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    Keep Watching
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Keep Watching
    Von Lutz Granert

    Es ist meist kein gutes Zeichen für die Qualität eines Films, wenn nach seiner Fertigstellung mehrere Jahre vergehen, bis er veröffentlicht wird. Die Produktion des Horrorthrillers „Keep Watching“, der ursprünglich den Titel „Home Invasion“ tragen sollte, war im Dezember 2014 abgeschlossen. Der Verleih Sony Screen Gems kündigte den US-Kinostart zunächst für den 2. Dezember 2016 an, ließ den Termin aber wieder fallen und zeigte ich schließlich nur an einem Tag, an Halloween 2017, in den US-Kinos und wertete ihn kurze Zeit später auf dem nordamerikanischen Heimkinomarkt aus. Das zeugt nicht gerade von großem Vertrauen in das Potenzial des von Sean Carter inszenierten Films. Und das ist angesichts des unausgegorenen Films, dessen Spiel mit extremen Kameraperspektiven zwar im Ansatz reizvoll ist, aber nicht konsequent durchgehalten wird, durchaus nachvollziehbar.

    Als Familie Mitchell aus dem Urlaub zurückkehrt, scheint trotz beunruhigender Nachrichten von Killern, die in Häuser einbrechen und die Qualen ihrer Opfer filmen und ins Internet übertragen, alles so zu sein wie immer. Die junge Jamie (Bella Thorne) vergräbt sich in ihrem Zimmer, streitet sich mit ihrem Bruder DJ (Chandler Riggs) und hegt einen Groll auf Stiefmutter Olivia (Natalie Martinez), die ihr Vater Adam (Ioan Gruffudd) nur wenige Monate nach dem Tod von Jamies Mutter geheiratet hat. Nachts schrecken die Vier von einem Geräusch hoch – und machen eine schreckliche Entdeckung: Maskierte Männer sind im Haus und filmen die Familie auf Schritt und Tritt wie in einer Reality TV-Show. Für Familie Mitchell beginnt ein Ringen auf Leben und Tod.

    Die Killer installieren im Haus der Mitchells in allen möglichen und unmöglichen Gegenständen kleine Kameras, mit denen sie ihre späteren Opfer ununterbrochen beobachten. Inspiriert von Found-Footage-Horror à la „Paranormal Activity“ werden die statischen Bilder der Überwachungskameras, die sich hier auch hinter dem Display einer Mikrowelle oder im Abfluss der Spüle befinden, erstaunlich stimmig montiert. Ergeben sich daraus einmal keine geeigneten Perspektiven – etwa wenn Jamie am Laptop sitzt und sich im Chat mit ihrem Freund Josh über ihre Stiefmutter aufregt –, dann greift Kameramann Sharone Meir („The Last House On The Left“) auf Point-of-View-Shots aus der subjektiven Sicht der jeweiligen Familienmitglieder zurück. Die Beschränkung auf diese Kombination aus extrem unpersönlichen Bildern und an den persönlichen Blick einer Figur gebundenen Aufnahmen ergibt einen größtmöglichen Kontrast und erweist sich dabei als ziemlich wirkungsvoll.

    Durch die originelle Ästhetik entsteht zunächst ein hohes Maß an suggestiver Spannung, doch leider wirft Regisseur Sean Carter, der zuvor als Regieassistent bei „Texas Chainsaw Massacre: The Beginning“ mitwirkte und hier seinen ersten Langfilm in eigener Verantwortung vorlegt, die selbst auferlegten Beschränkungen mit Beginn der eigentlichen „Home Invasion“ über Bord. Mit zunehmender Dauer von „Keep Watching“ gesellen sich immer mehr Einstellungen aus konventionellen Kameraperspektiven hinzu – und dadurch verliert der Film nicht nur einen großen Teil seiner Spannung, sondern wandelt sich immer mehr zu einem ganz und gar generischen Werk – zumal das Drehbuch sich als der wohl größte Schwachpunkt von „Keep Watching“ entpuppt.

    Die in ein paar Nachrichten- und Interviewfetzen halbherzig eingewobene Medienkritik und der ärgerliche Cliffhanger am Ende sind hier noch zwei der kleineren inhaltlichen Schwächen. Denn Drehbuchdebütant Joseph Dembner hat sich offenbar erst gar keine Mühe gegeben, den 08/15-Plot mit so etwas wie Logik aufzuwerten. Warum die Killer so einen Aufwand treiben, Hunderte von Kameras installieren und aus den gesammelten Informationen über Jamie gar eine Art gruselige Kunstinstallation basteln und im Wohnzimmer platzieren, bleibt unklar. Und dann taucht auch noch ein Verwandter wie aus dem Nichts auf, sucht einen Schlafplatz, kickert eine Runde mit DJ, will Jamie einen Joint andrehen und geht dann in den Hinterhof und folgt einem merkwürdigen Geräusch…

    Dieses eigenwillige Gastspiel ist hier nicht die einzige vollkommen willkürliche Wendung ohne jeden erzählerischen Mehrwert. Vielleicht hätte sich der Darsteller des Überraschungsgastes, der „Insidious“- und „Saw“-Drehbuchautor Leigh Whanell, lieber nochmal das Skript zu „Keep Watching“ vornehmen sollen, statt ein regelrechtes Schmierentheater abzuliefern. Auch die engagierte Performance von Teenie-Shootingstar Bella Thorne („Amityville: The Awakening“), die gerade in der ersten halben Stunde den nachdenklichen Teenager mit inneren Konflikten tatsächlich tiefsinnig und glaubwürdig spielt, kann den halbgaren Horrorthriller am Ende nicht mehr retten.

    Fazit: Eine zumindest in Ansätzen originelle Optik ist das Einzige, was den Horrorthriller „Keep Watching“ positiv von anderen Genrevertretern abhebt. Doch sie kann im Verlauf des Films immer weniger von den eklatanten inhaltlichen Schwächen ablenken.

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