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    Nichts passiert
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Nichts passiert
    Von Ulf Lepelmeier

    Beschwichtigende Worte sind beizeiten durchaus angebracht und hilfreich. In „Nichts passiert“ manövriert sich ein harmoniesüchtiger Familienvater mit seiner Verdrängungs- und Beruhigungstaktik allerdings schnurstracks in eine immer ausweglosere Situation. Das Sich-Verstricken in ein dichtmaschiges Lügennetz ist zwar auch ein beliebter Stoff für heitere Lustspiele, doch Micha Lewinsky schlägt mit seinem dritten Regiewerk eine andere Richtung ein: In seiner bitterbösen Tragikomödie „Nichts passiert“ treibt er ein perfides Spiel mit seinem Protagonisten, der sich die ungeheuerlichen Geschehnisse während eines Skiurlaubs mit der Familie permanent schönredet, jeder Verantwortung aus dem Weg geht und damit immer weiter ins moralische Abseits gleitet.

    Thomas (Devid Striesow) erhofft sich von dem geplanten Familienurlaub nicht weniger als einen Neuanfang, zur Verbesserung seiner Jobperspektiven lädt er  kurzerhand sogar Sarah (Annina Walt), die Tochter des Chefs, mit in die Schweizer Berge ein. Doch seine genervte Ehefrau Martina (Maren Eggert) und Tochter Jenny (Lotte Becker) sind von dem mitreisenden Mädchen nicht angetan. Trotz der schwierigen Vorzeichen begegnet Thomas jeder missmutigen Äußerung mit übertriebener Fröhlichkeit. Doch als er die beiden 15-Jährigen am ersten Urlaubsabend von einer Party im Tal abholen will, findet er eine verstörte Sarah vor, die ihm ein Geheimnis anvertraut, das eine Lügenlawine ins Rollen bringt ...

    Nach dem ebenso charmanten wie bewegenden „Der Freund“ sowie der romantischen Komödie „Die Standesbeamtin“ wandelt Regisseur und Drehbuchautor Micha Lewinsky in „Nichts passiert“ zwischen schräg-humorvollen Beziehungsszenen zum Schmunzeln und dramatischen Thrilleraugenblicken. Während das aufgesetzte Lächeln des Protagonisten zu Beginn noch belustigt, bekommen seine Beschwichtigungsversuche zusehends eine beklemmende Abgründigkeit. Umringt von einem überzeugenden Ensemble, aus dem die junge Annina Walt („Tatort: Zwischen zwei Welten“) als traumatisierte Jugendliche heraussticht, läuft Hauptdarsteller Devid Striesow („Ich bin dann mal weg“) zu Hochform auf. Hinter der Fassade des (zu) gut gelaunten Familienvaters lässt er dunkle Schatten erahnen und über allem steht die Frage, ob ihm das ständige Lächeln jemals vergehen wird. Mit den immer absurderen Situationen und Wendungen, die den bemühten Thomas schließlich weit aufs moralische Glatteis hinausführen, schießt Lewinsky zwar irgendwann übers Ziel hinaus, doch dieses Zuviel an Konstruiertheit tut der Spannung des verzwickten Lügenspiels keinen Abbruch.

    Fazit: In seiner spannenden Tragikomödie „Nichts passiert“ lässt Regisseur Micha Lewinsky seinen  Protagonisten, der es eigentlich nur allen recht machen will, ein schwindelerregendes und stets vom Einstürzen bedrohtes Lügengerüst errichten.

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