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    Zazy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Zazy
    Von Lars-Christian Daniels

    Für Jungschauspielerin Ruby O. Fee („Verrückt nach Fixi“) läuft es momentan wie geschmiert: Auf der Leinwand war die Wahlberlinerin zuletzt unter anderem in Vivian Naefes Geschlechterkomödie „Seitenwechsel“ und in Till Müller-Edenborns Familiendrama „Rockabilly Requiem“ zu sehen, und im Fernsehen meisterte sie im Frühjahr 2016 die Hauptrolle in Roland Suso Richters Historiendrama „Das Geheimnis der Hebamme“. Auch in der öffentlich-rechtlichen Krimireihe „Tatort“ machte Fee schon mehrfach auf sich aufmerksam: 2013 brachte sie die Stuttgarter Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) im „Tatort: Happy Birthday, Sarah“ als bockiger Teenager zur Verzweiflung, und im Kölner „Tatort: Kartenhaus“ sorgte Fee 2016 als durchtriebene Gangster-Göre für Furore. In Matthias X. Obergs solidem Thrillerdrama „Zazy“ steht die Nachwuchsschauspielerin nun erneut im Mittelpunkt: Fee glänzt in der anspruchsvollen Hauptrolle als eiskalte und verführerische Erpresserin, die alle Hüllen fallen lässt, um dem Traum von einer steilen Fernsehkarriere ein Stückchen näher zu kommen.

    Die junge Suzanna Bukowski (Ruby O. Fee), die sich von allen nur „Zazy“ nennen lässt, absolviert in einem idyllischen Örtchen am Gardasee eine Ausbildung zur Maßschneiderin. Ihr italienischer Chef Patrizio (Claudio Caiolo) darf in seinem exklusiven Geschäft zwar regelmäßig die High Society begrüßen, doch wirklich glücklich ist Zazy in ihrem Job nicht. Sie würde ihre Ausbildung am liebsten hinschmeißen, denn sie träumt von einer Karriere als Fernsehmoderatorin. Die Chance dazu bietet sich schneller, als sie für möglich gehalten hätte: Eines Tages betritt Marianna (Petra Hultgren), die Ehefrau des bekannten deutschen TV-Entertainers Maximilian Berg (Philippe Brenninkmeyer), die Schneiderei und möchte ein Kleid kaufen. Als Patrizio am Tag darauf nicht mehr zur Arbeit kommt, findet Zazy heraus, dass er einen Ausflug mit seiner prominenten Kundin unternommen hat und dabei offenbar tödlich verunglückt ist. Die junge Schneiderin hat nun ein Druckmittel gegen Marianna in der Hand, die mit Blick auf die Klatschpresse jedes Aufsehen vermeiden will. Für ihr Schweigen fordert Zazy, dass Marianna ihr den Weg in die TV-Branche ebnet. Und Zazys Freund, der Gelegenheitsjobber Tomek (Paul Boche), verleiht ihren Forderungen schon bald Nachdruck...

    Regisseur und Drehbuchautor Matthias X. Oberg („Stratosphere Girl“) erzählt in „Zazy“ die Geschichte einer lupenreinen Erpressung, bei der die Rollen von Beginn an klar verteilt sind: Da sind auf der einen Seite das opportunistische Biest Zazy, das für seinen Traum von der TV-Karriere („Irgendwas beim Fernsehen wär geil!“) sogar seine eigene Großmutter verkaufen würde, und ihr unberechenbarer Freund Tomek, der gerade erst von den Drogen losgekommen ist und schnell handgreiflich wird, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Auf der Opferseite befindet sich die bedauernswerte Marianna, die sich hinter dem Rücken ihres Mannes zu einem Flirt und Ausflug mit dem italienischen Charmeur Patrizio hat hinreißen lassen und die immer dreisteren Forderungen des jungen Erpresserduos – erst ein Aushilfsjob, dann ein Dach über dem Kopf und irgendwann gar eine Luxuswohnung samt teurem Interieur – wohl oder übel erfüllen muss, wenn sie nicht auffliegen will. Dass dieser zentrale Konflikt früher oder später eskalieren muss, ist zwar von Beginn an abzusehen, doch trotz der geradlinigen Handlung und dem Ausbleiben nennenswerter Überraschungen ist „Zazy“ unter dem Strich eine unterhaltsame Angelegenheit.

    Das liegt vor allem an einigen gelungenen Spannungsmomenten und an der herausragenden Hauptdarstellerin: Ruby O. Fee drückt dem Film eindrucksvoll ihren Stempel auf und brilliert als durchtriebene Erpresserin, die für die Erfüllung ihrer Träume buchstäblich über Leichen geht. Figurbetont sind nicht nur die maßgeschneiderten Kleider, die Zazy zu Beginn des Films anfertigt, sondern auch die Bilder von Kameramann Ralf Mendle („God Of Happiness“): Fee ist ein halbes Dutzend Mal in Unterwäsche oder mit blankem Busen zu sehen, hat vor der Kamera hemmungslosen Sex und stolziert sogar nackt in den Swimmingpool von TV-Moderator Berg, den sie nach allen Regeln der Kunst um den Finger zu wickeln versucht. Die Jungschauspielerin zeigt in diesem Katz-und-Maus-Spiel, dass in seiner Sinnlichkeit ein wenig an François Ozons „Swimming Pool“ erinnert, deutlich mehr als nur vollen Körpereinsatz: Sie glänzt mit facettenreichem Spiel und präsentiert eine unwiderstehliche Mischung aus verführerischer Lolita, unschuldigem Teenager und eiskaltem Biest.

    Im Schlussdrittel spielt sich dann auch ihr Leinwandpartner – übrigens eines der meistgebuchten Männermodels der Welt – in den Vordergrund: Blondschopf Paul Boche („Allein gegen die Zeit – Der Film“) mimt mit dem cholerischen Tomek eine fleischgewordene tickende Zeitbombe, die früher oder später explodieren muss. Spätestens als der eifersüchtige Tagelöhner in die Endrunde eines TV-Castings platzt, schaukeln sich die unterschwellige Unzufriedenheit zum offenen Konflikt mit seiner ehrgeizigen Freundin hoch. An emotionalen Reizpunkten mangelt es dem Thrillerdrama also nicht, doch birgt das Drehbuch einige Schönheitsfehler: So werden das Haifischbecken Fernsehbranche und die Verantwortlichen hinter den Kulissen recht klischeehaft skizziert, nicht nur der stets perfekt frisierte TV-Moderator Berg tut immer genau das, was man von solchen Figuren erwartet. Und dass hier tatsächlich suggeriert wird, junge Menschen könnten heutzutage nur etwas erreichen, wenn sie sich möglichst selbstsüchtig und rücksichtslos verhalten (und die handwerkliche Ausbildung hinschmeißen), gibt dem Ganzen einen fragwürdigen Beigeschmack.   

    Fazit: Matthias X. Obergs „Zazy“ ist ein unterhaltsames und überzeugend besetztes Thrillerdrama mit kleinen Drehbuchschwächen und zweifelhaften Untertönen.

    Wir haben „Zazy“ im Rahmen des Filmfest Hamburg gesehen.

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