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    Happy Family
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Happy Family
    Von Antje Wessels

    Animationsfilme sind ein fester Bestandteil des Kinoangebots und sie gehören oft zu den größten Hits (das weltweite Einspielergebnis von „Findet Dorie“ und „Zoomania“ wurde 2016 nur von „The First Avenger: Civil War“ übertroffen). Die großen globalen Trickfilmerfolge stammen allerdings fast alle aus Hollywood, die europäische und insbesondere die deutsche Konkurrenz kann mit Disney und Co. schon rein finanziell und damit letztlich auch technisch kaum mithalten. Dennoch stürzen sich auch hierzulande immer wieder Filmemacher in das durchaus riskante Abenteuer Animationsfilm und Holger Tappe ist einer der eifrigsten von ihnen: Nach den beiden „Urmel“-Filmen und „Konferenz der Tiere“ legt er nun mit „Happy Family“ einen weiteren Animationsfilm vor – und sein bislang bestes Werk. Nicht bloß die 3D-Computeranimationen sind in ihrem Detailreichtum äußerst schön anzusehen, auch erzählerisch punktet das Familienabenteuer mit Kreativität und Einfallsreichtum. Und als Bonus gibt es ein bisschen Gruselflair.

    Der Haussegen der Familie Wünschmann hängt dauerschief. Mutter Emma führt nicht bloß eine erfolglose Buchhandlung, sondern muss sich auch noch mit ihren beiden Kindern Fee und Max herumschlagen. Fee findet alles, was ihre Mutter macht, langweilig und ätzend. Ihr jüngerer Bruder Max wiederum ist zwar ein Genie, doch auf dem Schulhof wird er gemobbt. Auf die Hilfe ihres Mannes Frank kann Emma derweil auch nicht bauen – ist dieser doch mehr im Büro als zuhause bei seiner Familie. Aus dieser permanenten Familienkrise zieht die böse Zauberin Baba Yaga ihre Kraft und verwandelt die Wünschmanns in Monster: Emma wird zu einem Vampir, Fee zu einer Mumie, Max zum Werwolf und Frank mutiert zu einem Untoten. Um sich zurückzuverwandeln, müssen die Wünschmanns einfach nur wieder glücklich sein, doch einer hat etwas gegen dieses Vorhaben: Graf Dracula (deutsche Stimme: Hape Kerkeling) höchstpersönlich hat sich unsterblich in Emma verliebt und hofft darauf, in der Vampirin endlich jemanden zu finden, der seine Einsamkeit teilt…

    David Safier („Mieses Karma“) gehört zu den erfolgreichsten Buchautoren Deutschlands und schrieb „Happy Family“ 2012. Das Besondere daran: Während sich der Film klar an ein jüngeres Publikum richtet, ist die Vorlage gar nicht so kindertauglich. Im Zentrum steht eine unglückliche Familie, die aufgrund diverser Differenzen immer mehr zu zerbrechen droht: Die Ehe von Emma und Frank steht kurz vor dem Aus und die Mutter und ihre pubertierende Tochter Fee liefern sich immer wieder heftige verbale Auseinandersetzungen. In ihrem knalligen Abenteuerfilm reduzieren Holger Tappe und seine Co-Autorin Catharina Junk („Die dunkle Seite des Mondes“) diese handfesten Scharmützel nun auf familientaugliche Fehden, versetzen sie mit allerlei Slapstick (wobei die in Stresssituationen von Frank abgegebenen Ausdünstungen auf die Dauer die Nerven des Publikums strapazieren) und nehmen der Situation somit den dramatischen Stachel. Hier dürfen wir über die Dauerkrise und die Verwandlung in Monster durchaus schmunzeln, ohne dass die traurige, fast tragische Seite des Ganzen vollständig unter den Tisch fällt. Denn schließlich kann Baba Yaga den Verwandlungszauber nur aussprechen, wenn die zu verfluchende Familie auch wirklich unglücklich ist.

    Nach dem Monsterfluch wird aus „Happy Family“ dennoch vor allem ein amüsantes Abenteuer, das die Wünschmanns um den halben und Baba Yaga sogar um den gesamten Globus führt. Bei dem Versuch, sich wieder zurück in ihre Heimat London zu beamen, landet diese nämlich überall, aber nicht an ihrem Zielort. Das sorgt für Spaß und für Abwechslung, denn bei den verschiedenen Schauplätzen - von der ägyptischen Wüste bis zu den Kanälen Venedigs – können sich die Animatoren visuell so richtig austoben. Nicht ganz so überzeugend wie die Gestaltung der weltweiten Sehenswürdigkeiten und des schaurigen Vampirschlosses mit seinen winzigen Fledermäusen als niedlichen Sidekicks gerät dagegen der Subplot rund um den liebeskranken Graf Dracula. Dieser hat mit Entertainer Hape Kerkeling zwar einen tollen Synchronsprecher (Oliver Kalkofe als Butler Renfield ist dagegen nur in wenigen Szenen zu hören), doch die Figur bleibt irgendwo im Niemandsland zwischen unverstandenem Außenseiter und egoistischem Bösewicht stecken. Die hier durchaus angedeutete Komplexität bleibt vor allem eine gerade für die jüngsten Zuschauer womöglich irritierende Unklarheit. Aber ansonsten ist auch die Charakterisierung der Figuren sehr gelungen und wenn sich die Wünschmanns schließlich gegen den Feind verbünden und sich so endlich wieder einmal emotional wie körperlich nahe sind, wirkt das nicht konstruiert und aufgesetzt, sondern nachvollziehbar und damit umso mitreißender.

    Fazit: „Happy Family“ ist ein charmantes Animationsabenteuer, das mit abwechslungsreichen Settings und einer liebevollen Figurenzeichnung punktet, sodass man der nicht ganz so glücklichen Familie für ihr Happy End bis zuletzt die Daumen drückt.

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