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    Tatort: Ein Fuß kommt selten allein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Ein Fuß kommt selten allein
    Von Lars-Christian Daniels

    Im November 2015 übertrafen sich Axel Prahl („Alles inklusive“) und Jan Josef Liefers („Desaster“) mal wieder selbst: Mit ihrem „Tatort: Schwanensee“ lockten die unangefochtenen Quotenkönige der öffentlich-rechtlichen Krimireihe sage und schreibe 13,63 Millionen Zuschauer vor die TV-Geräte. In solche Dimensionen (35 Prozent Marktanteil) stoßen hierzulande allenfalls die Länderspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft vor. „Schwanensee“ war nicht nur der erfolgreichste Münster-„Tatort“ aller Zeiten, sondern zugleich der meistgesehene Fernsehfilm des Jahres und er rangiert zudem in den ewigen Top Ten der Reihe. Ob der vielfach krimierprobte Regisseur Thomas Jauch („Mordkommission Istanbul“) diesen Bestwert mit seinem „Tatort: Ein Fuß kommt selten allein“ übertreffen kann, bleibt abzuwarten – sicher ist aber, dass die zahlreichen Fans von Hauptkommissar Thiel und Professor Boerne auch beim Nachfolger auf ihre Kosten kommen. Der im Tänzermilieu spielende 29. Fall des beliebten Duos punktet mit Dialogwitz und ein paar guten Einfällen – wer auf einen spannenden Krimi mit Tiefgang hofft, wird vom „Tatort“ aus Münster aber einmal mehr enttäuscht.

    Große Ehre für Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch): Die Assistentin von Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) erhält die Verdienstmedaille des Bundespräsidenten. Von ihrem Chef erntet sie jedoch nur steife Glückwünsche und neidische Blicke. Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) verspricht, bei der nächsten Verleihung ein gutes Wort für Boerne einzulegen, knüpft dies aber an eine Bedingung: Weil ihr ursprünglicher Tanzpartner mit einer fadenscheinigen Begründung ausfällt, muss der Professor im Verein eine heiße Sohle mit ihr aufs Parkett legen. Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) verschlägt es beruflich in denselben Club: Im Wolbecker Wald wurde das Skelett der jungen Moldauerin Elmira Dumbrowa gefunden, die zu den besten Tänzerinnen des Vereins zählte. Ins Visier der Ermittler geraten der aufbrausende Präsident Dr. Winfried Steul (Thomas Heinze) und der knallharte Trainer Andreas Roth (Max von Pufendorf). Besonders geschockt zeigen sich Elmiras ehemalige Mittänzer Marie Ade (Mersiha Husagic) und Jonas Körner (Gordon Kämmerer), doch zum Trauern bleibt wenig Zeit: Die Formation steht kurz vor einem Wettkampf, der sie in die Spitzenklasse des Tanzsports katapultieren könnte ...

    Geht’s vielleicht auch mit ein bisschen weniger Klamauk?“, fragt der genervte Thiel den witzelnden Boerne am Rande eines groß angelegten DNA-Tests – und der hat wie immer die passende Antwort parat: „Dann müssen Sie sich einen anderen Rechtsmediziner suchen!“ Drehbuchautor Jan Hinter („Heiter bis tödlich“), der bereits das zwölfte Drehbuch für einen „Tatort“ aus Münster beisteuert, verteilt einen amüsanten Seitenhieb auf die TV-Kritiker (den Autor dieser Zeilen eingeschlossen), die in den vergangenen Jahren mitunter kein gutes Haar an den massenkompatiblen Krimis aus Westfalen ließen. Auch über den „Tatort: Ein Fuß kommt selten allein“ darf wieder laut gelacht werden, knisternde Spannung oder verblüffende Wendungen sucht man in dieser leichtverdaulichen Krimikomödie indes vergebens. Erfreulicherweise driftet der 986. „Tatort“ aber selten in den Klamauk ab: Die Mischung aus klassischen Whodunit-Elementen und Dialogwitz steht in einem stimmigeren Verhältnis als in so mancher anderen Folge. Und auch die zweite Meta-Anspielung des Professors trifft ins Schwarze: „Eine DNA-Analyse dauert schon etwas länger als ein Sonntagabendkrimi“.

    In einer Hinsicht übertreiben es die Filmemacher allerdings: Bei der witzlosen Nebengeschichte um Thiels „Vaddern“ Herbert (Claus D. Clausnitzer), der den leichenreichen Wolbecker Wald als perfektes Terrain für das Sammeln von Fliegenpilzen ausgemacht hat, kommen wohl nur die eingefleischten Fans der Erfolgstruppe aus Münster auf ihre Kosten. Als der kiffende Alt-Hippie dank seiner vorprogrammierten Magenverstimmung das eigene Taxi vollkotzt, ist die gesunde Dosis an Albernheiten deutlich überschritten. Auch die passablen Tanzqualitäten des vom Bundespräsidenten verschmähten Professors werden für die erhofften Lacher überstrapaziert: So amüsant Boernes unbeholfene erste Schritte mit Tanzpartnerin Klemm anzusehen sind, so überzeichnet und bemüht wirkt ein späterer Spontan-Tango mit seiner kleinwüchsigen Assistentin („Halt die Klappe und schau mir in die Augen, Kleiner!“). Ausfälle gibt es auch bei der Besetzung: Einige Nebendarsteller sind zweifellos tolle Tänzer, wirken schauspielerisch aber limitiert. Etwas kurz kommt zudem die im „Tatort: Erkläre Chimäre“ zur Kommissarin beförderte Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter, „Oh Boy“), die das Büro erst bei einer späten Motorradfahrt mit Thiel verlassen darf.

    Hier schlagen die Filmemacher den Bogen zum „Tatort: Ruhe sanft“, in dem Thiel 2007 um seinen wohlverdienten Motorradurlaub gebracht wurde, und auch sonst gibt es für Kenner der „Tatort“-Folgen aus Westfalen die eine oder andere Anspielung zu entdecken: Bei einem der vielen Ausflüge in den Wald trägt Boerne eben jene modisch eigenwilligen Gummistiefel, die 2010 für den besten Gag im „Tatort: Spargelzeit“ sorgten. Warum die Filmemacher die Ermittler immer wieder zur Spurensuche ins Gehölz ausrücken lassen, liegt im Übrigen auf der Hand: Wäre der Wald nach dem einleitenden Fund des Skeletts einfach großräumig abgesucht worden, wäre das zwar deutlich logischer gewesen, hätte die Dramaturgie aber aus den Angeln gehoben. So steuert alles in bester „Step Up“-Manier auf das große Finale zu: Der abschließende Tanzwettbewerb entlässt den Zuschauer mit stimmungsvollen Bildern und einem standesgemäßen „Footlose“-Ohrwurm in die Nacht – auch wenn die zahlreichen Statisten im Saal nicht halb so begeistert mitfiebern wie das Publikum in der ähnlich gelagerten RTL-Show „Let’s dance“, in der die mehr oder weniger prominenten Hobbytänzer die Halle regelmäßig zum Ausflippen bringen.

    Fazit: Thomas Jauchs „Tatort: Ein Fuß kommt selten allein“ ist eine Krimikomödie aus Münster nach altbewährtem Rezept – Logik und Spannung müssen hinter Dialogwitz und Albernheiten zurückstehen.

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