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    Hotel Artemis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hotel Artemis
    Von Christoph Petersen

    Wenn man „Hotel Artemis“ und „John Wick“ gemeinsam bei Google eingibt, erhält man aktuell nicht nur mehr als 190.000 Treffer, sondern auch mehr als 6.000 Nachrichtenartikel (inklusive einiger von FILMSTARTS), in denen beide Filmtitel genannt werden. Immer wieder wird dabei auch die Frage behandelt, ob „Hotel Artemis“ von „Iron Man 3“-Autor Drew Pearce also nur ein plumpes „John Wick“-Imitat sei? Und der Gedanke ist ja auch naheliegend: Nachdem in „John Wick“ und seinem Sequel das Hotel The Continental eingeführt wurde, in dem Auftragskiller in Sicherheit untertauchen können, solange sie sich an die strengen Regeln halten, erweist sich das titelgebende Hotel Artemis nun als getarntes Krankenhaus, in dem sich Gangster in Sicherheit behandeln lassen können, solange sie sich an die strengen Regeln der von den meisten nur The Nurse genannten Krankenschwester (Jodie Foster) halten, die den Laden ganz allein mit dem ihr treu ergebenen Pfleger Everest (Dave Bautista) schmeißt.

    Zudem versprechen die Trailer zu „Hotel Artemis“ ebenjene Art hochstilisierter No-Nonsense-Action, für die auch die „John Wick“-Reihe bekannt ist. Trotzdem ist „Hotel Artemis“ definitiv kein „John Wick“-Klon, ganz im Gegenteil: Der Vergleich mit der Keanu-Reeves-Ballerei, der sicherlich auch von der Marketing-Abteilung mit heraufbeschworen wurde, um mehr Kinotickets zu verkaufen (was in den USA gar nicht geklappt hat), schadet „Hotel Artemis“ nicht etwa, weil sich die Filme zu ähnlich sind, sondern weil sie eben so verschieden sind. Wenn man während der Vorstellung der Figuren und des als Hotel firmierenden Hospitals die ganze Zeit nur darauf wartet, dass in dem Krankenhaus endlich „John Wick“-mäßig die patronensurrende Hölle losbricht, dann hat man den eigentlichen Film irgendwann schlichtweg verpasst: „Hotel Artemis“ erweist sich als figurenfokussiertes Noir-Kammerspiel mit Sci-Fi- und Dystopie-Elementen sowie fünf Minuten Action am Ende – und als solches ist der Film auch ziemlich gut gelungen.

    In einer nicht allzu fernen Zukunft wird Los Angeles von schweren Ausschreitungen erschüttert, nachdem es immer mehr Bürger wegen der immens hohen Wasserkosten auf die Straße getrieben hat. In der Nacht mit den bisher schlimmsten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften herrscht auch in dem Nur-für-Gangster-und-nur-für-Mitglieder-Krankenhaus Hotel Artemis Hochbetrieb. Während der Waffenhändler Acapulco (Charlie Day) und die Auftragskillerin Nice (Sofia Boutella) schon früher eingecheckt haben, wollen sich nach einem schiefgelaufenen Banküberfall auch die Brüder Waikiki (Sterling K. Brown) und Honolulu (Brian Tyree Henry) wieder zusammenflicken lassen. Und dann kündigt sich noch ein ganz besonderer Gast an: Niagara (Jeff Goldblum) ist der mächtigste Gangsterboss der Stadt und der Besitzer von Hotel Artemis – aber nicht einmal er kommt darum herum, sich an die Regeln zu halten. Die wichtigste lautet: Keine Waffen! Und wer kommt, wenn schon alle Betten belegt sind, der hat eben Pech gehabt…

    Wenn nach und nach die „Patienten“ im Hotel Artemis eintreffen, dann erinnert das ein wenig an eine Agatha-Christie-Story, wo auch erst einmal die ganzen Verdächtigen eingeführt werden – allerdings gibt es hier nur sehr bedingt ein Mysterium und schon mal gar keine abschließende Auflösung in der Bibliothek. Stattdessen ist die Vorstellung des Figurenarsenals nicht nur das Herzstück der Story, sondern praktisch der gesamte Film - wie gesagt mit einem nur kurzen Gewaltausbruch am Ende. Aber wer Spaß an spannenden Charakteren hat, die allesamt von sehr guten Darstellern verkörpert werden, der kommt hier trotzdem voll auf seine Kosten – wobei einige natürlich noch ein wenig aus dem Ensemble herausragen.

    So hat vor allem die sich aus der Schauspielrente zurückmeldende Jodie Foster (Oscars für „Angeklagt“ und „Das Schweigen der Lämmer“) spürbar unfassbar viel Spaß an ihrer Rolle als resolute Krankenschwester, die ihrer Berufung mit einem scheinbar unendlichen Pragmatismus nachgeht, aber nach und nach auch eine gebrochene, tragische Seite offenbart. Und ganz ehrlich: Uns ist es lieber, verdiente Schauspieler kommen für solche Rollen zurück, auf die sie einfach richtig Bock haben, als für irgendwelche Prestige-Projekte, um vielleicht doch noch einen (weiteren) Oscar zu gewinnen. Noch überraschender ist allerdings unsere Nr. 2: Ex-Wrestling-Star Dave Bautista („Avengers 3: Infinity War“) steigert sich weiter von Film zu Film – und ist inzwischen tatsächlich ein verdammt guter Schauspieler, der hier eine erstaunlich einnehmende Performance als treuer Riese abliefert.

    Während Sterling K. Brown („This Is Us“) das abgefahrene Sci-Fi-Gangster-Szenario als fürsorglicher Bruder ein wenig erdet, geben vor allem Charlie Day („It’s Always Sunny In Philadelphia“) als megaarroganter Schmierlappen, Sofia Boutella („Kingsman: The Secret Service“) als ebenso verführerische wie profitsüchtige Profikillerin sowie Jeff Goldblum („Jurassic World 2: Das gefallene Königreich“) als mächtiger Gangsterpate dem Affen ordentlich Zucker, wobei es am Ende Zachary Quinto („Star Trek“) als Niagaras sich nach der Gunst seines Vaters sehnender Sohn ist, der das lustvolle Overacting endgültig bis zum Höhepunkt treibt. Es gibt dabei eine ganze Menge Charaktermomente, in denen Details über die Figuren offenbart werden, von denen man eigentlich erwarten würde, dass sie alle im großen Finale noch einmal eine Rolle spielen – aber das trifft hier tatsächlich nur auf einen kleinen Teil zu, der Rest ist tatsächlich nur dazu da, um den Figuren mehr Farbe zu verleihen.

    Der gar nicht so heimliche Star bleibt aber natürlich das titelgebende „Hotel“: Passend zu dem Agatha-Christie-Vergleich ist es mit seinen antik-plüschigen Polstermöbeln eingerichtet wie ein Nobelhotel der 60er Jahre – und zugleich vollgestopft mit Sci-Fi-Equipment wie automatisierten OP-Maschinen. Ein faszinierender Gegensatz, den Drew Pearce mit seiner ebenso atmosphärischen wie stilbewussten Inszenierung regelrecht zelebriert, wobei der Look gar nicht wie bei so vielen aktuellen Meta-Actionfilmen (angestrengt) auf alt getrimmt wirkt, sondern etwas angenehm Natürliches und Selbstverständliches an sich hat. Die Action selbst ist dann solide, Boutella und Bautista bekommen beide ihren einen Moment zum Glänzen – aber gerade als man glaubt, dass es jetzt richtig losgeht, ist der Film auch schon vorbei. Aber das haben wir jetzt in dieser Kritik häufig genug erwähnt, um euch diese Enttäuschung zu ersparen…

    Fazit: Ein atmosphärisches Sci-Fi-Noir-Kammerspiel mit starken Schauspielern und Figuren, das zur Enttäuschung werden kann, wenn man mit den falschen Erwartungen (Stichwort: „John Wick“) an den Film herangeht.

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