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    Blade Of The Immortal - Rache stirbt nie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Blade Of The Immortal - Rache stirbt nie
    Von Michael Meyns

    Wenn in einem Film auf dem altehrwürdigen Festival in Cannes bereits nach fünf Minuten Dutzende Leichen den Boden mit ihrem Blut tränken, dann befindet man sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in einer der Sondervorführungen, in denen Festivalchef Thierry Frémaux gerne beinharte Genrekost zeigt. Außerhalb der arthouselastigen offiziellen Auswahl findet sich 2017 so auch mal wieder Platz für ein neues Werk des japanischen Vielfilmers Takashi Miike („Audition“, „13 Assassins“), der mit dem Samuraifilm „Blade Of the Immortal“ seine 100. (!) Regiearbeit vorlegt – jedenfalls wenn man der IMDb glauben darf. Wie so oft spart der eigenwillige Filmemacher nicht an Blut und abgehackten Gliedmaßen, dabei ist diese „Klinge des Unsterblichen“ aber zugleich ein geradezu klassisch anmutendes Schwertkampfepos und keineswegs eine platte Gewaltphantasie.

    Einst war Manji (Takura Kimuja) ein Samurai, der seinem Herrn blutige Dienste leistete. Als nach einem dieser Aufträge die Frau eines Opfers in den Wahnsinn fiel, wurde Manji zu ihrem Beschützer – und musste doch ihren Tod mitansehen. Voller Wut stürzte er sich in den Rachekampf, blieb selbst tödlich verwundet liegen und wurde von einem Geist gerettet. Fortan zog er als unsterblicher Krieger durch die Lande, bis er 50 Jahre später erneut in die Rolle des Beschützers einer jungen Frau gerät: Rins Eltern wurden von Anotsu (Sôta Fukushi) ermordet, der den Plan verfolgt, sämtliche Kampfschulen zu vereinen. Wer sich gegen ihn stellt, muss sterben. Zu seinen unzähligen Feinden gehört nun auch der unsterbliche Manji …

    Takashi Miike erzählt nicht einfach nur eine ausufernde Rachegeschichte, bei der exorbitant viel Blut fließt, sondern stellt gleichzeitig die Frage nach den Folgen der Vergeltung. So wie in vielen der besten jidaigekis – zu den Meisterwerke dieses urjapanischen Historiendramas zählen etwa Tadashi Imais „Bushido“ und natürlich Akira Kurosawas „Die sieben Samurai“ –  wird in „Blade Of the Immortal“ von den emotionalen Folgen eines endlosen Kreislaufs der Rache erzählt. So erweist sich hier eben auch der Antagonist Anotsu als Opfer, dem einst schweres Unrecht wiederfuhr und das nun selbst vom Verlangen nach Rache erfüllt ist. Die Helden und Anti-Helden sind müde, erschöpft von immer neuen Fehden, immer neuen Todfeinden, immer weiteren Beleidigungen, die es nach dem Moralkodex der Samurai mit Blut zu sühnen gilt.

    Doch nicht allein kampfesmüde ist Manji, der unsterbliche Samurai ist vor allem lebensmüde geworden. Aber der Tod ist für ihn (fast) unerreichbar, die winzigen Blutwürmer, mit denen der Geist ihn einst infizierte, verhindern, dass er den natürlichen Zyklus der Existenz beenden kann. Die Unsterblichkeit lastet wie ein Fluch auf Manji, allein das Mädchen Rin hält ihn davon ab, sich seinen morbiden Sehnsüchten vollständig hinzugeben, aber es fällt ihm zunehmend schwer, sein schützendes Schwert über sie zu halten. Solche geradezu existenzialistischen  Anflüge halten Miike allerdings nicht davon ab, zum Finale weitere, ausufernde Kampfszenen zu zelebrieren. Die sind für sich genommen sehr gelungen, allerdings hat das fast genüssliche Schwelgen in Action und Gewalt gerade in dem erzählerischen Zusammenhang von Lebensmüdigkeit und zermürbenden Rachezyklen etwas Zwiespältiges: Als wollte Miike dem blutigen Exzess huldigen und ihm zugleich mit einer gewissen Skepsis begegnen. Dieser Spagat gelingt nicht ganz, aber ein eindrucksvoller – wenn auch mit 140 Minuten deutlich überlanger – Film ist „Blade Of The Immortal“ dennoch.

    Fazit: Takashi Miike suhlt sich auch in seinem neuen Werk „Blade Of The Immortal“ förmlich im Blut, unterfüttert seinen Samurai-Film aber auf spannende Weise mit existenzialistischen Motiven.

    Wir haben „Blade Of The Immortal“ im Rahmen der 70. Filmfestspiele in Cannes 2017 gesehen, wo er außer Konkurrenz gezeigt wird.

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