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    Mary Poppins' Rückkehr
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Mary Poppins' Rückkehr

    Zumindest Emily Blunt ist grandios

    Von Christoph Petersen

    Der Film „Saving Mr. Banks“ handelt von den zähen Verhandlungen, die der Studiomagnat Walt Disney (Tom Hanks) zu Beginn der 1960er Jahre mit der britischen Autorin P. L. Travers (Emma Thompson) führte, um die Filmrechte an ihrem 1934 erschienenen Bestseller „Mary Poppins“ zu erwerben. Travers sträubt sich zwar gegen die Idee, willigt dann wegen Geldproblemen aber trotzdem ein – und lässt sich am Ende bei der Weltpremiere von „Mary Poppins“ doch noch von dem Kino-Musical überzeugen. Nun muss man diese Zeichnung der Geschehnisse durchaus mit Vorsicht genießen, schließlich wurde „Saving Mr. Banks“ von Disney selbst finanziert und produziert. Aber man könnte es sich zumindest gut vorstellen, dass Travers am Ende so begeistert war. Schließlich ist der 1964er „Mary Poppins“ nicht von ungefähr ein Familienfilm-Klassiker – und fünf Oscars unter anderem für die Hauptdarstellerin Julie Andrews gab es noch obendrauf.

    Mit „Mary Poppins‘ Rückkehr“ von Musical-Spezialist Rob Marshall („Chicago“, „Nine“) sieht die Sache nun allerdings schon ein wenig anders aus. Bei der Story der 54 Jahre nach dem Original produzierten Fortsetzung könnte man sich nämlich sehr wohl vorstellen, dass sie P. L. Travers nicht nur nicht versöhnt, sondern regelrecht aus dem Kino getrieben hätte. Natürlich geht es bei einer „Mary Poppins“-Erzählung immer zuerst um die kleinen und großen bunten Abenteuer, die die Kinder (und manchmal auch die Erwachsenen) mit ihr erleben. Aber den Plot samt Moral von der Geschicht‘ hat Drehbuchautor David Magee („Wenn Träume fliegen lernen“) in diesem Fall – und man muss das so deutlich sagen – völlig vergeigt. Aber zum Glück gibt es da ja auch noch Emily Blunt, Lin-Manuel Miranda und eine wirklich gelungene Zeichentricksequenz auf der Oberfläche einer Porzellanschüssel.

    Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau steckt der dreifache alleinerziehende Vater Michael Banks (Ben Whishaw), der kleine Junge aus dem ersten „Mary Poppins“-Film, in schweren finanziellen Nöten. Es bleiben nur noch wenige Tage, um eine aufgenommene Schuld an die Bank von William Weatherall Wilkins (Colin Firth) zurückzuzahlen, ansonsten wird das Haus gepfändet. Die immer größer werdenden Sorgen bringen es auch mit sich, dass der sonst so fantasie- und spaßliebende Michael seine Kinder ausschimpft, sie mögen doch endlich Vernunft annehmen. Kein Wunder also, dass da während eines Sturms das magische Kindermädchen Mary Poppins (Emily Blunt) an einem alten Basteldrachen herangeschwebt kommt. Und wenn sie sagt, dass sie gekommen sei, um sich um die Banks-Kinder zu kümmern, dann meint sie damit weniger die buchstäblichen Kinder Anabel (Pixie Davies), John (Nathanael Saleh) und Georgie (Joel Dawson), sondern vielmehr Michael und seine ebenfalls längst erwachsene Schwester Jane (Emily Mortimer)...

    Mary Poppins ist schrecklich eitel und schnell beleidigt – und dennoch eine der beliebtesten Figuren der Literaturgeschichte. Das muss man erst mal hinkriegen – und das ist auch die zentrale Herausforderung, der sich jede Schauspielerin stellen muss, die in die Rolle der magischen Nanny schlüpft. Aber zumindest in dieser Hinsicht hat Disney nach Julie Andrews vor mehr als einem halben Jahrhundert nun erneut einen absoluten Volltreffer gelandet: Emily Blunt („A Quiet Place“) ist in der Titelrolle schlichtweg phänomenal – und wenn sie beleidigt oder genervt tut und dabei auf unvergleichliche Weise mit den Augen rollt, kann man endgültig nur noch dahinschmelzen. Es würde uns jedenfalls nicht wundern, wenn in der anstehenden Award Season zum zweiten Mal eine Schauspielerin für die ikonische Rolle für einen Oscar nominiert wird.

    Bei den Musicaleinlagen macht Blunt, die auch schon in „Into The Woods“ für „Mary Poppins‘ Rückkehr“-Regisseur Rob Marshall gesungen hat, ebenfalls eine sehr überzeugende Figur. Allerdings wird sie in diesen Szenen von ihrem Co-Star Lin-Manuel Miranda als Laternenanzünder Jack sogar noch übertroffen. Miranda, der für seine Arbeit an den Songs des Disney-Animationsfilms „Vaiana“ bereits für einen Oscar nominiert wurde, gilt seit seinem UNFASSBAR erfolgreichen Musical „Hamilton“ schließlich nicht von ungefähr als neuer Broadway-Gott. Vor allem seine Performance von „A Cover Is Not The Book“ inklusiver einer schnellsprechenden Rap-Einlage ist ganz besonders gelungen. Trotzdem sind die neuen Stücke insgesamt nur okay. Es fehlt den Musical-Passagen insgesamt an Energie und den Songs an einem gewissen Ohrwurmfaktor – zwei Qualitäten, die das 1964er-Original mit „A Spoonfull Of Sugar“ und „Chim-Chim-Cheree“ noch im absoluten Überfluss besaß. Und wenn dann die Melodie von „Supercalifragilisticexpialigetisch“ auf der Tonspur des neuen Films zumindest kurz angedeutet wird, schlagen die Herzen des Publikums bei diesen paar Noten plötzlich höher als bei all den neuen Songs zuvor.

    Neben den Songs sind es natürlich vor allem die fantastischen Abenteuer, auf die Mary Poppins ihre Schützlinge regelmäßig mitnimmt (und von denen sie hinterher stets mit erstaunlicher Entrüstung abstreitet, dass sie tatsächlich geschehen sind). Der erste Versuch in „Mary Poppins‘ Rückkehr“ fällt dabei allerdings wenig überzeugend aus. Denn wenn die Kinder und ihre Nanny in der Badewanne abtauchen und sich daraufhin plötzlich in einer bunten Unterwasserwelt wiederfinden, ist das aller CGI-Delphine zum Trotz nur wenig magisch – dafür gibt es inzwischen einfach zu viele (und eindrucksvollere) CGI-Gewitter, als dass diese Szenen noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken würden. Weitaus gelungener ist hingegen die zentrale Effekt-Sequenz, bei der sich Rob Marshall direkt auf den Vorgänger bezieht, der neben etwa „Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett“ zu einer Reihe von Disney-Filmen zählt, in denen Realfilm und Zeichentrickelemente miteinander kombiniert wurden. Mary Poppins, Jack und die Banks-Kinder springen dabei auf die bemalte Oberfläche einer antiken Porzellanschüssel – und landen so in einer Zeichentrickwelt. Die 15 klar stärksten Minuten des Films.

    Völlig in die Hose gegangen ist hingegen der Plot des Films. Wenn man nach dem Kinobesuch zurückdenkt, was man da eigentlich gerade gesehen hat, dann ließe sich die Geschichte ziemlich exakt so zusammenfassen: Eine Familie hat Geldprobleme, bis sie plötzlich ein altes Konto mit ganz viel Geld findet und deshalb keine Probleme mehr hat. Das war’s. Obwohl die ganze Zeit von Perspektivwechseln gesungen wird, geht es am Schluss doch nur um die – nicht mal selbstverdiente – Kohle. Ganz davon zu schweigen, dass sich der Film am Anfang eine gewisse Gravität aneignet, indem er die Schlangen vor den Suppenküchen während der Großen Depression zeigt und Jane als für Arbeiterrechte eintretende Gewerkschafterin vorstellt. Aber sobald dann die Familie Banks wieder reich ist, wird im Park mit bunten Ballons gefeiert und die Armen da unten sind plötzlich vollkommen vergessen. Das ist selbst für einen Medien-Superkonzern wie Disney unglaublich zynisch. Zumindest passt sich Colin Firth dem an: Der Oscarpreisträger (für „The King’s Speech“) wurde praktisch dafür geboren, um einen bösen britischen Banker zu spielen. Aber vielleicht ist seine Performance ja gerade deshalb so schrecklich uninspiriert und langweilig. Ein Glück also, dass er im Finale noch von einem ganz speziellen und ziemlich gut gelaunten Überraschungsgast abgelöst wird...

    Fazit: Wenn sich die „Supercalifragilisticexpialigetisch“-Magie einfach nicht im erhofften Maße einstellen will, dann kann selbst eine gewohnt grandiose Emily Blunt nur so viel daran ändern.

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