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    The Postcard Killings
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Postcard Killings

    Eine blutarme Bestseller-Verfilmung

    Von Oliver Kube

    Wer schon einmal vor einer längeren Reise in der Bahnhofs- oder Flughafen-Buchhandlung nach einem ebenso spannenden wie leicht verdaulichen Krimi gestöbert hat, dem wird dort garantiert der Name James Patterson aufgefallen sein: Der Amerikaner hat seit 1976 die schier unglaubliche Zahl von 147 Romanen verfasst, von denen wiederrum satte 114 auf der US-Bestsellerliste landeten! Insgesamt hat Patterson mehr als 305 Millionen Bücher abgesetzt (Stand aller Zahlen: März 2020). Laut New York Times haben sich seine Arbeiten in den letzten Jahren besser verkauft als die von Stephen KingJohn Grisham und Dan Brown zusammen!

    Kinofans dürfte Patterson vor allem durch seine Vorlagen zu den Psycho-Thrillern „Denn zum Küssen sind sie da“ und „Im Netz der Spinne“ mit Morgan Freeman als Polizeipsychologe Alex Cross bekannt sein. Es gibt aber noch viele weitere, meistens fürs Fernsehen realisierte Verfilmungen. Ein solches Pensum scheint kaum von einer Person allein bewältigbar – und tatsächlich arbeitet Patterson gern mit Co-Autoren. Kürzlich schrieb er etwa mit Ex-Präsident Bill Clinton den Polit-Thriller „The President Is Missing“, der aktuell vom US-Sender Showtime als TV-Serie entwickelt wird.

    Eine weitere Kollaboration ging Patterson bereits 2010 mit seiner schwedischen Kollegin Liza Marklund, der Autorin der populären Reihe „Ein Fall für Annika Bengtzon“, ein. Das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen heißt „Letzter Gruß“ und stürmte jenseits des Atlantiks erneut an die Spitze der Verkaufsliste. Unter dem Titel „The Postcard Killings“ wurde das Werk nun von Regisseur Danis Tanović verfilmt, dessen „No Man’s Land“ 2001 den Oscar für den besten fremdsprachigen Beitrag gewann. Einen weiteren Academy Award wird dieser laue Serienkiller-Thriller dem Bosnier allerdings kaum bescheren.

    Der US-Cop Jacob Kanon arbeitet in Stockholm mit der Journalistin Dessie Leonard zusammen.

    Der NYPD-Detective Jacob Kanon (Jeffrey Dean Morgan) ist in London, um seine Tochter und ihren Ehemann zu identifizieren. Die frisch Verheirateten wurden bizarr verstümmelt aufgefunden – und die beiden sind nicht das erste Paar, das in den vergangenen Wochen in Europa getötet und anschließend den Motiven bekannter Gemälde entsprechend positioniert wurde. Entgegen der Wünsche seiner Ex-Frau Valerie (Famke Janssen) will sich Jacob unbedingt an den Ermittlungen beteiligen. Doch Scotland Yard blockt schroff ab.

    Als ein ähnlicher Mord aus München vermeldet wird, erhält eine Stockholmer Zeitung fast zeitgleich eine Postkarte samt kryptischer Botschaft, die offenbar mit den Taten in Verbindung steht. Kanon reist nach Deutschland und Schweden, wo Kommissar Bubeck (Joachim Król) beziehungsweise Journalistin Dessie Leonard (Cush Jumbo) ihn willkommen heißen...

    Joachim Król rettet, was zu retten ist

    Obwohl er gerade seine Tochter auf die denkbar grausamste Weise verloren hat, fällt es dem Zuschauer schwer, Sympathie für den sich wie ein typisch großmäuliger, alles besserwissender Amerikaner aufführenden Protagonisten zu empfinden. Das überzogene, emotional schwankende Spiel von „The Walking Dead“-Bösewicht Jeffrey Dean Morgan ist dabei keine Hilfe. Die Dialogszenen mit Joachim Król zählen noch zu den wenigen Höhepunkten – und das liegt vor allem daran, dass der deutsche Kommissar seinen US-Gegenpart ein Stück weit auf den Boden zurückzuholen scheint. Im Gegensatz zum teilweise lachhaft aufgesetzten Overacting, das der Hollywoodstar mit fuchtelnden Armen und unglaubwürdigen Heulkrämpfen an der Seite von Cush Jumbo („The Good Fight“) oder Eva Röse (spielt die schwedische Chefermittlerin) betreibt, kommt Morgan in den Sequenzen mit Król zumindest halbwegs authentisch rüber.

    Dann verstößt Króls Figur im Laufe der gemeinsamen Bemühungen allerdings völlig unmotiviert und mutwillig gegen so viele Vorschriften und Gesetze, dass schnell jede Glaubwürdigkeit verliert. So drückt er seinem neuen „Freund“ aus Amerika einfach eine Waffe in die Hand oder überlässt ihm geheime Verschlusssachen, ohne dass man verstehen würde, wo dieses Vertrauen plötzlich herkommt. Okay, er betont, dies sei ohnehin sein letzter Fall, bevor er in Rente gehe. Aber das ist dann als Motivation doch ganz schön dünn…

    Wie es sich für ein Nordic-Noir gehört, ermittelt Jacob Kanon natürlich auch im Schnee.

    Während Jacob Kanon innerhalb der gut 100 Minuten laufend zwischen London, München, Madrid, Stockholm, Amsterdam sowie Brüssel hin und her hetzt, verbrachte Schauspieler Jeffrey Dean Morgan in Wahrheit nur wenig Zeit in Mitteleuropa. Der Rest des Thrillers wurde in Schweden und Norwegen gedreht, weshalb die Locations in den anderen Ländern nun auch allesamt arg austauschbar und neutral anmuten. Wenn nicht zwischendurch mal jemand ein paar Worte auf Deutsch, Niederländisch oder Französisch sprechen würde, käme man kaum darauf, wo das gerade spielen soll.

    „The Postcard Killings“ wirkt visuell wie ein fürs Fernsehen gedrehter Krimi, der sonntagabends im Spätprogramm des tatsächlich an der Produktion beteiligten ZDF laufen würde. Aber Drehbuch und Story sind ohnehin das viel größere Problem. Zunächst wird uns zeitintensiv ein Verdächtiger in Form eines tätowierten Bartträgers (Dylan Devonald Smith) präsentiert, der allzu creepy Anschluss an zwei Frischvermählte (Naomi Battrick, Ruairi O'Connor) sucht. Der wäre als Lösung nach nicht einmal zehn Minuten aber natürlich schon arg auffällig und ist deshalb sofort als falsche Fährte enttarnt.

    Verwirrung statt Spannung

    Etwa eine Dreiviertelstunde später biegen wir endlich in Richtung der tatsächlichen Aufklärung des Falles ein. Bis dahin sind noch einige ungelenk eingebaute, letztlich überflüssige Nebenhandlungen zu bewältigen, die den Zuschauer verwirren – und zwar nicht auf die neugierig machende, sondern auf die frustrierende Art! Statt Beweise zu sammeln, verlässt sich Kanon allein auf sein Gefühl und seine in 30 Dienstjahren angeblich antrainierte Menschenkenntnis. Als er beteuert, er wisse genau, dass ein Verhörter lügen würde, fragt ihn seine Stockholmer Kollegin, warum er sich denn so sicher sei: „Ich weiß es einfach!“ Das ist dann doch arg dünn und unbefriedigend.

    Sobald dann die Täterfrage endgültig geklärt ist, verschwindet die Spannung endgültig – obwohl noch fast 30 Minuten Laufzeit übrigsind. Dazu kommen immer wieder gestelzt wirkende, gelegentlich alles haarklein erklären wollende, aber oft nur für noch mehr Unklarheit sorgende Dialoge. Zwischendurch dürfen sich Kameramann Salvatore Totino („Spider-Man: Homecoming“) und Cutter-Veteran Sean Barton („Star Wars: Episode VI - Die Rückkehr der Jedi-Ritter“) immer mal wieder mit kleinen Schnittgewittern und absichtlich verwackelten beziehungsweise im schiefen Winkel aufgenommenen Bildern austoben. Was meist überflüssig bis nervig ist.

    Wäre gern wie "Sieben", ist es aber nicht

    Letztlich sollte das Ganze wohl eine Intensität à la „Sieben“ vermitteln. Auch aufgrund einiger fehlgeleiteter Anleihen beim populären Nordic-Noir-Genre und einem komplett tempobefreiten Finale landet „The Postcard Killings“ aber allenfalls auf einem Level mit dem ebenfalls belanglos austrudelnden, aber zumindest mit einem adäquaten Cast aufwartenden „Schneemann“. Letzterer war als Startschuss zu einer geplanten Thriller-Reihe, basierend auf den Harry-Hole-Romanen von Jo Nesbø, gedacht. Der Vorlage von „The Postcard Killings“ folgten zwar keine weiteren Bücher, am Ende des Films wird jedoch wenig subtil eine mögliche Fortsetzung angeteasert. Die wird es – genau wie beim gnadenlos gefloppten „Schneemann“ – aber wohl kaum geben.

    Fazit: Eine ineffizient geschriebene, klischeehaft und einfallsarm inszenierte Serienkillerhatz mit einem überforderten Hauptdarsteller.

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