Das Holocaust-Drama „Son of Saul“ hat 2016 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhalten. Regisseur ist der Ungar László Nemes.
Ein Teil der Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau wird für die Verbrennung getöteter Juden eingeteilt, so auch der ungarische Jude Saul Ausländer (Géza Röhrig). Als er einen kleinen Jungen unter den Opfern findet, möchte Saul ihm heimlich ein Beerdigungsritual nach jüdischem Glauben ermöglichen. Zur gleichen Zeit wird von anderen Gefangenen ein Ausbruch geplant.
Nemes konzentriert sich auf Saul in besonderer Weise. Das Bildformat von ungefähr 4:3 gewährt kaum einen Blick nach rechts und links. Der hauptsächlich durch Kurzfilme sehr erfahrene Kameramann Mátyás Erdély lässt den Kopf des Ungarn kaum aus den Augen. Das ist ähnlich dem Drama „Mommy“ von Xavier Dolan, das mit einem quadratischen Bildformat aufwartet. Doch der ungarische Regisseur hat sich herausgenommen, diesen Aufnahmen erhebliche Intensität zu verleihen. Die Tiefenschärfe lässt Entfernteres leicht verschwommen erscheinen, den Hintergrund mit Leichenbergen, engen Räumen und Gängen im düsteren Grau. Die wenigen Kameraeinstellungen, die davon abweichen, sind für das Kinopublikum beinahe überraschend. Aber auch erleichternd, denn es ist anstrengend, der Kamera zu folgen. Stoisch schaut und reagiert Saul auf das, was seinen Augen, seiner Psyche vorgesetzt wird. So führt er stets denselben versteinerten Gesichtsausdruck bis ihm kurz vor Ende der 107 Minuten Spielzeit ein kurzes Lächeln entlockt wird. So opfert Nemes seiner künstlerischen Freiheit einen kleinen Teil der Authentizität, die jedoch an sich mehr als ausreichend Wirkungsstärke entfaltet. Mit viel Hingabe achtet er nicht nur auf grausige Details, sondern auch auf die Hierarchie unter den Gefangenen und die Verwendung verschiedener Sprachen (hier: Deutsch, Jiddisch und Ungarisch) mitsamt der damit verbundenen Barrieren.
Die fiktive Story ist nicht sehr umfangreich. Umso mehr gelingt es dem Filmemacher mit der Visualisierung eingebauter Hindernisse und Wendungen zu verdeutlichen, dass für Saul die ordentliche Beerdigung des getöteten Jungen seinem Leben im Elend des KZ einen letzten Sinn gibt.
„Son of Saul“ ist ein eindringlicher Film mit einer ausgefallen Erzählweise.