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    Augenblicke: Gesichter einer Reise
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    Kino:
    Anonymer User
    4,5
    Veröffentlicht am 30. Mai 2018
    Roadtrips verbindet man in erster Linie mit dem Versuch neue Erfahrungen zu sammeln. Zu ihnen entschließen wir uns größtenteils in jüngeren Abschnitten des Lebens. Agnès Varda hat sich während ihres Lebensabends dazu entschlossen sich auf eine Reise zu begeben. Sie ist nicht alleine unterwegs. Zusammen mit dem Fotografen JR und einem speziell auf seine Profession ausgerichteten fahrbaren Untersatz, erkunden sie Orte Frankreichs, treffen dabei zahlreiche Menschen, deren Geschichten sie faszinieren, und sorgen mit ihrer Art die getätigten Aufnahmen den Menschen zu präsentieren für Aufsehen…

    Um ein pures Herzensprojekt handelt es sich bei der Kooperation zweier französischer Größen ihres jeweiligen künstlerischen Metiers. Agnès Varda, in der Retroperspektive die grande dame der Nouvelle Vague, und JR, einem fotografierenden Phantom der Streetart, dessen bürgerlicher Name noch nicht enthüllt wurde, sind die Akteure eines Generationen sprengenden Dokumentarfilmwerkes, das bereits im letzten Jahr in Cannes den höchsten Preis in seiner Inszenierungsparte erhielt. Nach einer gegenseitigen Vorstellung, in dem auch die Eckpfeiler des künstlerischen Schaffens der Reisepartner vermittelt werden, drückt Frau Varda ihr Anliegen selbst aus. Es soll um Gesichter gehen. Gesichter von Menschen, denen die beiden begegnen. JR, den sie nicht nur wegen dem konsequenten Tragen einer dunklen Sonnenbrille mit ihrem langjährigen Freund Jean-Luc-Godard vergleicht, besitzt mit seinem mobilen Fotoautomaten, in dem Leute sich im Stile von langsam aus der Zeit fallenden Fotokabinen fotografieren lassen könne. Er ermöglicht es ihr, diese Vision umzusetzen. Gleich vor Ort werden die Fotos im Beisein der Modelle ausgedruckt und in einen urbanen Ausstellungszusammenhang überführt. JR klebt mithilfe von Gerüsten und jeder Menge Kleister die Ausdrucke an Häuserflächen Silos und auch Ruinen, womit den Orten eine zweite Haut in schwarz-weißem Fotogewand gegeben wird. Die Vereinigung von Aufnahmeort und Fotographie ohne scheinbare Trennung durch eine materielle oder offensichtlich technisch aufgeladene Zwischeninstanz fasziniert trotz des sich wiederholenden Grundmotivs jedes Mal aufs Neue. Grund hierfür sind, neben den variierenden Eigenheiten der Trägerflächen und allzeit verspielten Komposition des Fotopapiers auf diesen, vor allem die porträtierten Menschen. Das Gespann erkundet ihre Geschichten, gibt ihnen eine Stimme und nutzt von ihnen ausgehende Anreize zu eigenen Gesprächen in an Gemälde erinnernde Arrangements, die eine mit abgeschlossenen Kapiteln aufwartende Ordnung nahelegen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass sich Varda und JR mit dem Rücken zur Kamera auf Sitzgelegenheiten, welche Spaziergängern und Wanderern aus eigenen Erfahrungen wohl vertraut sind, positionieren, wo sie inmitten von ohnehin schon fototauglichen Umgebungen mit ihren über die bisherigen Stationen reflektierenden Stimmen dem Bildkader Leben einhauchen.

    Eine entscheidende Dimension des Filmes ist das Alter Vardas. Ansichten über das Sterben sowie die Nähe zum Tod als Teil einer gedanklichen Auseinandersetzung mit dem unvermeidbaren Abschluss einer jeden Existenz kommen neben den Gebrechen auf physischer Ebene zur Sprache. Ihre Augen haben besonders mit den Konsequenzen der wachsenden Anzahl an Jahren zu kämpfen gehabt. Insbesondere ihr Blick auf die Nähe erscheint verschwommen. Die Kamerainstanz bietet einen Weg zu alter Schärfe. Ein intimer Einblick eingearbeitet in das vermutlich finale Vermächtnis einer Regisseurin, die sich auch mit Bildern und deren Erinnerungen auseinandersetzt. Darüber hinaus liefert dieses Ergebnis einer Begegnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart Denkanstöße über die Wahrnehmung von Bildern innerhalb unserer Gesellschaft. Die Weiterverwertung der Kunstinstallationen in den neuen Medien wird nicht verschwiegen, dennoch bleibt die Vermittlung immer direkt im Werkumfeld, wo sich trotz ausgehender Wellen das von Freude erfüllte Epizentrum der Projekte befindet. Der Blick für die Wirkung von wunderbaren Aktionen im eigenen Umfeld geschärft. JR bleibt mit seinen 35 Jahren die junge Kraft, die mit ihrem Elan und der kaum zu erschöpfenden Impulsivität auf Varda abfärbt. Das Talent, die Stimmung seiner Mitmenschen- auch die der Zuschauer- aufzuhellen, ist dem überzeugten Hutträger mit einem Faible für abgeschirmte Augen scheinbar in die Wiege gelegt worden.

    Die Reise endet in ihrem etablierten Konzept mit einer Verbildlichung Vardas selbst. Was dann folgt, ist ein Moment, an dem eine weitere Ikone nicht unbeteiligt ist, mit einem bitteren Beigeschmack, den zwei zu Freunde gewordene kreative Köpfe zu einem Moment der Wärme, umkehren können. Bei der filmischen Auflösung der betreffenden Szene sei angemerkt, dass deutlich Abstand von dokumentarischen Routen genommen worden ist. Verliert das Dargebotene im Kern dadurch an Authentizität? Nein! Ein Film getragen von einem festen Band der Freundschaft mit einem Plädoyer der erhöhten Aufmerksamkeit für Mitmenschen, für Fotografie und für das Kino als Ort von Geschichten aus dem Leben findet seinen würdigen Abschluss.
    Kino:
    Anonymer User
    4,5
    Veröffentlicht am 3. März 2019
    Roadtrips verbindet man in erster Linie mit dem Versuch neue Erfahrungen zu sammeln. Zu ihnen entschließen wir uns größtenteils in jüngeren Abschnitten des Lebens. Agnès Varda hat sich während ihres Lebensabends dazu entschlossen sich auf eine Reise zu begeben. Sie ist nicht alleine unterwegs. Zusammen mit dem Fotografen JR und einem speziell auf seine Profession ausgerichteten fahrbaren Untersatz, erkunden sie Orte Frankreichs, treffen dabei zahlreiche Menschen, deren Geschichten sie faszinieren, und sorgen mit ihrer Art die getätigten Aufnahmen den Menschen zu präsentieren für Aufsehen…

    Um ein pures Herzensprojekt handelt es sich bei der Kooperation zweier französischer Größen ihres jeweiligen künstlerischen Metiers. Agnès Varda, in der Retroperspektive die grande dame der Nouvelle Vague, und JR, einem fotografierenden Phantom der Streetart, dessen bürgerlicher Name noch nicht enthüllt wurde, sind die Akteure eines Generationen sprengenden Dokumentarfilmwerkes, das bereits im letzten Jahr in Cannes den höchsten Preis in seiner Inszenierungsparte erhielt. Nach einer gegenseitigen Vorstellung, in dem auch die Eckpfeiler des künstlerischen Schaffens der Reisepartner vermittelt werden, drückt Frau Varda ihr Anliegen selbst aus. Es soll um Gesichter gehen. Gesichter von Menschen, denen die beiden begegnen. JR, den sie nicht nur wegen dem konsequenten Tragen einer dunklen Sonnenbrille mit ihrem langjährigen Freund Jean-Luc-Godard vergleicht, besitzt mit seinem mobilen Fotoautomaten, in dem Leute sich im Stile von langsam aus der Zeit fallenden Fotokabinen fotografieren lassen könne. Er ermöglicht es ihr, diese Vision umzusetzen. Gleich vor Ort werden die Fotos im Beisein der Modelle ausgedruckt und in einen urbanen Ausstellungszusammenhang überführt. JR klebt mithilfe von Gerüsten und jeder Menge Kleister die Ausdrucke an Häuserflächen Silos und auch Ruinen, womit den Orten eine zweite Haut in schwarz-weißem Fotogewand gegeben wird. Die Vereinigung von Aufnahmeort und Fotographie ohne scheinbare Trennung durch eine materielle oder offensichtlich technisch aufgeladene Zwischeninstanz fasziniert trotz des sich wiederholenden Grundmotivs jedes Mal aufs Neue. Grund hierfür sind, neben den variierenden Eigenheiten der Trägerflächen und allzeit verspielten Komposition des Fotopapiers auf diesen, vor allem die porträtierten Menschen. Das Gespann erkundet ihre Geschichten, gibt ihnen eine Stimme und nutzt von ihnen ausgehende Anreize zu eigenen Gesprächen in an Gemälde erinnernde Arrangements, die eine mit abgeschlossenen Kapiteln aufwartende Ordnung nahelegen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass sich Varda und JR mit dem Rücken zur Kamera auf Sitzgelegenheiten, welche Spaziergängern und Wanderern aus eigenen Erfahrungen wohl vertraut sind, positionieren, wo sie inmitten von ohnehin schon fototauglichen Umgebungen mit ihren über die bisherigen Stationen reflektierenden Stimmen dem Bildkader Leben einhauchen.
    Eine entscheidende Dimension des Filmes ist das Alter Vardas. Ansichten über das Sterben sowie die Nähe zum Tod als Teil einer gedanklichen Auseinandersetzung mit dem unvermeidbaren Abschluss einer jeden Existenz kommen neben den Gebrechen auf physischer Ebene zur Sprache. Ihre Augen haben besonders mit den Konsequenzen der wachsenden Anzahl an Jahren zu kämpfen gehabt. Insbesondere ihr Blick auf die Nähe erscheint verschwommen. Die Kamerainstanz bietet einen Weg zu alter Schärfe. Ein intimer Einblick eingearbeitet in das vermutlich finale Vermächtnis einer Regisseurin, die sich auch mit Bildern und deren Erinnerungen auseinandersetzt. Darüber hinaus liefert dieses Ergebnis einer Begegnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart Denkanstöße über die Wahrnehmung von Bildern innerhalb unserer Gesellschaft. Die Weiterverwertung der Kunstinstallationen in den neuen Medien wird nicht verschwiegen, dennoch bleibt die Vermittlung immer direkt im Werkumfeld, wo sich trotz ausgehender Wellen das von Freude erfüllte Epizentrum der Projekte befindet. Der Blick für die Wirkung von wunderbaren Aktionen im eigenen Umfeld geschärft. JR bleibt mit seinen 35 Jahren die junge Kraft, die mit ihrem Elan und der kaum zu erschöpfenden Impulsivität auf Varda abfärbt. Das Talent, die Stimmung seiner Mitmenschen- auch die der Zuschauer- aufzuhellen, ist dem überzeugten Hutträger mit einem Faible für abgeschirmte Augen scheinbar in die Wiege gelegt worden.

    Die Reise endet in ihrem etablierten Konzept mit einer Verbildlichung Vardas selbst. Was dann folgt, ist ein Moment, an dem eine weitere Ikone nicht unbeteiligt ist, mit einem bitteren Beigeschmack, den zwei zu Freunde gewordene kreative Köpfe zu einem Moment der Wärme, umkehren können. Bei der filmischen Auflösung der betreffenden Szene sei angemerkt, dass deutlich Abstand von dokumentarischen Routen genommen worden ist. Verliert das Dargebotene im Kern dadurch an Authentizität? Nein! Ein Film getragen von einem festen Band der Freundschaft mit einem Plädoyer der erhöhten Aufmerksamkeit für Mitmenschen, für Fotografie und für das Kino als Ort von Geschichten aus dem Leben findet seinen würdigen Abschluss.

    Marco Busselmaier
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