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    Tatort: Kartenhaus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Kartenhaus
    Von Lars-Christian Daniels

    Drehbuchautor Jürgen Werner („Zivilcourage“) ist momentan der Dauerbrenner unter den „Tatort“-Machern: Allein in den vergangenen vier Jahren schrieb der erfahrene TV-Autor stolze dreizehn Bücher für die Krimireihe (hinzu kam noch das Spin-Off „Schimanski: Loverboy“). Am überzeugendsten fielen seine Beiträge für den WDR aus: Sein horizontaler Erzählansatz im Dortmunder „Tatort“ bescherte ihm 2015 eine Nominierung für den Grimme-Preis, wenngleich er bei der Preisverleihung leer ausging. Auch 2016 pflegt Werner sein Image als Workaholic, denn nach dem enttäuschenden „Tatort: Du gehörst mir“ aus Ludwigshafen läuft im gerade einmal neun Wochen alten Kalenderjahr bereits sein zweiter Krimi: In Sebastian Kos Kölner „Tatort: Kartenhaus“ erzählt Werner eine klassische Bonnie-und-Clyde-Geschichte und bricht dabei mit so mancher ungeschriebenen Regel der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe. Das Ergebnis ist allerdings ein über weite Strecken zähes Krimidrama, das erst im Schlussdrittel an Fahrt aufnimmt.

    Eigentlich wollte der wohlhabende Klaus Hartmann (Thomas Bastkowski) mit seiner Ehefrau Carmen (Julika Jenkins) ein paar Tage in den Golfurlaub fahren, doch aus den Plänen wird nichts: Während seine Gattin ahnungslos im Auto auf ihn wartet, wird Hartmann in der Küche seiner Villa erstochen. Beim Täter handelt es sich um Adrian Tarrach (Rick Okon), den älteren Freund seiner 17-jährigen Stieftochter Laura (Ruby O. Fee), an der sich Hartmann offenbar vergangen hat. Als die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) am Tatort eintreffen, ist das junge Paar verschwunden: Die beiden haben ihre Sachen gepackt und verstecken sich in einem Hotel am Kölner Flughafen. Weil es den frisch Verliebten an Bargeld mangelt, bricht Adrian kurzerhand in einen Club ein: Der Besitzer ertappt ihn auf frischer Tat und bezahlt dafür mit dem Leben. Trotz eines Überwachungsvideos und der Ergebnisse von Gerichtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) kommen Ballauf und Schenk bei der Jagd auf Adrian und Laura immer einen Schritt zu spät. Das ändert sich, als ihr technisch versierter Assistent Tobias Reisser (Patrick Abozen) das Handy von Adrians Mutter Pia Tarrach (Bettina Stucky) anzapft...

    Bonnie und Clyde wurden erschossen.“ – „Ja, aber Mallory und Mickey sind glücklich zusammen in den Sonnenuntergang gefahren“, kontert Doppelmörder Adrian die Bedenken seiner Freundin Laura – und spielt damit natürlich auf Oliver Stones Klassiker „Natural Born Killers“ mit Woody Harrelson und Juliette Lewis an. Man muss kein Prophet sein, um schon bei diesem Dialog vorauszusehen, dass es ein solches Happy End für die Verbrecher im 977. „Tatort“ nicht geben wird: Auch wenn sich Drehbuchautor Jürgen Werner klar an den großen Hollywood-Vorbildern orientiert, behalten in der Krimireihe am Ende in aller Regel die Kommissare die Oberhand. Ansonsten bricht der Filmemacher aber mit so manchem ungeschriebenen „Tatort“-Gesetz: Entgegen der üblichen Whodunit-Konstruktionen weiß das TV-Publikum von Beginn an um Täter und Motiv. Regisseur Sebastian Ko („Wir Monster“), der anders als Werner zum ersten Mal für einen „Tatort“ am Ruder sitzt, setzt den tödlichen Messerstich in aller Ausführlichkeit in Szene. Zu den Klängen des 80er Jahre-Klassikers „When The Rain Begins To Fall“ von Jermaine Jackson & Pia Zadora sorgt Ko für einen packenden Auftakt in einem Krimi, dem in der Folge leider allzu schnell die Puste ausgeht.

    Die Kölner Hauptkommissare jagen das flüchtige junge Pärchen nämlich nicht gerade im Eiltempo: Statt Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen und die Domstadt mit allen verfügbaren Einsatzkräften zu durchforsten, hangeln sich Ballauf und Schenk in Seelenruhe von Dialog zu Dialog und fassen die gewonnenen Erkenntnisse in gewohnter Manier beim Gang zu Freddys geparktem Oldtimer noch einmal zusammen. Weil der Zuschauer ohnehin schon weiß, wohin es Adrian und Laura verschlagen hat, gestaltet sich das über eine Stunde lang ziemlich zäh – am dynamischsten fällt noch eine kurze Zu-Fuß-Verfolgungsjagd von Drogendealer Ivo Tarek (Aleksandru Cirneala) aus, die mitten in einem Kölner Problembezirk ein durchaus amüsantes Ende findet. Ansonsten ist es vor allem der Assistent der Kommissare, der Schwung in die Ermittlungsarbeit bringt: Auf der Zielgeraden kommt Tobias Reisser, der sich 2015 im „Tatort: Benutzt“ als erster schwuler Assistent in der über vierzigjährigen Geschichte der ARD-Reihe outete, eine Schlüsselrolle zu. Diese Gelegenheit nutzen die Filmemacher zugleich für ein wenig Charakterzeichnung.

    Vor allem im Mittelteil spielen die Ermittler im „Tatort: Kartenhaus“ aber oft nur die zweite Geige: Die Beziehung zwischen dem abgebrühten Adrian und der undurchsichtigen Laura ist von Beginn an der Dreh- und Angelpunkt des Films. Trotz der ansprechenden Darbietungen von Rick Okon („Ein Geschenk der Götter“) und Ruby O. Fee („Rockabilly Requiem“) fehlt es den jungen Hauptfiguren aber an Fallhöhe: Insbesondere über Lauras Seelenleben erfährt das Publikum zu wenig. Warum erfindet die hübschen Außenseiterin, die von ihren Mitschülern eigentlich angehimmelt werden müsste, immer wieder abstruse Geschichten? Fragen wie diese bleiben unbeantwortet, was es schwer macht, Zugang zu der aufreizenden Jugendlichen zu finden. Adrians Vorgeschichte hingegen wurde schon oft erzählt: Sein prügelnder Vater ist früh verstorben, die Mutter ein verbitterter Pflegefall – wer in solchen Verhältnissen aufgewachsen ist, kann offenbar nur ein Krimineller werden. Auch der Showdown bietet wenig Überraschendes: Einmal mehr geht es hinauf in luftige Höhen, wie es in den vergangenen Monaten unter anderem im Kieler „Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ und im Hannoveraner „Tatort: Spielverderber“ zu beobachten war.

    Fazit: Sebastian Kos Kölner „Tatort“ ist ein erst am Ende spannendes Krimidrama, in dem im Mittelteil reichlich Leerlauf herrscht.

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