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    Paddington 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Paddington 2
    Von Björn Becher

    In Fortsetzungen wird manches Mal einfach noch einmal aufgewärmt, was im ersten Teil bereits gut funktionierte – nur mit mehr Geld und Aufwand. Auch bei „Paddington 2“ könnte man auf den ersten Blick glauben, dass die Macher genau dieses Rezept anwenden: Von der Auftaktrückblende in Paddingtons Kindheit über einen sich stilistisch deutlich vom Rest des Films abhebenden Einschub bis zur Besetzung eines Superstars, der nicht mehr ganz so im Fokus steht wie zu seiner größten Zeit, als völlig überdrehter Bösewicht, finden sich viele Parallelen zwischen den beiden Bären-Abenteuern. Doch Regisseur und Co-Drehbuchautor Paul King liefert mit dem Sequel zu „Paddington“ eben keine Kopie ab, sondern gibt all den bekannten Elementen einen neuen Dreh, baut auf den Stärken des Vorgängers auf und merzt die wenigen kleinen Schwächen des Originals weitgehend aus. Das Ergebnis ist ein höchst amüsantes, herzerwärmendes, bezauberndes und auch visuell enorm einfallsreiches Abenteuer für die ganze Familie.

    Längst hat sich Bär Paddington (Stimme im Original: Ben Whishaw / in der deutschen Fassung: Elyas M’Barek) in London und bei Familie Brown eingelebt. Er ist in (fast) der ganzen Nachbarschaft sehr beliebt. Weil der 100. Geburtstag seiner Tante Lucy (Stimme: Imelda Staunton) ansteht, will er ihr ein besonderes Geschenk nach Peru schicken. Seine Wahl fällt auf ein Pop-Up-Buch mit den schönsten Sehenswürdigkeiten Londons. Doch weil dies ein Unikat und deshalb viel zu teuer für ihn ist, muss der Bär sich Arbeit suchen. Doch ehe er das Geld beisammenhat, stiehlt der einst erfolgreiche Schauspieler Phoenix Buchanan (Hugh Grant) das Buch, hinter dem sich viel mehr verbirgt als es den Anschein hat. Doch es kommt noch schlimmer: Die Polizei glaubt, dass Paddington der Dieb ist und der Marmeladenbrotliebhaber landet im Gefängnis…

    Die bekannte Kinderfigur Paddington Bär mit ihrem roten Hut und dem dunkelblauen Dufflecoat ist bekannt für ihre Tollpatschigkeit und ihre Herzenswärme. Natürlich gibt es daher auch in „Paddington 2“ wieder einige Momente, in denen der Titelheld trotz aller guten Absichten unfreiwillig für reichlich Chaos sorgt. So löst er als Gehilfe im Friseursalon eine ebenso unglückliche wie spektakuläre Kettenreaktion aus, an deren Ende der einzige Kunde einen unschönen Kahlschlag auf dem Hinterkopf zu beklagen hat. Und später im Gefängnis bringt der unbedarfte Bär gleich eine ganze Armada von Häftlingen gegen sich auf. Diesen genüsslichen Ausflügen ins Absurde stehen die stillen Momente gegenüber und der sanfte Humor in der Interaktion zwischen den Figuren, den Paul King und sein Co-Autor Simon Farnaby („Mindhorn“) gegenüber dem ersten Teil sogar noch verfeinert und ausgebaut haben: Wenn es der kleine Bär schafft, das Herz eines besonders schroffen Sträflings zu erwärmen (brillant: Brendan Gleeson), wirkt das nicht im Mindesten kitschig oder aufgesetzt, sondern entwaffnend aufrichtig und wahrhaftig – der Titelheld mag eine (technisch überragend umgesetzte) computeranimierte Phantasiefigur sein, aber die Emotionen, die er zum Ausdruck bringt und bei anderen hervorruft, sind absolut echt.

    Die Browns haben Paddington inzwischen vollständig akzeptiert, daher steht die Familie diesmal nicht so sehr im Mittelpunkt der Handlung. Aber trotzdem bekommen alle Mitglieder ihre Momente und die Darsteller nutzen diese, um den Figuren zusätzliches Profil zu verleihen. Hugh Bonneville („Der Stern von Indien“) und Sally Hawkins („Shape Of Water“) erweisen sich einmal mehr als Idealbesetzung für das gegensätzliche Ehepaar Henry und Mary und glänzen hier insbesondere durch ihr verständiges Zusammenspiel in einer aufregenden Einbruchssequenz. Aus der durch und durch brillanten Nebendarstellerriege um die weiteren Rückkehrer Jim Broadbent („Cloud Atlas“) als gutmütiger Mr. Gruber und Peter Capaldi („Doctor Who“) als griesgrämiger Nachbarschaftswächter Mr. Curry sticht aber vor allem der Reihenneuling Hugh Grant heraus.

    Schon Vorgängerin Nicole Kidman spielte die Antagonistenrolle in ihren besten Szenen wunderbar überdreht, war als Cruella-De-Vil-Kopie aber insgesamt ein kleiner Schwachpunkt. Anders nun „Notting Hill“-Star Grant: Er gibt dem Affen durchweg so richtig Zucker und nimmt sich selbst und sein öffentliches Image dabei genüsslich aufs Korn. Als tief gefallener Schauspieler Phoenix Buchanan, der seinem einstigen Erfolg nachhängt, macht er sich nicht nur selbst etwas vor, sondern führt in immer neuen abgefahrenen Kostümierungen immer neue Schichten von absurder Eitelkeit und amüsantem Größenwahn vor. Bei ihm werden selbst die schizophrenen Selbstgespräche alleine vor dem Spiegel zum großen Auftritt. Die Figur hat dabei genug dunkle Seiten, um als boshafter Schurke durchzugehen, aber sein Phoenix hat immer auch etwas von einem törichten Narren und ist damit deutlich familiengerechter als es Nicole Kidmans Tierpräparatorin war, die den kleinen Paddington ausstopfen will, was die kleinsten Zuschauer doch verängstigen konnte.

    Die wenigen düsteren Elemente von „Paddington“ wurden für die Fortsetzung aufgehellt, aber das Tempo hat man nicht zurückgenommen: So ist das Sequel erneut eine rasante Achterbahnfahrt – bis hin zum mitreißenden Finale mit gleich mehreren rasenden Zügen. Doch nicht nur in den souverän inszenierten Actionsequenzen ist das Familienabenteuer ein wahrer Augenschmaus. Wunderbar lässt sich in den detailverliebten Dekors und Kulissen schwelgen, dabei eröffnen liebevolle Anspielungen und Hommagen für erwachsene Zuschauer oft noch einmal eine zusätzliche Ebene. So streut King gelegentlich alte Filmausschnitte ein und lässt in einer der schönsten Szenen des Films das Pop-Up-Buch von Londoner Sehenswürdigkeiten, das als McGuffin im Mittelpunkt der Handlung steht, auf der Leinwand Wirklichkeit werden: Wenn sich Paddington durch die Menschen und Gebäude auf den aufgeklappten Seiten bewegt, ist das großes 3D-Kino, das sich ganz ohne lästige Brille genießen lässt (auf eine 3D-Umwandlung selbst wurde wieder bewusst verzichtet). Ein nicht nur visueller Höhepunkt in einem von Anfang bis Ende in mehrfacher Hinsicht wunderschönen Film.

    Fazit: „Paddington 2“ ist einer der besten Familienfilme des Jahres – ein humorvolles, herzerwärmendes und visuell beeindruckendes Vergnügen für Jung und Alt.

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