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    The Boss
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Boss
    Von Andreas Staben

    Im Anschluss an ihre denkwürdige oscarnominierte Nebenrolle in Paul Feigs „Brautalarm“ ist Melissa McCarthy zu einer der führenden Komödiantinnen Hollywoods aufgestiegen und hat sich als einer der wenigen verbliebenen kassenträchtigen Kinostars etabliert. Offensiv setzt sie Körper und Mundwerk ein und erobert sich damit ein Humor-Terrain, das bisher männlichen Komikern wie Kevin James („Der Kaufhaus-Cop“) vorbehalten schien. Mit Feig hat sie das weibliche Buddy-Movie „Taffe Mädels“ an der Seite von Sandra Bullock sowie als vorläufigen Höhepunkt die köstliche Agentenfilmparodie „Spy – Susan Cooper undercover“ nachgelegt. Selbst die Komödien-Kuriosität „Tammy“ mit ihrem Mumblecore-Einschlag machte McCarthy zum Erfolg und nebenbei verhalf sie ihrem Ehemann Ben Falcone zum Regiedebüt. Nun lässt das Paar mit „The Boss“ die nächste gemeinsame Arbeit folgen und mit ihrer Hauptrolle als rücksichtslose Finanzjongleurin (eine Mischung aus dem Dickens-Griesgram Ebenezer Scrooge und dem gierigen „Wall Street“-Guru Gordon Gekko) nimmt McCarthy eine weitere Männerdomäne in Angriff. Sie besticht dabei einmal mehr mit hervorragendem Timing und spielerischer Unerschrockenheit, doch bei dieser ansonsten wenig überzeugenden Komödie sind weder das Drehbuch noch die Inszenierung auf der Höhe.

    Nach einer schwierigen Kindheit, die sie zu großen Teilen im Waisenhaus zubrachte, weil keine Pflegefamilie es längere Zeit mit ihr aushalten konnte, hat Michelle Darnell (Melissa McCarthy) sich geschworen, sich nie wieder auf andere zu verlassen und ist im Alleingang auf Platz 47 der reichsten Frauen Amerikas aufgestiegen. Mit ihrem Ratgeber „Geld ist der Hit, alles andere Shit“ landet die Investorin einen Bestseller, doch dann übertreibt sie es mit der Gier: Sie nutzt einen Insider-Tipp, um ihrem ärgsten Konkurrenten und Ex-Liebhaber Renault (Peter Dinklage) einen lukrativen Deal wegzuschnappen, woraufhin der sie bei der Börsenaufsicht anschwärzt. Michelle muss für fünf Monate ins Gefängnis und als sie aus der Haft entlassen wird, ist alles anders: Ihr gesamter Besitz wurde beschlagnahmt, die Konten sind eingefroren. Sie kann sich glücklich schätzen, dass ihre alleinerziehende ehemalige Assistentin Claire (Kristen Bell) sie bei sich aufnimmt. Aber Michelle lässt sich nicht unterkriegen und als sie von Claires selbstgebackenen Brownies kostet, hat sie gleich wieder eine vielversprechende Geschäftsidee...

    „Du bist ein Arschloch!“, sagt die niedliche kleine Rachel (Ella Anderson) zur bösen Tante Michelle und nachdem die Mutter das Mädchen erst noch ermahnt, auf seine Wortwahl zu achten, stimmt sie der Tochter schließlich doch zu: „Ja, du hast recht. Sie ist ein Arschloch.“ Diese kleine Szene ist typisch für den Humor in „The Boss“: Auf eine mehr oder weniger harmlose Ungezogenheit folgt eine fröhliche Steigerung des Unkorrekten. Wie bei der erwähnten derben Wortwahl einer Siebenjährigen wirkt das allerdings meist ziemlich bemüht und ist daher auch nur selten wirklich lustig – außer wenn Melissa McCarthy ihren komischen Energien freien Lauf lassen kann. Wenn sich Michelle über Claires dateuntauglichen Pullover mokiert und die Szene in einen mit frechen Sprüchen garnierten Busengrabschmarathon ausartet, dann ist das irre komisch, doch solche Momente haben Seltenheitswert. Beim ungenierten Hantieren mit einer Selbstbräunungscreme etwa glänzt der Star zwar mit der gewohnten Lust an der Grenzüberschreitung, aber die Inszenierung wirkt schon fast verklemmt - das angestrengte und unrhythmische Nicht-Zeigen steht nicht nur hier im Widerspruch zur vermeintlichen Gewagtheit der Gags.

    Es ist nicht provokant, sondern eher peinlich, wenn in einer zentralen Sequenz das Wort „Schwanzlutschen“ gleich dutzendfach zum Einsatz kommt, aber immerhin kann man auch hier eine gewisse Schmerzlosigkeit bewundern. Und die wiederum passt zu McCarthys grobschlächtiger Figur: Skrupellos benutzt die Familienhasserin selbst Schwache und Unschuldige für ihre Zwecke und zettelt etwa eine merkwürdig fiese Mädchen-Straßenschlacht zwischen Pfadfinderinnen an. Dass Michelle eiskalt ihren einstigen Geliebten um den Finger wickelt – wobei auch der körperliche Kontrast zu dem kleinen und schmalen Peter Dinklage („Game Of Thrones“) voll ausgespielt wird – ist noch eine nachvollziehbare, wenn auch nicht sonderlich amüsant ausgeführte Aneignung typischer Männerrollen. Aber dass ihr auf reiner Gier basierendes Geschäftsgebaren so gut wie gar nicht hinterfragt wird, ist bestenfalls erzählerische Schlampigkeit. Wenn Michelle auf ihre Gefängnisstrafe angesprochen wird und sie beteuert „Es war nur Wirtschaftskriminalität“, dann klingt das wie einer der wenigen Sätze, die in diesem Film ernst gemeint sein könnten. Jedenfalls ernster als die obligatorische finale Hinwendung zu den Familienwerten, die ohne die sensiblen Nebendarsteller Tyler Labine („Tucker & Dale vs. Evil“) und vor allem Kristen Bell („Veronica Mars“) vollends ins Unglaubwürdige abgeglitten wäre.

    Fazit: Melissa McCarthy ist immer wieder ziemlich lustig, aber auch sie kann dieses halbgare Komödienmischmasch nicht retten.

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