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    Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier
    Von Lars-Christian Daniels

    Das hatte niemand erwartet: Nach gerade einmal zwei Fällen stellte der MDR den „Tatort“ aus Erfurt schon wieder ein. Zu katastrophal waren die Kritiken zum Debüt „Tatort: Kalter Engel“ und dem nur leicht verbesserten „Tatort: Der Maulwurf“ ausgefallen, sodass die Hauptdarsteller Friedrich Mücke und Alina Levshin kurzerhand die Notbremse zogen und aus der Krimireihe ausstiegen. 2015 gehen auch die bisher durchwachsenen „Tatort“-Folgen aus Leipzig (mit Simone Thomalla und Martin Wuttke) und Konstanz (mit Eva Mattes und Sebastian Bezzel) zum letzten Mal auf Sendung – die ARD entledigt sich derzeitig also gleich reihenweise der Sorgenkinder ihrer Krimireihe. Doch was ist mit dem altgedienten Gespann aus Ludwigshafen? Die seit 1989 ermittelnde Rekord-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und ihr Partner Mario Kopper (Andreas Hoppe) haben schließlich schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr überzeugt. Dieser Negativtrend setzt sich bei ihrem 52. gemeinsamen Einsatz fort: Patrick Winczewskis „Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier“ ist die schwächste „Tatort“-Folge seit Jahren und besitzt allenfalls unfreiwillig komischen Unterhaltungswert.

    Auf einem Pferdehof bei Ludwigshafen wird ein Tierpfleger erstochen aufgefunden. Ein paar Meter weiter liegt ein verletztes Pferd, das offenbar Opfer eines „Pferderippers“ wurde, der in der Gegend sein Unwesen treibt. Wollte der Täter das Tier nachts attackieren und wurde dabei vom Pfleger überrascht? Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), die bei einer Reha eigentlich gerade die Balance zwischen Beruf und Privatleben wiederfinden möchte, wird zum Tatort gerufen und erlöst das grausam zugerichtete Pferd mit einem Gnadenschuss von seinen Qualen. Fallanalytikerin Johanna Stern (Lisa Bitter), die Odenthal und den Kollegen Mario Kopper (Andreas Hoppe) zum zweiten Mal bei der Mördersuche unterstützt, erstellt ein Täterprofil, und schon bald stoßen die Ermittler auf einen Verdächtigen: Der verschlossene Gerd Holler (Ben Münchow) sucht auffallend häufig die Nähe zu Pferden und scheint auch seiner neuen Flamme Paula Bender (Lisa Charlotte Friederich) irgendetwas zu verheimlichen. Die undurchsichtige Silvia Magin (Alma Leiberg), Verlobte des Gestütsbesitzers Konstantin Yildiz (Ercan Karacayli), gerät ebenfalls ins Visier der Kommissare...

    Es gibt „Tatort“-Folgen, da verraten schon die ersten zehn Minuten alles über den Rest des Krimis: Die Dialoge sind schlichtweg unterirdisch, die Nebendarsteller wirken überfordert und das Drehbuch entpuppt sich als eine einzige Zumutung. Regisseur Patrick Winczewski („Tatort: Winternebel“) und Drehbuchautor Harald Göckeritz („Tatort: Mord in der ersten Liga“) saßen für die ARD schon häufiger am Ruder, doch am Ende kam selten ein überzeugender Film dabei heraus. Nun steuern die Filmemacher die 932. Ausgabe der Krimireihe kolossal vor die Wand: Während Odenthal im Minutentakt Plattitüden („Hinterher weiß man immer mehr!“) aus der Hüfte schießt, Gott und die Welt an wirren Albträumen teilhaben lässt und sich auf dem Pferdehof als Profilerin versucht („Menschen, die Pferde verletzen, sind meist psychisch gestört“), redet die nervtötende Fallanalytikerin Stern bei einer Präsentation plötzlich ohne jeden Zusammenhang von den Ohrenschmerzen ihrer Tochter und lässt einfach alles stehen und liegen. Kopper muss derweil Odenthals Auszug aus der gemeinsamen WG verkraften und findet Ablenkung bei überflüssigen Chat-Streitereien mit seiner neuen Flamme.

    Dass im Krimititel „Die Sonne stirbt wie ein Tier“ eine Zeile aus Konstantin Weckers „Liebeslied“ zitiert wird, ist indes kein Zufall: Winczewski und Göckeritz versuchen sich nebenbei nämlich noch an einer himmelschreiend absurden Liebesgeschichte zwischen dem psychisch labilen Einzelgänger Gerd und der naiven Pullover-Verkäuferin Paula, deren Kuscheltier der schüchterne Choleriker heimlich aus ihrer Wohnung entwendet. Das alles wird so atemberaubend unbeholfen aufbereitet, dass einem die Nebendarsteller nur leidtun können – allen voran Ben Münchow („Rock It!“), der als Gerd die mit Abstand undankbarste Rolle des Krimis stemmen muss. Spätestens wenn der aufbrausende Einzelgänger („Ich bade nicht so gerne, Wasser ist nass!“) zum dritten Mal die Hosen runterlässt oder beim Billardtisch-Flirt mit Dialektbombe Paula grundlos eine Schlägerei anzettelt, driftet der „Tatort“ hoffnungslos in die unfreiwillige Komik ab.

    So gut gemeint und aktuell ein Krimi über einen „Pferderipper“ auch sein mag (man denke an die jüngsten Vorfälle im Allgäu oder in Braunschweig), so hanebüchen ist die Umsetzung. Bevor die Filmemacher auf der Zielgeraden tatsächlich noch Pfälzer Privatpornos (!) in den Plot quetschen, harrt Kopper nachts stundenlang auf Baumästen aus, um im entscheidenden Augenblick einfach gar nichts zu tun und nach der Selbstjustiz einer eingerichteten Bürgerwehr pseudobetroffene Resümees zu ziehen („Sie waren wie die Tiere.“). Ansonsten wechseln sich die Kommissare, Augenzeugen und Verdächtigen einfach fleißig damit ab, herumzubrüllen, zu kreischen oder zu hyperventilieren und dadurch künstlich Dramatik zu schüren. „Ich bin Fallanalytikerin, ich bewerte nur die Wahrscheinlichkeiten“, skizziert Fallanalytikerin Johanna Stern ihren Job, um schon im nächsten Augenblick aus dem Bauch heraus zu handeln: Die Wahrscheinlichkeit, dass der von Folge zu Folge weniger tragbare „Tatort“ aus Ludwigshafen ebenfalls eingestellt wird, ist nach diesem indiskutablen Krimi sicherlich nicht gesunken.

    Fazit: Pferde! Plattitüden! Pornos! Patrick Winczewskis „Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier“ hat einfach alles – nur nichts, was auch nur ansatzweise überzeugt.

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