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    Tatort: Dicker als Wasser
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tatort: Dicker als Wasser
    Von Lars-Christian Daniels

    Drei verschiedene Aushilfskräfte durften sich in den vergangenen Monaten um die Nachfolge der im Kölner „Tatort: Franziska“ spektakulär ums Leben gekommenen Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) bewerben: Zunächst stellte der WDR seinen altgedienten Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) im „Tatort: Der Fall Reinhardt“ die Sportskanone Tobias Reisser (Patrick Abozen) zur Seite. Im „Tatort: Ohnmacht“ griff ihnen dann die quirlige IT-Fachfrau Miriam Häslich (Lucie Heinze) unter die Arme, und im „Tatort: Wahre Liebe“ versuchte sich schließlich die nachnamenlose Aushilfsassistentin Gabi (Kathie Angerer) im Polizeipräsidium. Bevor letztere ihren einmaligen Dienst antrat, hatte der Sender sich allerdings schon für ihren Konkurrenten als Nachfolger entschieden: Tobias Reisser ist in Kaspar Heidelbachs spannendem „Tatort: Dicker als Wasser“ zum zweiten Mal mit von der Partie und zählt ab sofort dauerhaft zum Kölner Team. Und es gibt ein weiteres Wiedersehen mit einem alten Bekannten: Charakterkopf Armin Rohde („Nachtschicht“) mimt schon zum zweiten Mal im Jahr 2015 einen „Tatort“-Bösewicht. Nicht nur seine glänzende Darbietung ist das Einschalten wert.

    Der junge Szenewirt Oliver Mohren wird vor seiner eigenen Kneipe – dem beliebten „Sax Club“ in Köln – tot aufgefunden. Die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) befragen zuerst die Freundin des Toten: Laura Albertz (Alice Dwyer) hat die Leiche gefunden und verwickelt sich bei den Befragungen in Widersprüche. Ein erster Verdachtsmoment ergibt sich gegen Erik Trimborn (Ludwig Trepte): Er war mit Oliver befreundet, bevor dieser ihm Laura ausgespannt hatte – und nun sind Erik und Laura wieder ein Paar. Ist der junge Mann für die Tat verantwortlich? Jürgen Mohren (Jochen Nickel), der Vater des Toten, traut ihm die Tat nicht zu. Deutlich größere Gefahr scheint von Eriks Vater Ralf Trimborn (Armin Rohde) auszugehen, der vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen wurde. Doch Ballauf und Schenk, die bei den Ermittlungen von ihrem neuen Assistenten Tobias Reisser (Patrick Abozen) unterstützt werden, beißen bei ihm auf Granit: Trimborn lässt die Kommissare bei den Befragungen regelmäßig abblitzen. Grund genug für Schenk, sich über die Dienstvorschriften hinwegzusetzen und einen Alleingang zu starten...

    Wenn du für sowas Elfmeter gibst, dann musst du in jedem Spiel hunderte pfeifen!“ – Sätze wie diese hört man nach Fußballspielen immer wieder und im 944. „Tatort“ gibt es eine vergleichbare Situation zu beobachten: Der mit allen Wassern gewaschene Freddy Schenk nimmt es mit den Vorschriften mal wieder nicht so genau und will die notwendige richterliche Genehmigung einfach nachträglich anfordern – ein Vorgang, wie er fast jeden Sonntag im „Tatort“ zu beobachten ist. Doch was tut Ballauf? Statt seinem langjährigen Kollegen und Freund zur Seite zu stehen, droht er ihm plötzlich mit der Dienstaufsicht. Nanu? Schenk reagiert genauso verdutzt, wie es so mancher Zuschauer tun dürfte: Die Paragraphenreiterei seines Kollegen und der daraus resultierende Konflikt zwischen den beiden Kommissaren wirkt nicht nur in dieser Szene ziemlich aufgesetzt. Auch die Ursache für Schenks vermeintliche Eskapaden – eine missglückte Festnahme zweier Jugendlicher in der ersten Filmszene – ist nicht überzeugend. Das sind dann aber erfreulicherweise auch die einzigen Schwächen des Krimis.

    Das neue Ermittlertrio harmoniert nach kleineren Anlaufschwierigkeiten prima: Franziskas Nachfolger Tobias Reisser nimmt Schenk gleich mal kumpelhaft in den Würgegriff und schaltet sich aktiv ins Geschehen ein, statt wie seine Vorgängerin nur auf Assistenztätigkeiten reduziert zu werden. Bei den Ermittlungen gegen den aufbrausenden Ex-Knacki Ralf Trimborn können die Kölner Hauptkommissare Unterstützung auch gut gebrauchen: Ein ums andere Mal beißen sich Ballauf und Schenk die Zähne an Trimborn aus, der das Geld aus der Lebensversicherung seiner verstorbenen Frau verprasst hat und ausstehende Zahlungen von Kunden seines Sohnes schon mal persönlich mit einem Holzhammer eintreibt. Nach seinem tollen Auftritt im „Tatort: Das Haus am Ende der Straße“, in dem sich Armin Rohde ein packendes Psychoduell mit Joachim Król lieferte, ist er auch diesmal wieder voll in seinem Element. Rohde, der schon 1991 im „Tatort: Der Fall Schimanski“ den letzten Gegenspieler von Horst Schimanski (Götz George) mimte, trägt den Krimi mit seiner charismatischen Performance fast im Alleingang – es macht einfach unheimlich Laune, ihm bei seiner One-Man-Show zuzusehen.

    Drehbuchautor Norbert Ehry („Momentversagen“) kombiniert die Überwachung des vorbestraften Tyranns gekonnt mit Motiven eines emotional aufgeladenen Vater-Sohn-Dramas, dessen Ursachen weit in der Vergangenheit liegen, wobei schon bald ein Jahre zurückliegendes Verbrechen zutage gefördert wird. Auch Ludwig Trepte („Unsere Mütter, unsere Väter“) als hin- und hergerissener Sprössling Erik und Alice Dwyer („Winnetous Sohn“) als besorgte Freundin Laura liefern bei den wiederkehrenden Auseinandersetzungen im Hause Trimborn eine überzeugende Leistung ab. Weil der rabiate Vater außer seinem Sohn nichts mehr zu verlieren hat, regelmäßig handgreiflich wird und noch einen letzten großen Coup starten will, wird er für Ballauf und Schenk zu einer tickenden Zeitbombe – daher tut auch die von Beginn an offensichtliche Auflösung der Täterfrage dem hohen Unterhaltungswert des Krimidramas keinen Abbruch. Und „007“-Kenner wissen ohnehin spätestens seit dem Auftritt von KGB-Killer Red Grant (Robert Shaw) in „James Bond 007: Liebesgrüße aus Moskau“: Wer teuren Rotwein zum Fisch trinkt, hat garantiert etwas auf dem Kerbholz.

    Fazit: Kaspar Heidelbachs „Tatort: Dicker als Wasser“ ist ein spannender Krimi mit kleinen Schönheitsfehlern und einem überragenden Armin Rohde als Bösewicht.

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