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    The Foreigner
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Foreigner
    Von Björn Becher

    Wenn Jackie Chan in einer westlichen Produktion auftritt, dann sind meist vor allem die Comedy- und Akrobatik-Skills des Actionstars gefragt (wie etwa in der „Rush Hour“-Reihe). In seiner Heimat China profiliert sich der 2016 mit einem Ehrenoscar dekorierte Weltstar dagegen immer wieder auch in ernsten Rollen – wenngleich selbst in den harten „Police Story“-Filmen Platz für ein paar Humoreinlagen bleibt. Seit dem starken Immigranten-Drama „Stadt der Gewalt“ von 2009 haben wir Chan aber nie mehr so ernst gesehen wie jetzt in der chinesisch-amerikanisch-britischen Co-Produktion „The Foreigner“. Der auf Stephen Leathers Roman „Der Chinese“ basierende Rache-Thriller von James-Bond-Regisseur Martin Campbell ist über weite Strecken so düster-dreckig, dass man sich fast schon ein paar zusätzliche auflockernde Momente wünscht. Aber letztlich braucht es die gar nicht, denn Jackie Chan, der in „The Foreigner“ als Mischung aus MacGyver und John Rambo zum Duell mit Pierce Brosnan antritt, ist so gut wie schon lange nicht mehr.

    Der alleinerziehende und überfürsorgliche Vater Quan (Jackie Chan) will seiner Tochter Fan (Katie Leung) gerade ein Kleid für ihren Abschlussball kaufen, als vor dem Londoner Laden eine in einem Motorrad versteckte Bombe hochgeht. Fan stirbt, Quan überlebt nur deswegen, weil er noch auf Parkplatzsuche war. Eine neue Abspaltung der eigentlich seit langer Zeit inaktiven Terrororganisation, die für ein unabhängiges Nordirland kämpft, bekennt sich zu der Tat. Als die Polizei mit ihren Ermittlungen nicht vorankommt, gibt der rachedurstige Quan sein Restaurant auf und reist nach Belfast. Dort konfrontiert er Liam Hennessy (Pierce Brosnan), den langjährigen UDI-Anführer. Der trauernde Vater glaubt, der hochrangige Politiker kennt die Täter. Als dieser ihn abwimmelt, verleiht Quan seiner Forderung nach Namen mit einer kleinen „Warnbombe“ Nachdruck. Doch das sorgt dafür, dass Hennessy zurückschlägt und auf die Gefahr für seine Familie und sich reagiert, indem er „dem Chinesen“ seine Männer auf den Leib hetzt…

    Als Stephen Leather Anfang der 1990er Jahre seinen Roman schrieb, war der Terror durch die vielen Splittergruppen der IRA noch immer ungemein präsent, vom Karfreitagsabkommen war man noch viele Jahre entfernt. Martin Campbell und Drehbuchautor David Marconi („Der Staatsfeind Nr. 1“) benennen die IRA kurzerhand in UDI um und verlegen die Geschehnisse in die Gegenwart - und damit in eine Zeit, in der durch den (im Film nicht konkret erwähnten) Brexit die Nordirland-Frage wieder zum brennenden Thema werden könnte. Zudem aktualisieren die Filmemacher die von Pierce Brosnan gespielte Figur Liam Hennessy, die hier nun sicher nicht zufällig an den bekannten und umstrittenen irischen Politiker Gerry Adams erinnert. Gegenüber der Vorlage wird auch die ausführliche Hintergrundgeschichte von Jackie Chans Quan auf wenige Andeutungen reduziert. Man erfährt zwar nach und nach, wie er zum alleinerziehenden Vater wurde, wie viel Schmerz dieser Mann bereits vor dem Terroranschlag erlitten hat und warum ihn der Tod von Fan besonders hart trifft. All dies geschieht aber beiläufig und lenkt nicht vom eigentlichen Fokus des Thrillers ab.

    Im Mittelpunkt steht nämlich das Duell zwischen Jackie Chan und Pierce Brosnan, wobei schnell klar wird, dass der Politiker zwar seine Frau betrügt und viel Dreck am Stecken hat, aber mit dem Anschlag nichts zu tun hat und auch die Drahtzieher nicht kennt. Vielmehr setzt er selbst alles daran, herauszufinden, wer hinter der Bombe steckt: Ein solch brutales Vorgehen ohne Warnung und mit Todesopfern passt überhaupt nicht in seine eigenen Pläne. Mit breitem Akzent gibt der selbst in Irland geborene Brosnan, der schon bei seinem 007-Debüt „Goldeneye“ für Campbell vor der Kamera stand, den Machtmenschen, der glaubt, alles kontrollieren zu können: seine Frau, seine Geliebte, die alten Terrorkumpane und die Politiker in London. Es ist ein Genuss, zu sehen wie Brosnan dann – mal in Wutausbrücken, mal sehr subtil – das Porträt eines Mannes zeichnet, dem die Kontrolle schließlich immer stärker entgleitet. Letztlich ist dieser Hennessy eben kein klassischer Bösewicht, sondern ein in die Defensive geratener Machertyp, der sich förmlich gezwungen sieht, Jagd auf „den Chinesen“ zu machen.

    Das wahre Highlight von „The Foreigner“ ist aber Jackie Chan in der Rolle des Rächers Quan. Wortkarg, mit hängenden Schultern und traurig-verbitterter Miene schlurft er durch den Film, um nur für Momente zu explodieren. Die Flucht vor Hennessys Häschern aus seiner Unterkunft und ein Duell mit einem Killer im Wald sind Ausnahmesituationen, in denen Chans Akrobatik und Campbells nüchterner Stil perfekt in Einklang gebracht werden, daneben hält sich der Superstar aber mit seinen Kampfkünsten zurück. Sein Quan bastelt Bomben aus Supermarkteinkäufen und erinnert mit seiner wohlüberlegten Vorgehensweise an John Rambos Tage als Überlebenskämpfer im Wald bevor dieser in lauter Sequels zur stumpfen Killermaschine wurde. Auf den im Original schlicht „First Blood“ betitelten ersten „Rambo“-Film verweist Campbell in seinem ersten Spielfilm nach dem Flop von „Green Lantern“ (2011) gleich mehrfach.

    Ähnlich wie Ted Kotcheff in „Rambo“ hält sich auch Martin Campbell in „The Foreigner“ bei der Darstellung von Brutalität nicht zurück, was schon beim Terroranschlag zum Auftakt deutlich wird. Diese Schonungslosigkeit prägt den Thriller auch in der Folge und gibt ihm einen grimmig-realistischen Tonfall, der abgesehen von einigen winzigen auflockernden Momenten konsequent durchgehalten wird. Zudem tut die Konzentration und die Zuspitzung auf das zentrale Duell dem Film sehr gut, denn dadurch ist „The Foreigner“ die meiste Zeit ungemein spannend. Es gibt nur eine etwa längere Phase, in der er ein wenig durchhängt. In dieser Zeit wird Jackie Chans Quan buchstäblich im Wald vergessen und man wälzt stattdessen in aller Breite das Intrigenspiel um Hennessy aus. Es ist kein Zufall, dass dies der schwächste Teil des Films ist: Denn „The Foreigner“ ist dann am stärksten, wenn man sich auf Jackie Chan konzentriert…

    Fazit: Abgesehen von einer längeren Durststrecke in der Mitte des Films ist „The Foreigner“ ein sehenswerter Rachethriller mit einem starken Jackie Chan in einer seiner ernstesten Rollen.

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