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    Welcome To Norway
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Welcome To Norway
    Von Thomas Vorwerk

    Nach seinem Einstand auf dem internationalen Arthouse-Markt mit der Tragikomödie  „Nord“ 2009 wechselte der norwegische Regisseur und Dokumentarfilmspezialist Rune Denstad Langlo ein weiteres Mal das Register und schlug im Nachfolger „Chasing The Wind“ dramatische Töne an. Beide Spielfilme sind dabei allerdings gleichermaßen (auch emotional) unterkühlt, typisch skandinavisch sozusagen. Und auch die cineastischen Ahnen Langlos sind im Norden zu finden – von Aki Kaurismäki („Der Mann ohne Vergangenheit“) bis Ingmar Bergman („Persona“). Zu seinem neuen Film „Welcome to Norway“ wurde der Norweger nun von einer Nachrichten-Reportage über das Geschäft mit staatlich subventionierten Unterkünften für Flüchtlinge inspiriert. Und auch diesmal kehrt er nicht zu seinen Doku-Wurzeln zurück, sondern inszeniert den hochaktuellen Stoff als sehenswerte schwarze Komödie.

    Tausendsassa Primus (Anders Baasmo Christensen) ist mit seiner Geschäftsidee einer „Skimobil-Safari“ kläglich gescheitert ist, aber bei seiner neuesten Eingebung kann eigentlich fast nichts schiefgehen: Für die Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge zahlt der norwegische Staat hohe „Kopfprämien“, und so reaktiviert Primus sein brachliegendes, heruntergekommenes Hotel und nimmt eine Busladung neuen Kunden auf. Er empfängt seine hilfsbedürftigen Gäste allerdings mit einem burschikosen Befehlston, denn er hat über die Fremden eine geringe Meinung: Primus ist alles andere als ein Menschenfreund. Aber um die (geringen) Ansprüche und Vorgaben der Behörde erfüllen zu können (man kann nicht einfach ohne weiteres Angehörige verschiedener Religionen in ein Mehrbettzimmer pferchen), ist er auf die Hilfe des aus Eritrea stammenden, etwas vorlauten Abedi (Olivier Mukuta) angewiesen. Außerdem beginnt Primus eine Affäre mit der Sozialarbeiterin Line (Renate Reinsve), die über die Vergabe eines Darlehens bestimmt. Das führt wiederum zu nachvollziehbaren Unstimmigkeiten mit seiner Frau Hanni (Henrietta Steenstrup). Und seine spätpubertäre Tochter Oda (Nini Bakke Kristiansen) nimmt zu allem Überfluss die aus dem Libanon stammende Mona (Elisar Sayegh) im „Haupthaus“ der Familie auf…

    Das mitten im unwirtlichen Eis stehende heruntergekommene Hotel ist ein symbolträchtiger zentraler Schauplatz für Rune Denstad Langlos locker-episodisch erzählten Film. Schon wenn Primus in einer der ersten Einstellungen in einer Totalen, die den „gesamten Gebäudekomplex“ zeigt, einen Kühlschrank über den Schnee hievt, wird überdeutlich, dass es sich hier keinesfalls um eine Luxusherberge handelt, wie sie kurz darauf den Flüchtlingen in Aussicht gestellt wird. Hier fehlen manchmal gar die Türen zu den Zimmern, so dass man ein Baugerüst erklettern muss, um sie durchs Fenster betreten zu können. Von Kleinigkeiten wie Elektrizität oder einem für das staatliche Millionensponsoring verlangte WLAN-Netz ganz zu schweigen. Der  vermeintlich großzügige Gastgeber Primus denkt eben nur an sich - und das teilweise sehr kurzfristig. Nicht einmal an die politisch korrekten Bezeichnungen für seine Gäste mag er sich gewöhnen und verwendet unbeirrt das rückständige N-Wort.   

    Dieser Primus ist also alles andere als ein Sympathieträger, da hilft es enorm, dass sein Darsteller Anders Baasmo Christensen („Einer nach dem anderen“, „Kon-Tiki“) eine verknirscht-versteckte „innere“ Liebenswürdigkeit ausstrahlt – ähnlich wie die stets schimpfenden Louis de Funès, Gerhard Polt oder W.C. Fields. Das federt den recht harten schwarzen Humor des Films schon vor Einsetzen des unvermeidlichen Gesinnungswandels des Protagonisten etwas ab und gibt der Figur eine durchaus faszinierende Seite. Die größte Schwäche des Films hat dann auch gar nichts mit dem politischen Wespennest der Fremdenfeindlichkeit zu tun, sondern mit den Frauen im Umfeld von Primus. Diese Figuren sind allesamt arg unterentwickelt und haben teilweise nur eine Alibi-Funktion, außerdem beeinträchtigen einige arg ausgetretene Pointen wie etwa das gesundheitsschädliche „Büffet“ (Forellen von 1987!) das Vergnügen an diesem erstaunlich unverblümten Film: Nirgendwo anders könnte eine Busladung Schwarzer deplatzierter wirken als im schneebedeckten, ganz auf sich besonnenen, eher dörflichen als kleinstädtischen Norwegen.

    Fazit: Kurzweilige grobe Komödie zum nach wie vor brisanten Thema Flüchtlingspolitik.

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