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    Es war einmal in Deutschland...
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Es war einmal in Deutschland...
    Von Christoph Petersen

    Der jüdische Humor, wie ihn auch Michel Bergmann in seinen familienbiographisch inspirierten Romanen „Die Teilacher“ (2010) und der Fortsetzung „Machloikes” (2011) zelebriert, zeichnet sich oft durch eine bittere Selbstironie aus. Die verbreiteten Vorurteile gegen Juden und die Schrecken der eigenen Geschichte werden in bestenfalls messerscharfe, staubtrockene Pointen verpackt, die so lustig sind, dass man laut losprustet, und zugleich so profund-abgründig, dass einem im selben Moment die Tränen in die Augen schießen. Nun beißt sich ein solch bissig-trockener Umgang gerade mit den Gräueln des Holocausts natürlich mit dem in aller Regel eher braven deutschen Förderkino – und das merkt man auch Sam Garbaskis Verfilmung von Bergmanns Büchern in ihren schwächeren Momenten durchaus an. Trotzdem wagt sich der „Irina Palm“-Regisseur in „Es war einmal in Deutschland…“ mitunter tatsächlich in jene tiefschwarzen Gefilde der jüdischen Tragödie vor, wo das Lachen und das Weinen näher zusammenliegen als irgendwo sonst.

    Dies ist eine wahre Geschichte. Und was nicht ganz wahr ist, stimmt trotzdem.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs will der jüdische Kaufmann David Bermann (Moritz Bleibtreu) ein Wäschegeschäft in Frankfurt eröffnen – aber obwohl eine Erlaubnis der US-Besatzer für heimkehrende Juden sonst eigentlich nur eine Formsache ist, wird ihm die Genehmigung verweigert. Kurzerhand holt sich David einige ebenfalls jüdische Geschäftspartner mit ins Boot, die nicht nur für ihn die Lizenz beantragen, sondern auch mit ihm gemeinsam die Wäschepakete an den Haustüren verkaufen – und zwar unter Verwendung aller erdenklichen Tricks: Egal ob sie sich als Kumpels von im Krieg gefallenen Söhnen ausgeben oder an den ausgeprägten Neid der Hausfrauen appellieren – David und seinen Partnern ist jedes Mittel recht, um die feine Pariser Wäsche an die deutsche Kundschaft zu bringen. Mehrmals die Woche kann David allerdings nicht mit den anderen hinausfahren, da muss er nämlich der amerikanischen Ermittlerin Sara (Antje Traue) Rede und Antwort stehen - das US-Militär hat da noch ein paar drängende Fragen in Bezug auf Davids Zeit im Konzentrationslager…

    Wenn Moritz Bleibtreu („Das Experiment“, „World War Z“) dem Rest der Crew erklärt, dass Hitler nun tot sei, aber sie ja noch leben würden, dann erinnert er mit seinem schlitzohrigen Charisma durchaus ein wenig an George Clooney in seiner Rolle als Danny Ocean aus den „Ocean’s Eleven“-Filmen – nur dass hinter Davids trocken-lakonischen Sprüchen oft noch besonders tiefe Abgründe lauern (den Grund dafür erfahren wir in seiner Hintergrundstory, die während der US-Verhöre nach und nach aufgedeckt wird). Sowieso ist „Es war einmal in Deutschland…“ immer dann am besten, wenn er sich als eine Art Verkaufsgespräch-Heist-Movie präsentiert – in den Tricks der Vertreter und ihren Flunkereien gegenüber ihren potentiellen Kunden spiegeln sich oft die Schrecken, die sie selbst während des Holocausts erlebt haben. Stimmiger kann man Komik und Tragik kaum zusammenbringen.

    Aber leider bleibt es nicht bei diesem hintergründigen Lustspiel: Mit fortlaufender Spieldauer werden immer mehr betont ernsthaft-dramatische Szenen eingestreut – und die funktionieren bei weitem nicht so gut wie die tragikomischen Momente zuvor. Wenn sich der Vertreter Krautberg (Vaclav Jakoubek) erhängt, weil seine „fälschliche“ Identifizierung eines KZ-Aufsehers dramatische Folgen hatte, dann entfaltet das genauso wenig die gewünschte Wirkung wie die Erzählung von Verständig (Hans Löw), wie ihm in Shanghai ein Auge kaputtgeschlagen wurde. Dass man offenbar glaubt, das Thema nach all der schmerzhaften Komik jetzt unbedingt auch noch einmal mit sakraler Ernsthaftigkeit angehen zu müssen, erweist sich als kontraproduktiv, denn so wirken viele der späteren Szenen wie eine brave Pflichterfüllung. Auch wie hier vorschichtig dosiert immer wieder einzelne jiddische Begriffe in die Dialoge eingesprenkelt werden, kommt einem ziemlich kalkuliert vor – es reicht gerade eben für ein wenig jüdisches Kolorit, aber nie besteht die Gefahr, dass ein Zuschauer mal eine Bemerkung vielleicht nicht sofort versteht.

    Fazit: In den stärksten Momenten von „Es war einmal in Deutschland…“ kommen trockene Komik und tiefe Tragik kongenial zusammen – aber daneben gibt es auch eine Reihe von Szenen, die das Klischee vom allzu brav-ernsten deutschen Kino eher unterfüttern als widerlegen.

    Wir haben den Film im Rahmen der Berlinale 2017 gesehen, wo „Es war einmal in Deutschland…“ als Berlinale Special Gala gezeigt wird.

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