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    My Father Die
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    My Father Die
    Von Tobias Tissen

    Zwischen 1995 („Goldeneye“) und 2002 („Stirb an einem anderen Tag“) verkörperte Pierce Brosnan in insgesamt vier Filmen den britischen Superagenten James Bond und betonte den Gentleman im Actionhelden – ehe es mit „Casino Royale“ und Daniel Craig wieder in eine härtere Richtung ging. Nun legt mit Sean Brosnan der älteste Sohn des irischen Ex-007 sein Regiedebüt vor – und der bescheiden produzierte Rache-Thriller „My Father Die” könnte kaum in einem größeren Gegensatz zu den galant-glatten Bond-Filmen der Brosnan-Ära stehen. Denn „My Father Die“ ist dreckig, pessimistisch und schonungslos brutal – eine finstere Vision, die vor allem atmosphärisch überzeugt und trotz einiger erzählerischer Schwächen neugierig macht auf den nächsten Film von Brosnan Jr.

    Chester (Chester Rushing) will seinen kleinen Bruder Asher (Gabe White) in die Mysterien des Erwachsenwerdens einweihen. Aus diesem Grund darf Asher seinen Bruder beim Sex mit der willigen Nachbarin Nana (Trina LaFargue) beobachten. Doch Ivan (Gary Stretch), der Vater der Jungs, sieht Nana als sein Eigentum an: Als er seinen Erstgeborenen mit der gemeinsamen Geliebten in flagranti erwischt, prügelt er ihn kurzerhand zu Tode. Geschockt von der väterlichen Gewalt, die er mitansehen musste, bleibt der jüngere Bruder stumm und taub zurück. Einige Jahre später erhält der mittlerweile erwachsene Asher (jetzt: Joe Anderson) die Nachricht, dass Ivan wegen Überfüllung der Gefängnisse vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Der hasserfüllte Sohn schwört daraufhin Rache und spürt seinen Vater auf. Er kann ihn überwältigen und niederschlagen, aber er macht einen entscheidenden Fehler: Er geht weg, ohne zu überprüfen, ob sein Opfer wirklich tot ist – und setzt so eine Spirale der Gewalt in Gang...

    Schon gleich zu Beginn etabliert Regisseur Sean Brosnan in einer in tristem Schwarz-Weiß gehaltenen Rückblende die düstere Stimmung seines Films. Wenn Vater Ivan seinen Sohn beim Sex mit der eigenen, blutjungen Geliebten erwischt und ihn vor den Augen des jüngeren Bruders totprügelt, wird sofort klar: Hier herrscht rohe, nihilistische Gewalt. Der sprechende Name der Familie Rawlings – also „Rohlinge” – unterstreicht das noch, ebenso wie der für animalische Unzähmbarkeit stehende Wolfspelz, den Chester (und später Asher) als eine Art Umhang trägt. Brosnan schlägt ein verhaltenes Erzähltempo an und schwelgt geradezu in der bedrückenden Atmosphäre seines unwirklichen Hinterwäldler-Paralleluniversums, das sich kaum konkret in Zeit und Raum verorten lässt: eine trostlose, verwilderte Gegend mit heruntergekommenen Wohnbaracken, die immer wieder durch skrupellose Rocker auf ihren Harleys aufgeschreckt wird. Diese Welt hat etwas von einem Gefängnis, mehr noch von einer Hölle, aus der es kein Entrinnen gibt und die nur für sich existiert – selbst der Fernsehprediger erweist sich als sadomasochistischer lokaler Kunde der als Webcam-Girl arbeitenden Nana.

    Die oft mit Weitwinkelobjektiv gefilmten sonnendurchfluteten Bilder geben dem Film etwas Fiebriges und heben mit ihrer Tiefenschärfe noch den Eindruck des Unentrinnbaren hervor, dazu ertönt country- und blueslastiger Southern-Rock – ein Klagegesang tiefer Verlorenheit. Es ist, als würde das Vergangene sich in den Rückblenden und in Ashers Voice-Over (die Worte des Erwachsenen erklingen mit der Stimme des Kindes) wie eine unendliche Last auf die Gegenwart legen. So konsequent und überzeugend Regisseur Brosnan seine inszenatorischen Mittel einsetzt, so formelhaft ist allerdings letztlich die sehr vorsehbare Handlung und so oberflächlich die Figurenzeichnung. Während der wohl spannendste Aspekt am Protagonisten Asher – nämlich seine Taub- und Stummheit -  nahezu keine Rolle spielt, besitzt sein Vater Ivan nur einen einzigen Wesenszug: Boshaftigkeit. Und die bekommt bereits bei seinem zweiten Auftritt etwas Selbstzweckhaftes, als er mit einem aufdringlichen Polizisten konfrontiert wird: Die Figuren sind trotz ordentlicher Schauspielleistungen weder psychologisch konsistent noch konsequent ins Allegorische überhöht, zudem fehlt dem ganzen Höllenszenario ein Spannungsbogen: Hier fühlt sich selbst der Showdown nicht wie ein Showdown an – die negative Energie kann sich nie so recht entladen und es entsteht eine Art Monotonie der Düsternis: Als sollte es auch für den Zuschauer kein Entkommen geben.  

    Fazit: Während Geschichte und Figuren von „My Father Die” weitgehend formelhaft gestaltet sind, hebt die fast hypnotische Atmosphäre den schonungslosen Rache-Thriller über das Mittelmaß hinaus.

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