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    Tatort: Am Ende geht man nackt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Am Ende geht man nackt
    Von Lars-Christian Daniels

    Die Filmemacher versuchen sich im „Tatort“ bekanntermaßen gern an der Aufarbeitung des aktuellen Zeitgeschehens – und daher ist die europäische Flüchtlingskrise in den Drehbüchern der beliebtesten deutschen TV-Reihe auch nach wie vor ein Dauerthema. Schon der erste Satz der Inhaltsangabe zum dritten „Tatort“ aus Franken ist aber mittlerweile für viele Zuschauer ein Grund, am Sonntag nicht einzuschalten: „Während Paula Ringelhahn nach einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Bamberg die Ermittlungen aufnimmt“, heißt es dort – doch immer größere Teile des Stammpublikums haben langsam aber sicher genug von diesem Thema. Nach einer ganzen Reihe an „Tatort“-Folgen im vergangenen Jahr rückten auch 2017 im Frankfurter „Tatort: Land in dieser Zeit“, im Kölner „Tatort: Wacht am Rhein“ und im Schweizer „Tatort: Kriegssplitter“ immer wieder geflüchtete Menschen in den Fokus der Ermittler. Bei aller thematischen Einseitigkeit kamen zwar durchaus spannende Krimis dabei heraus, doch zu diesen zählt Markus Imbodens „Tatort: Am Ende geht man nackt“ nicht: Der dritte „Tatort“ aus Franken ist der bisher schwächste und leidet vor allem unter dem viel zu oft erhobenen moralischen Zeigefinger.

    Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) kehrt von einem längeren Urlaub in Tschetschenien zurück. Statt sich von den Strapazen des Fluges zu erholen, wartet in Bamberg Arbeit auf ihn: Seine Kollegen Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) wurden in der Nacht zu einer Flüchtlingsunterkunft gerufen, auf die ein Brandanschlag verübt wurde. Eine junge Frau aus Kamerun kam dabei ums Leben: Spurensicherungsleiter Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) stellt eine Rauchvergiftung fest. Weil der Verdacht besteht, dass jemand das Opfer an der Flucht aus einer brennenden Küche gehindert hat und Voss als einziger noch nicht am Tatort gesehen wurde, entschließt sich der Kommissar zu einer Undercover-Aktion: Er schleust sich als tschetschenischer Flüchtling in die Unterkunft ein und sucht den Kontakt zu den Bewohnern. Einen guten Draht baut er zum 18-jährigen Syrer Basem Hemidi (Mohamed Issa) auf, der verzweifelt nach seinem verschwundenen Bruder sucht und zu den Fittichen des Nordafrikaners Said Gashi (Yasin el Harrouk) zählt, der unter den Flüchtlingen das Sagen hat. Ringelhahn, Fleischer und Goldwasser ermitteln derweil im Umfeld des Heims...

    Nicht nur die Schicksale geflüchteter Menschen sind im „Tatort“ momentan ein Dauerbrenner: Auch Regisseur Markus Imboden („Der Verdingbub“) gehörte zuletzt so fest zur Krimireihe wie die Augen von Horst Lettenmayer und die Titelmusik von Klaus Doldinger. Nach dem Frankfurter „Tatort: Wendehammer“, dem Münchner „Tatort: Klingelingeling“ und dem Frankfurter Tatort: „Land in dieser Zeit“ läuft bereits der vierte Beitrag binnen vier Monaten unter Regie des Schweizer Filmemachers. Der „Tatort: Am Ende geht man nackt“ ist eine seiner schwächeren Arbeiten – was allerdings weniger an der soliden, wenn auch etwas behäbigen Inszenierung liegt, als vielmehr an der überfrachteten und politisch viel zu stark eingefärbten Geschichte. Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt, der 2015 das Skript zum starken Stuttgarter „Tatort: Preis des Lebens“ konzipierte, schleust eine wenig subtile „Refugees Welcome“-Botschaft ein und hebt permanent den moralischen Zeigefinger: Die Kommissare spenden sogar Altkleider und spielen mit dem Gedanken, einen syrischen Flüchtling zu adoptieren. Außerdem werden in diesem politisch überkorrekten Krimi Seitenhiebe auf den deutschen Behördenapparat, das Gesundheitssystem und voreingenommene Streifenpolizisten verteilt, die den Schauplatz Bamberg in kein gutes Licht rücken.

    Auch der Spannungskurve ist das alles andere als dienlich: In Fahrt kommt der 1018. „Tatort“ erst in den Schlussminuten, doch der Ausgang des Films, in dem die Tätersuche immer wieder in den Hintergrund rückt, ist so vorhersehbar, dass der Schlussakkord ohne nennenswerte Nachwirkung verpufft. Um eine tiefere Beziehung zu den Figuren aufzubauen, sind es schlicht viel zu viele: Statt die Zustände und Spannungsfelder in der Gemeinschaftsunterkunft herauszuarbeiten und den Undercover-Kommissar in einem reizvollen Mikrokosmos ermitteln zu lassen, unternimmt Voss sogar Ausflüge in einer Putzkolonne. Während der Tschetschenien-Rückkehrer fast ausschließlich sympathische Flüchtlinge kennenlernt, von denen überraschenderweise nur einer ernsthafte Zweifel an seiner Identität hegt, arbeiten seine Kollegen nach Schema F die Verdächtigen außerhalb des Heims ab: Sie treffen unter anderem den einflussreichen Bauunternehmer Sascha Benedikt (Hans Brückner), der das Wohlergehen seiner Mitmenschen seinem Bankkonto unterordnet, und den rechtsradikalen Benjamin Funk (Frederik Bott), der hohle Parolen schmettert („Flüchtlinge nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“) – das hat man alles schon viel differenzierter gesehen.

    Auf der Strecke bleibt die Charakterzeichnung aber auch bei den Ermittlern: Wer in ein paar Monaten noch alle vier Namen der nach wie vor austauschbar wirkenden Kommissare aufzählen kann, zählt definitiv zu den eingefleischteren „Tatort“-Fans. Das vielgepriesene Lokalkolorit kommt im dritten „Franken-Tatort“ ebenfalls zu kurz: Sieht man vom Dialekt und ein paar netten Panoramen über den Dächern der Stadt ab, ist von Land und Leuten wenig zu spüren. Im Gegenteil: Wir erfahren in diesem Krimi mehr über den Kaukasaus und tschetschenische Wurst als über Bamberg, denn das Flüchtlingsheim ist als Kulisse ebenso austauschbar wie die meisten Locations für die Außenaufnahmen. Mit Yasin el Harrouk, der 2014 als exzentrischer Diplomat im Münchner „Tatort: Der Wüstensohn“ brillierte, zählt aber immerhin ein hoffnungsvolles Schauspieltalent zum Cast – außer dem bedrohlichen Blitzen seiner dunklen Augen und ein paar amüsanten One-Linern („8 Uhr. Punktlich! Wie Deutsche!“) darf der Deutsch-Marokkaner diesmal allerdings nicht sehr viel zeigen. So ist der „Tatort: Am Ende geht man nackt“ am Ende eine große Enttäuschung – und das neue Team aus dem Frankenland noch immer nicht ganz in der Krimireihe angekommen.

    Fazit: Markus Imbodens „Tatort: Am Ende geht man nackt“ ist ein zäher und mit dem politischen Holzhammer erzählter Krimi mit eindimensionalen Figuren und nur wenig Spannungsmomenten.

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