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    Timm Thaler oder das verkaufte Lachen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Timm Thaler oder das verkaufte Lachen
    Von Jörg Brandes

    Mit Filmen wie „Halbe Treppe“, „Wolke 9“, „Halt auf freier Strecke“ und „Sommer vorm Balkon“ gilt Andreas Dresen als Spezialist für ein sehr realistisches Kino mit dokumentarischem Anstrich. In seiner gleichnamigen Verfilmung von James Krüss’ 1962 erschienenem Jugendbuch „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ dominiert dagegen ein für ihn völlig neuer Ton. Darauf lassen schon die das Geschehen einleitenden Worte schließen, mit denen sich Joachim Król aus dem Off als Sprecher für Märchen-Hörbücher empfiehlt. Außerdem verzichten Dresen und sein Drehbuchautor Alexander Adolph („Die Hochstapler“) darauf, die in den 1920er Jahren angesiedelte Geschichte des Romans in die Gegenwart zu transferieren. Zeitlich exakt verorten lässt sich die Filmhandlung gleichwohl nicht, was ihre fantastische Seite noch unterstreicht. Und die macht neben dem glänzend aufgelegten Ensemble mit vielen deutschen Stars den besonderen Reiz von Dresens „Timm Thaler“ aus.

    Der Halbwaise Timm Thaler (Arved Friese) lacht gern und viel, obwohl er mit seinem Vater Hans (Bjarne Mädel) in ärmlichen Verhältnissen lebt. Doch nach dessen Tod überfällt ihn eine tiefe Traurigkeit. Nun ist er mit seiner übellaunigen Stiefmutter Lydia (Steffi Kühnert) und deren missratenem Sohn Erwin (Emil von Schönfels) allein. Außerdem kann er sich nicht einmal einen Grabstein für seinen Vater leisten. Deshalb versucht er auf der Pferderennbahn sein Wettglück. Dort wanzt sich der durchtriebene Baron Lefuet (Justus von Dohnányi) an ihn ran. Er kennt Timms ansteckendes Lachen von früher und will es ihm abkaufen, um seine finsteren Geschäfte noch besser betreiben zu können. Schließlich lässt sich der Junge auf einen faustischen Pakt ein: Er tritt dem Baron sein Lachen ab und gewinnt fortan jede Wette, gerät aber schließlich immer mehr in den Bann seines diabolischen Vertragspartners. Das ruft seine Freundin Ida (Jule Hermann) und seinen Freund Kreschimir (Charly Hübner) auf den Plan, die Lefuet überlisten und Timm wieder zu seinem Lachen verhelfen wollen.

    Wie ihre Vorgänger bei der 13-teiligen ZDF-Serie mit Thomas Ohrner, die sich bei ihrer Erstausstrahlung 1979/80 eines Millionenpublikums erfreute, erlauben sich auch Andreas Dresen und Alexander Adolph etliche Freiheiten im Umgang mit der Vorlage. Sie behalten aber deren kapitalismuskritische Ausrichtung bei: Geld macht Timm nicht wieder glücklich. Hinzugefügte aktuelle Verweise wie die auf die profitablen Geschäfte des Barons mit Trinkwasser in Entwicklungsländern, mit Katastrophen und Glaubenskriegen wirken dagegen ein wenig aufgesetzt, sie werden aber immerhin mit Animationen für jüngere Zuschauer anschaulich erklärt. Und trotz solcher Exkurse verliert Dresen nie das Schicksal seines Titelhelden aus den Augen. Er lockert dessen im Kern dramatische Geschichte dabei mit etlichen Gags auf, über die man herzhaft lachen kann. Staunen wiederum lässt sich über das fantasievolle Produktionsdesign. Das meiste erinnert an den Look der 1920er Jahre, mitunter scheinen aber auch die 70er durch. Und im Zusammenhang mit dem bösen Baron spielt Dresen sogar ein wenig mit Nazi-Ästhetik.

    So verschwenderisch die Ausstattung, so lang ist die Liste deutscher Stars, die sich hier auch für kleine Rollen nicht zu schade waren. Die meisten von ihnen haben schon zuvor für Andreas Dresen vor der Kamera gestanden. Milan Peschel (hält eine Rede am Grab von Timms Vater), Harald Schmidt (Rennbahn-Sprecher) und die bereits erwähnte Steffi Kühnert etwa in „Halt auf freier Strecke“, die als Hotel-Hausdame und Schwarm des Barkeepers Kreschimir in Erscheinung tretende Nadja Uhl in „Sommer vorm Balkon“. Mehr Leinwandzeit ist Axel Prahl („Halbe Treppe“) und Andreas Schmidt („Sommer vorm Balkon“) vergönnt, die als etwas ungeschickte (und mitunter von ihrem Chef in Ratten verwandelte) Handlanger des Barons den meisten Spaß in die Bude bringen. Dabei reüssiert der dürre Schmidt sogar in einem Frauen-Part. Die größte Spielfreude zeigt freilich Justus von Dohnányi („Männerherzen“), der neu in Dresens Kino-Kosmos ist. Als Baron Lefuet, auf dessen teuflische Natur schon der Name hinweist, ist er ein grandios hinterfotziger Schurke (und setzt Horst Franks legendärer TV-Version eine eigenständige Lesart entgegen). Der junge Hauptdarsteller Arved Friese („Der Nanny“) bleibt da ihm Vergleich fast schon naturgemäß etwas blass, macht aber die Gefühlslage des Titelhelden jederzeit deutlich. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass er auch eine kurze Begegnung mit seinem Timm-Thaler-Vorgänger Thomas Ohrner hat, der hier in einer Gastrolle als Hotel-Concierge zu sehen ist.

    Fazit: Sozialrealismus-Spezialist Andreas Dresen beweist mit seiner fantasievollen Neuverfilmung von James Krüss’ „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“, dass er auch in Sachen Familienunterhaltung einiges drauf hat.

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