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    Tatort: Freddy tanzt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Freddy tanzt
    Von Lars-Christian Daniels

    Was haben derzeitig fast alle „Tatort“-Kommissare gemeinsam? Genau: Sie sind Singles. Denn abgesehen vom neuen Traumpaar Christian Ulmen und Nora Tschirner, das seit Ende 2013 in Weimar auf Täterfang geht, gibt es nur noch einen weiteren Kommissar, der sich nicht alleine durch sein Privatleben schlägt: Der Kölner Publikumsliebling Freddy Schenk (Dietmar Bär) ist glücklich verheiratet, Vater zweier Töchter und Großvater einer Enkeltochter. Schenks vermeintliche Familienidylle, in die die Fans der Krimireihe in den vergangenen Jahren kaum noch Einblicke erhielten, bekommt in Andreas Kleinerts „Tatort: Freddy tanzt“ allerdings kleine Risse: Der Hauptkommissar lässt sich von einer Kunstprofessorin den Kopf verdrehen, kümmert sich nach Feierabend bereitwillig um deren kleine Tochter und versetzt dafür seine wartende Ehefrau. Für echte Spannungsmomente bleibt da kaum Zeit und so ist „Freddy tanzt“ ein nur selten fesselnder Krimi.

    Am Rheinufer wird die Leiche von Daniel Gerber (Matthias Reichwald) gefunden. Der obdachlose Ex-Musiker wurde brutal zusammengeschlagen und erlag seinen inneren Verletzungen. Die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) finden heraus, dass sich der Tote als Pianist in einer Hotelbar beworben hatte. Bei einem Probe-Auftritt geriet das Opfer mit den drei feiernden Jung-Bankern Tobias Krenz (Volkram Zschiesche), Oliver Kern (Julian Weigend) und Jonas Stein (Hannes Wegener) aneinander. Aber sind diese auch für Gerbers Tod verantwortlich? Die Ermittlungen führen Ballauf und Schenk zu einem nahegelegenen Mietshaus, dessen Bewohner sich wenig auskunftsfreudig geben: Während Katja Petersen (Anna Stieblich) aus Angst vor ihrem Ex-Mann kaum noch die Wohnung verlässt, will Eishockey-Trainer Günther Baumgart (Robert Gallinowski) nichts vom nächtlichen Besuch Gerbers mitbekommen haben. Die Kunstprofessorin Claudia Denk (Ursina Lardi) und ihre kleine Tochter Lisa (Niobe Carolin Eckert) geben ebenfalls vor, den Toten nicht zu kennen – aber Schenk lässt nicht locker...

    Vor ein paar Monaten verließ Julia Bootz (Maja Schöne) ihren Mann, den Stuttgarter Hauptkommissar Sebastian Bootz (Felix Klare), Hals über Kopf für einen anderen. Auch die Beziehung der Dortmunder „Tatort“-Kollegen Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) liegt nach der Abtreibung eines gemeinsamen Kindes in Scherben. Liebesbande halten bei „Tatort“-Ermittlern selten lang. Freddy Schenk, das unerschütterliche Familienoberhaupt aus der Domstadt, hält seit jeher wacker dagegen: Zuletzt war es allenfalls seine umtriebige älteste Tochter Melanie, die dem glücklich liierten Hauptkommissar die eine oder andere schlaflose Nacht bescherte. Seine unbeholfenen Flirtversuche mit der attraktiven Claudia Denk (Ursina Lardi, „Lore“) kommen daher nun völlig unerwartet, und seine Zuneigung zu der Kunstprofessorin wirkt von Beginn an konstruiert. Das gilt auch für weitere Handlungsstränge: Denk ist ausgerechnet in der Bar verabredet, in der das Opfer in einen Streit gerät, und Gerbers Mutter Marita (Lina Wendel) wohnt rein zufällig seit 17 Jahren im selben Haus wie Ballauf, der ihr in diesem Zeitraum angeblich noch nie im Treppenhaus begegnet ist.

    Dass die drei jungen Banker, die nach dem hitzigen Prolog schon bald wieder von der Bildfläche verschwinden, zwar für die Schlägerei, aber nicht für den Mord verantwortlich sind, ist früh offensichtlich. Drehbuchautor Jürgen Werner, dem sein mutiges Konzept für den Dortmunder „Tatort“ eine Nominierung für den Grimme-Preis bescherte, macht den 934. „Tatort“ dennoch zu einem kniffligen Whodunit. Der Kreis der Verdächtigen beschränkt sich auf das Kölner Mietshaus, auf dessen Treppenstufen die Experten DNA-Spuren des Täters nachweisen können: In bester Agatha-Christie-Manier – man denke zum Beispiel an „Mord im Orient-Express“ – installiert Werner mitten in Köln einen reizvollen Mikrokosmos und hält die Täterfrage bis in die Schlussminuten offen. Der Film hat seine stärksten Momente entsprechend dann, wenn sich die Filmemacher Zeit für die Figuren nehmen und der Zuschauer miträtseln darf, welcher der unter Generalverdacht stehenden Hausbewohner wohl Dreck am Stecken hat. Auf der Zielgeraden werden die entscheidenden Hinweise auf den Tathergang dann aber leider viel zu abrupt aus dem Hut gezaubert.

    Echte Spannung kommt selten auf: Regisseur Andreas Kleinert („Monsoon Baby“) entscheidet sich für eine melancholische, fast gemächliche Gangart, und auch die netten perspektivischen Spielereien von Kameramann Johann Feindt („Titos Brille“) und die einleitenden „The Wolf Of Wall Street“-Anleihen vermögen den „Tatort“ nicht entscheidend aufzupeppen. „Das Zeug ist wie’n Tritt in den Arsch“ - so empfiehlt der eine Banker dem anderen die Einnahme von Aufputschpillen, doch in Fahrt kommt in der Folge weder der Kollege, noch der Film. Da passt es ins Bild, dass auch auf dem Kölner Polizeipräsidium der Kaffee ausgegangen ist und die beiden Kommissare mürrisch die Abstinenz des designierten neuen Assistenten Tobias Reiser (Patrick Abozen) beklagen. Letztlich ist „Freddy tanzt“ eher eine verträumte Großstadtballade als ein fesselnder Krimi, und doch wirkt die titelgebende Szene auf der Tanzfläche, in der sich der Kommissar bei einem nächtlichen Clubbesuch ganz der Musik hingibt, irgendwie befremdlich. Deutlich gelungener ist die amüsante Loriot-Hommage in der Wohnung des kauzigen Esoterik-Ehepaars Ursula (Gudrun Ritter) und Martin Koschwitz (Theo Pfeifer) – man hätte den beiden noch mehr Szenen gewünscht.

    Fazit: Miträtseln ja, Mitfiebern nein: Andreas Kleinerts „Tatort: Freddy tanzt“ ist eine mäßig spannende Mischung aus Krimi und Großstadtballade, in der das Publikum den flirtenden Kölner Hauptkommissar von einer neuen Seite erlebt.

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