorbereitungen auf die Halloween-Nacht kennen, wobei uns Chuck als kleines Bonbon das wohl witzigste Spiderman-Kostüm aller Zeiten präsentiert („Mom! Ich sagte Spider-Man – nicht Spinnenmensch!“). Den Vierten im Bunde, den geheimnisvollen Ramón Morales (Michael Garza, „Die Tribute von Panem“), treffen die Freunde zum ersten Mal in jener Nacht, als sie sich im Autokino vor dem Baseballschläger schwingenden Dorfhooligan Tommy (schön fies: Austin Abrams, „The Walking Dead“) und seiner Gang verstecken.

    Austin Zajur in „Scary Stories To Tell In The Dark“ .

    Weil er neu in der Stadt ist und schon wegen seines Namens sofort als „Fremder“ abgestempelt wird, haben die örtlichen Kleinstadtbullen (u.a. Gil Bellows, „Ally McBeal“) den schweigsamen Ramón sofort auf dem Kieker, womit sich Øvredal auch eine kleine politische Spitze gegen den institutionellen Rassismus der US-Behörden erlaubt. Die Polizei ist hier, wie so oft (nicht nur) im Horrorgenre, nämlich mal wieder eher hinderlich als hilfreich. So versuchen die Kids also auf eigene Faust, die Geister, die sie riefen, zu stoppen. Dabei geht es dramaturgisch gesehen zu wie bei jeder Geisterbahnfahrt: Zwischen den Schreckensattraktionen passiert eigentlich nicht so viel, sodass man hier zwischendurch auch immer wieder mal etwas in den Wartemodus verfällt.

    Der nach dem (allzu) bekannten Strickmuster „Da waren's nur noch X-1“ gestrickte Plot ist als solcher natürlich auch nicht wahnsinnig originell, aber was soll man sagen: Er funktioniert als Konzept eben immer noch, wenn es denn gut gemacht ist. Und am Ende gibt es dann tatsächlich doch noch eine kleine Überraschung. Die wird allerdings, so viel sei verraten, sicherlich nicht jeden zufriedenstellen, macht uns aber Hoffnung auf ein mögliches Wiedersehen, vielleicht ja schon in der nächsten Kürbissaison.

    Fazit: Schönes Oldschool-Gruselkabinett mit tollem Sixties-Flair, liebenswerten Helden und perfekt in Szene gesetzten Schockmomenten – sicher keine Revolution im Storytelling, aber eine hübsche Hommage an die traditionelle amerikanische Schauergeschichte.

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