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    Unsere sonnigen Tage
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Unsere sonnigen Tage
    Von Gregor Torinus

    Schon lange ist die Avantgarde des Weltkinos überwiegend in Asien zu Hause, sei es bei Genrefilmen oder bei Arthouse-Experimenten. Wie man beide Pole auf meisterliche Weise zusammenbringt zeigte etwa der Chinese Yi’Nan Diao, der für sein Neo-Noir-Drama „Feuerwerk am helllichten Tage“ auf der 64. Berlinale 2014 hochverdient mit dem Goldenen Bären geehrt wurde. Atmosphärische Dichte, inszenatorische Prägnanz und viel Lokalkolorit zeichnen seinen Thriller aus, Ähnliche Qualitäten besitzt nun auch das vietnamesische Drama „Unsere sonnigen Tage“ (internationaler Titel: „Big Father, Small Father and Other Stories“) von Phan Dang Di, wobei bei diesem Mitfavoriten im Wettbewerb die Handlung noch stärker in den Hintergrund rückt, um den Blick auf die sorgfältig geschilderten Figuren und Orte freizugeben.

    „Unsere sonnigen Tage“ spielt in Saigon in den späten 90er Jahren. Der Fotografiestudent Vu (Le Cong Hoang) mietet ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft und erkundet mit seiner brandneuen Kamera die unterschiedlichen Menschen und Orte in der Gegend, von Thang (Truong The Vinh) einem jungen Mann, der sich bestens im schillernden Nachtleben der Stadt auskennt, ist er ganz besonders fasziniert...: Regisseur Phan Dang Di zeigt in seinen ruhig erzählten Szenen ein großes Gespür für Stimmungen (insbesondere auch beim Musikeinsatz) und für sprechende Bildkompositionen, sodass ganz unterschiedliche Schauplätze, soziale Strukturen und individuelle Beziehungen lebendig werden. Wenn sich junge Männer auf Dokumentenfälschung einlassen, um sich einer staatlich geförderten Vasektomie unterziehen zu können, die mit einer bescheidenen Prämie belohnt wird, dann spricht ihr verlegenes Warten im kalten Krankenhausflur ohne viel Worte Bände über ihre Lebensbedingungen in Vietnam.

    Geldsorgen und sozialer Druck, (verbotene) Liebe und unausgesprochene Sehnsüchte – das sind die Themen in den kontrastreichen Szenen zwischen Stadt und Natur, Tag und Nacht. Als Gangster einen der ihren überfallen, müssen die WG-Freunde in Vus Dorf im Mekong-Delta fliehen. Die wilde, urwüchsige Natur dieser Landschaft wird auf hochpoetische Weise eingefangen. So wie die Stadt mit ihrer ganzen Aktivität vor Energie sprüht, so strotzt die Natur vor purer Lebenskraft. Sattgrüne Pflanzen stehen dicht an dicht an Flussufern, hier wälzen sich die Freunde im Schlamm und haben dabei sogar Sex. Einmal schläft Vu in Fötushaltung ein: Dieses Bild wirkt wie eine Rückkehr in den Mutterschoß, in den Urschlamm der Mutter Natur.

    Fazit: Dieses hochatmosphärische vietnamesische Drama hat fast magische Qualitäten und zählt zu den stärksten Wettbewerbsbeiträgen auf der 65. Berlinale 2015.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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